Im GesprächHans-Jörg von Mettenheim und Marcus Göhler

Wenn der KI-Algorithmus Trendsignale zu ESG-Scores liefert

Das Start-up AI Data Champions hat einen auf KI basierenden Algorithmus entwickelt, der bei ESG-Kennziffern auf der analytischen Ebene als Frühwarnsystem funktioniert. Im Portfolio-Management ergibt sich mit Einsatz der KI zusätzliches Renditepotenzial.

Wenn der KI-Algorithmus Trendsignale zu ESG-Scores liefert

Wer in der Finanzbranche mit nachhaltigen Anlagechancen zu tun hat, ist mit einigen grundsätzlichen Herausforderungen konfrontiert. Es gilt, den Überblick zu behalten über alles, was sich in ESG und Green Finance tut. Und es braucht Zugriff auf einen tauglichen Big-Data-Ansatz, mit dem man durch den Dschungel an Datenpunkten navigieren kann.

Zu den Start-ups, die in dem Bereich als Dienstleister aktiv sind, gehört AI Data Champions, die aus ihrem eigenentwickelten Algorithmus ESG- und SDG-Scores in Echtzeit bestimmen kann. Diese Scores werden stündlich ohne Eigenangaben der betroffenen Unternehmen aktualisiert, sind wissenschaftlich validiert und stellen nach Ansicht der Gründer eine komplett neue Herangehensweise im Markt der ESG-Ratings dar. SDGs, das sind die 17 Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen.

Satter Datensatz

Das Gründerteam hat bereits seit 2015 Erfahrungen im ESG-Scoring und ist nun mit einem marktreifen Produkt am Start. „Basis dafür ist ein Datensatz, der acht Jahre zurückreicht und uns damit reichlich Gelegenheit für Backtests verschafft hat“, so Hans-Jörg von Mettenheim im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Er ist Professor und Direktor des Lehrstuhls für Quantitative Finanzen und Risikomanagement an der Ipag Business School, Paris, und bei dem Fintech für die Produkte und deren Weiterentwicklung in technischer Hinsicht verantwortlich. Seine Mitgründer sind der den Vertrieb verantwortende Marcus Göhler sowie der Steuer- und Unternehmensberater Andreas Muth, der das Thema strategische Planung und Finanzen verantwortet.

Damit können wir den Marktteilnehmern frühzeitig Änderungen signalisieren, auf die man dann als Portfolio-Manager mit Exposure zu ESG-Investments reagieren kann.

Marcus Göhler

„Das Grundprodukt funktioniert dabei so, dass unser Algorithmus die Daten von mehr als hunderttausend öffentlichen Nachrichtenquellen durchsucht und diese nach Informationen filtert, die möglicherweise zu einer Veränderung des Nachhaltigkeits-Scores von Unternehmen führen,“ so Göhler. Die Analysen erfolgten dabei in sechzig Sprachen und bewerteten auf Basis der „Natural Language Processing"-Technologie die jeweiligen News. Das Ergebnis: „Damit können wir den Marktteilnehmern frühzeitig Änderungen signalisieren, auf die man dann gegebenenfalls als Portfolio-Manager mit Exposure zu ESG-Investments reagieren kann, bevor ein Ereignis marktbewegend ist.“

Portfolio-Simulationen

Damit würden Investoren dann in die Lage versetzt, zusätzliche Rendite zu generieren. Wie ein Assetmanager mit Integration des Algorithmus fährt, das hat AI Data Champions mit Portfolio-Simulationen getestet – und kommt zu einem klaren Ergebnis: „In einem Blue-Chip-Portfolio ergibt sich eine Outperformance im Bereich von einstelligen Prozentpunkten. Solche Verbesserungen sind signifikant“, so Mettenheim.

In einem Blue-Chip-Portfolio ergibt sich eine Outperformance im Bereich von einstelligen Prozentpunkten. Solche Verbesserungen sind signifikant.

Hans-Jörg von Mettenheim

Auf Basis dieser Ergebnisse befindet sich das Team auch schon in Gesprächen mit Fondsgesellschaften, die Interesse an der Implementierung des Analyse- und Portfolioinstruments haben. Dabei sei man in den Verhandlungen mit zwei US-Geldmanagern auch schon weit vorangeschritten. Die Amerikaner würden sehr viel stärker auf den Renditeaspekt anspringen, während die Europäer mehr auf das B2B-Tool des reinen Frühwarnsystems fokussiert seien.

US-Markt im Auge

Der Live Score könne per API bezogen werden, eine Onboarding Fee stelle dann eine erste Vergütungsebene dar, erklärt Göhler. Ab Installation gibt es eine Abogebühr, die sich nach dem Umfang der Nutzung richtet. AI Data Champions wird bisher von einem Privatinvestor unterstützt und ist ansonsten bislang eigenfinanziert. Das Unternehmen besitzt die „inVest Zertifizierung“, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erteilt wird und die Geldgebern erlaubt, bei einem Investment von bis zu 200.000 Euro einen Betrag von bis zu 50.000 Euro zurückzuerhalten. Um für den US-Markt noch besser gerüstet zu sein, verhandelt das Team zwei Vertriebsvereinbarungen mit Adressen in Boston.

Beim Blick unter die Haube erklärt Mettenheim, dass bei der Weiterentwicklung des Algorithmus Large-Language-Modelle (LLMs) eingesetzt werden. Dies ist die nächste qualitative Stufe des KI-Einsatzes, die dann im Gleichschritt mit dem erfolgt, was OpenAI/ChatGPT mit dialogfähigen Modellen in den Markt bringen. Weitere Datentöpfe wie Preissignale werden bislang nicht angezapft, aber das ließe sich kombinieren mit dem Live Score, den man schon hat, so Mettenheim. Sein Algorithmus wird schon seit Jahren als Werkzeug in Forschung und Lehre eingesetzt – und jetzt geht es in die Kommerzialisierung mit Einsatz in der Finanzindustrie.

Wer noch genauer unter die Haube gucken will: AI Data Champions hat 2.000 Keywords definiert, die den Begriffen E, S, und G sowie alle SDG Goals zugeordnet wurden. Jede News wird analysiert, und es wird erkannt, ob die Nachricht einen positiven oder negativen Ton hat. Nahezu in Echtzeit wird das Ergebnis angezeigt und dann ein kumulierter Score zu jedem Unternehmen erstellt. Das erlaubt auch ein Benchmarking von Unternehmen und Branchen.

IM GESPRÄCH: HANS-JÖRG VON METTENHEIM UND MARCUS GÖHLER

Wenn der KI-Algorithmus Trendsignale zu ESG-Daten liefert

Die Gründer von AI Data Champions können Portfolio-Managern die Chance für ein Renditeplus eröffnen – Outperformance bei einstelligen Prozentpunkten

Von Björn Godenrath, Frankfurt
Von Björn Godenrath, Frankfurt

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