Neue Finanzierungsmodelle für die Energiewende
Neue Finanzmodelle für die Energiewende
Frank Dornseifer, Geschäftsführer, und Andreas Kalusche, Vorstandsmitglied, Bundesverband Alternative Investments
Gezielte gesetzliche Änderungen zur Mobilisierung von Kapital notwendig
„Wie wir heute unsere Infrastrukturen gestalten, entscheidet maßgeblich darüber, wie wir morgen leben.“ So banal dieser Satz aus dem „Infrastrukturatlas“ der Heinrich-Böll-Stiftung aus dem Jahr 2020 klingt, so sehr versinnbildlicht er ein beinahe allgegenwärtiges Dilemma: Zum einen ist der Status quo aus maroder, überlasteter und unzureichender Infrastruktur die Folge gravierender Investitions- und Modernisierungsdefizite der vergangenen Jahrzehnte; zum anderen hängt der Erfolg der anstehenden nachhaltigen Transformation davon ab, dass jetzt massiv investiert und gebaut wird.
Doch dafür bedarf es gigantischer Finanzmittel. Die KfW beziffert in ihrem Klimabarometer 2023 den Finanzbedarf für das Erreichen der Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 auf rund 5 Bill. Euro, also durchschnittlich gut 190 Mrd. Euro pro Jahr. Wenig überraschend führt die KfW weiter aus, dass ein Großteil dieser Investitionen – rund 60% – nicht von der öffentlichen Hand getragen werden kann. Der finanzielle Handlungsspielraum auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene ist massiv eingeschränkt – nicht nur durch die Schuldenbremse. Naheliegend und folgerichtig ist daher die Beteiligung von institutionellen Investoren, also vor allem Versicherungsunternehmen, Pensionskassen, Versorgungswerken und Investmentfonds, und, wenn möglich, auch von Privatanlegern.
Wie aber kann ein solches kooperatives Investitionsmodell, in dem die öffentliche Hand und private Kapitalgeber den Infrastrukturausbau und die nachhaltige Transformation in Deutschland finanzieren, aussehen? Bereits 2016 hatte eine beim damaligen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie angesiedelte Expertengruppe ein Konzept für eine private Finanzierung kommunaler Infrastrukturprojekte entworfen, bestehend aus:
- erstens einer Vermittlungsplattform („staatliche Infrastrukturgesellschaft“), die durch Bündelung und Standardisierung von Projekten zu einer deutlichen Absenkung der Transaktionskosten führt;
- zweitens einer geeigneten Governance-Struktur für die Durchführung der Projekte innerhalb eines „Bündels“, die eine effektive Risikoübertragung ermöglicht, der öffentlichen Hand Beteiligungs- und Kontrollmöglichkeiten einräumt und mögliche Informationsasymmetrien und Interessenskonflikte abbaut;
- drittens einem geeigneten Fondsvehikel, das Eigenkapital einbindet und dabei gleichzeitig der Langfristigkeit und Illiquidität von Infrastrukturinvestitionen sowie dem schrittweisen Aufbau eines Projektpools Rechnung trägt.
Leider wurde dieses Konzept nicht weiterverfolgt. Angesichts der immensen und drängenden Herausforderungen durch die nachhaltige Transformation hat jüngst auch der Sustainable-Finance-Beirat eigene Vorschläge für die Mobilisierung privaten Kapitals vorgestellt. Auch hier geht es um die Diversifizierung der Finanzierungsquellen und ein starkes Engagement privater Investoren. Für die konkrete Umsetzung werden neben der Bündelung von Kommunalkrediten die Nutzung von Fondsstrukturen, aber auch die Errichtung von Infrastrukturdachgesellschaften mit oder ohne öffentliche Beteiligung vorgeschlagen. Insofern gibt es also gewisse Ähnlichkeiten zu dem damaligen Konzept der BMWi-Expertengruppe. Erfolgreiche kooperative Finanzierungsmodelle verfolgen auch der European Investment Fund (EIF) auf europäischer Ebene und die KfW Capital auf nationaler Ebene.
Gesetzgeber ist gefordert
Es klingt also nach einer Win-win-Situation: Die Energiewende erfordert Unsummen an Finanzmitteln, gleichzeitig wollen und müssen private und institutionelle Anleger sehr große Anlagebeträge nachhaltig investieren. Damit die deutsche Fondsbranche die angedachte zentrale Finanzierungsfunktion übernehmen kann, sind allerdings gezielte gesetzliche Anpassungen erforderlich, insbesondere müssen (Investment-) Steuerrecht und Fondsaufsichtsrecht synchron geändert werden. Den erweiterten Anlagemöglichkeiten im Bereich erneuerbare Energien muss Rechnung getragen werden, ohne dass dies steuerlich nachteilige Auswirkungen auf den Fonds hat. In diesem Zusammenhang müssen aber auch die Vorgaben in der veralteten Anlageverordnung für die Investmentaktivitäten von Pensionskassen, Sterbekassen und kleinen Versicherungsunternehmen modernisiert werden; idealerweise verbunden mit einer eigenen Quote für Infrastrukturanlagen, etwa nach dem Vorbild der Regelung für Versorgungswerke in Nordrhein-Westfalen. Nur wenn es gelingt, aus einem regulatorischen Guss Investition in Infrastruktur rechtssicher und vor allem praxisgerecht auszugestalten, kann dadurch auch Altersvorsorgekapital für die Finanzierung der nachhaltigen Transformation und den Ausbau und die Erneuerung von Infrastruktur mobilisiert werden.
Nach zwei erfolglosen Versuchen beim Zukunftsfinanzierungsgesetz und dem Wachstumschancengesetz ruhen nun alle Erwartungen auf dem Jahressteuergesetz 2024, mit dem dieser Komplex erneut adressiert werden soll. Eine Win-win-Situation bei der Finanzierung der nachhaltigen Transformation ist also zum Greifen nah. Die Energiewende ist zu wichtig, als dass auf die – deutsche – Fondsbranche und die dahinterstehenden Anleger verzichtet werden kann.