Serie Zuversicht statt German Angst (2)H2Apex-CEO Peter Roessner

„Wir sehen das Thema Wasserstoff als Riesenchance"

Mecklenburg-Vorpommern gilt nicht gerade als industrieller Hotspot. Dabei hat das Bundesland jede Menge für die Energiewende im produzierenden Gewerbe zu bieten, findet Peter Roessner. Aus Sicht des H2Apex-Chefs liegt die Lösung im Wasserstoff-Geschäft.

„Wir sehen das Thema Wasserstoff als Riesenchance"

Serie Zuversicht statt German Angst: Peter Roessner im Gespräch (2)

„Wir sehen das Thema Wasserstoff als Riesenchance"

CEO des Rostocker Elektrolyse-Unternehmens H2Apex will Industrie in den deutschen Nordosten locken

Mecklenburg-Vorpommern gilt nicht gerade als industrieller Hotspot. Dabei hat das Bundesland mit seinen weiten Flächen, günstigen Fachkräften und passenden Wetterbedingungen eigentlich jede Menge für die Energiewende im produzierenden Gewerbe zu bieten, findet Peter Roessner. Aus Sicht des H2Apex-Chefs liegt die Lösung im Geschäft mit grünem Wasserstoff.

Von Karolin Rothbart, Frankfurt

So viel Natur und so wenig Menschen. Wer Erholung sucht, dem kann in Mecklenburg-Vorpommern durchaus geholfen werden. Mit seinen drei Nationalparks, sechs Naturparks und drei Biosphärenreservaten, mit seiner deutschlandweit längsten Küste und tausenden Seen bietet das am dünnsten besiedelte Bundesland für Flora und Fauna noch viel Raum, sich auszubreiten.

Die viel beschworene Schönheit des Landes bestimmt denn auch das bisherige Wirtschaftsgeschehen. „Wir sind vor allem ein Tourismusland, landwirtschaftlich geprägt und haben Werftbau und schöne Strände“, sagt Peter Roessner, Vorstandschef beim Rostocker Wasserstoff-Unternehmen H2Apex. „Für große industrielle Player, die sich hier angesiedelt haben und Wertschöpfung schaffen, sind wir aber nicht gerade bekannt.“

Mittlerweile 150 Beschäftigte

Mit seinem Unternehmen will Roessner daran etwas ändern. H2Apex mit Sitz in Rostock-Laage entwickelt und betreibt Wasserstoff-Elektrolyseanlagen, die etwa in der Stahl-, Chemie- oder in der Zementindustrie zum Einsatz kommen. Der Mittelständler ist Anfang 2023 von der an der Frankfurter Börse notierten luxemburgischen Investmentgruppe Exceet übernommen worden, die sich später ebenfalls in H2Apex umbenannt hat. Die Belegschaft hat sich seit der Transaktion deutlich vergrößert. „Wir beschäftigen mittlerweile 150 Leute und haben uns damit in eineinhalb Jahren verdreifacht“, sagt Roessner. „Um unseren Plan für die Zukunft umzusetzen, müssen wir uns nochmal verdoppeln und zwar bis Ende 2026.“

„Alles auf der Straße gelernt“

Roessner, 1985 in Stralsund geboren („der schönen Hansestadt und UNESCO-Weltkulturerbe!“) hatte seine Karriere nach einem BWL-Studium ursprünglich im Bankwesen gestartet. Da sei es ihm aber irgendwann langweilig geworden, erzählt er. 2017 stieg er dann – mit ein wenig Überzeugungskraft seiner Frau – bei der Apex Group ein, deren Gründer Mathias Hehman er ein paar Jahre zuvor als einen seiner Bankkunden kennengelernt hatte. „Die Apex Group hat als Pionier im Bereich Erneuerbare Energien bereits im Jahr 2000 Photovoltaikanlagen in Deutschland errichtet“, erinnert sich Roessner.

2019 wurde er CFO des Unternehmens, 2022 folgte der Aufstieg zum CEO – zum „Chief Explanation Officer“, wie er sich gern scherzhaft nennt. „Ich erkläre allen immer, was wir machen, obwohl ich gar keinen formellen Ingenieurs-Hintergrund habe. Ich habe stattdessen alles auf der Straße gelernt, bin also quasi autodidaktischer Wasserstoffingenieur.“

Förderung von Bund und Land

Als Erklär-Chef darf Roessner seit einiger Zeit nun auch regelmäßig den wohl wichtigsten Plan für H2Apex erläutern. Das Unternehmen will im kommenden Jahr mit dem Bau einer Elektrolyseanlage zur Produktion von jährlich mehr als 7.500 Tonnen grünem Wasserstoff beginnen. Entstehen soll die Anlage am Hauptstandort in Rostock-Laage, der Bund und das Land Mecklenburg-Vorpommern wollen das Projekt mit 167 Mill. Euro fördern. Die Mittel fließen im Rahmen eines IPCEI-Vorhabens, also eines „wichtigen Projekts von gemeinsamem europäischen Interesse“ („Important Project of Common European Interest“), mit dem die Wasserstoffinfrastruktur in der EU gefördert werden soll. Anfang nächsten Jahres soll die endgültige Investitionsentscheidung getroffen werden und die Anlage ab 2027 „signifikante Mengen“ über Pipelines in „alle Ballungszentren Deutschlands“ liefern.

Jede Menge Erneuerbaren-Strom

Wasserstoff gilt dann als grün, wenn er mit erneuerbaren Energiequellen wie Wind und Sonne produziert wird. Mecklenburg-Vorpommern hat davon eine Menge. Bereits 2017 überstieg die Stromerzeugung aus Erneuerbaren den Strombedarf im Land um rund 70%. Laut dem „Wasserstoff Energiecluster Mecklenburg-Vorpommern“, einem Zusammenschluss verschiedener in dem Land ansässiger Akteure im Bereich der Wasserstoffwirtschaft, in dessen Vorstand auch Roessner sitzt, ist MeckPomm derzeit die wichtigste Erzeugerregion für grünen Strom. 

Roessner will der vielfach im Westen und Südwesten Deutschlands befindlichen Industrie diesen grünen Strom aber nicht nur mithilfe von Wasserstoff und Pipelines aus der Ferne zur Verfügung stellen. Er sieht mit Blick auf die weiteren Standortfaktoren auch generell Möglichkeiten für mehr direkte Industrie-Ansiedlungen in seinem Heimat-Bundesland. „Wir haben günstige Flächen und bezahlbare Fachkräfte“, sagt der 39-Jährige. „Mithilfe von erneuerbaren Energien und Elektrolyse sind wir nun in der Lage, eine komplette Netzinfrastruktur für Strom auf der grünen Wiese aufzubauen, die es der Industrie ermöglicht, langfristig und sicher zu planen.“

Lob aus dem Ausland

Der Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern könnten solche Ansiedlungen womöglich helfen, gegenüber anderen Ländern aufzuholen. Im vergangenen Jahr erzielte das Bundesland wegen des sich von der Corona-Pandemie erholenden Tourismussektors und dank eines neuen Flüssiggas-Terminals in Lubmin zwar ein vergleichsweise hohes BIP-Wachstum von 3,3%. Der Anteil von 1,4% an der gesamtdeutschen Wirtschaftsleistung war dennoch der Zweitniedrigste in der gesamten Bundesrepublik. Beim Median-Bruttojahreseinkommen landete MeckPomm dem jüngsten Gehaltsreport von Stepstone zufolge ebenfalls auf dem vorletzten Platz. Die Arbeitslosenquote war mit 7,7% die dritthöchste in der Bundesrepublik.

„Deutschland wird in dem Bereich gerade als Vorreiter erachtet."

Peter Roessner, H2Apex

Laut Roessner sei man sich des Potenzials einer Wasserstoffwirtschaft in der Bevölkerung auf jeden Fall bewusst. „Das Thema erfährt in Mecklenburg-Vorpommern sehr viel Zustimmung, wir sehen das als Riesenchance“, sagt der Manager, dessen norddeutscher Dialekt trotz seines hohen Sprechtempos immer wieder durchklingt. Auch im Ausland könne man der Herangehensweise der Bundesrepublik an das Thema Wasserstoff einiges abgewinnen: „Deutschland wird in dem Bereich gerade als Vorreiter erachtet. Wir haben viel mit niederländischen und teils auch mit österreichischen Kollegen zu tun, die alle auf Deutschland schauen und sagen, dass wir politisch relativ gut organisiert sind.“

Hierzulande sieht das nicht jeder so. Im Juni warnte der Nationale Wasserstoffrat, dass Deutschland aufgrund des stockenden Hochlaufs des Industriezweigs Gefahr laufe, im internationalen Vergleich den Anschluss zu verlieren. Die Bundesregierung will bis 2030 zehn Gigawatt Elektrolysekapazität aufbauen. Zu Zeitpunkt der Warnung lagen allerdings nur Investitionsentscheidungen für Projekte mit einer Kapazität von insgesamt 0,3 Gigawatt vor.

Branche um Hochlauf besorgt

In einer von Juni bis August durchgeführten Umfrage unter verschiedenen Akteuren der Wasserstoffwirtschaft wurde der hiesige Markthochlauf zudem „eher negativ“ bewertet. Als Gründe wurden unter anderem eine „übermäßige Regulierung“ genannt, die zu „erheblicher Planungsunsicherheit“ führe. Die Umfrage wurde im Auftrag des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches, dem Verband der Chemischen Industrie, dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau und der Wirtschaftsvereinigung Stahl durchgeführt.

Roessner gibt sich mit Blick auf die Diskussionen zuversichtlich. „Es geht alles gefühlt relativ langsam voran. Wir hatten wegen des großen Hypes um das Thema Wasserstoff vor drei, vier Jahren aber auch eine ziemliche Fallhöhe und utopische Bewertungen an den Börsen gesehen.“ Diese Hoffnungen hätten sich so bislang zwar nicht materialisiert, sagt er. „Ich glaube aber, dass der Hochlauf in den nächsten zwei Jahren seinen kritischen Moment erreichen wird, dass wir also dann merken werden, dass wir das in der erhofften Geschwindigkeit schaffen.“ Lediglich bei supranationalen Zielen wie dem European Green Deal, der 40 Gigawatt Elektrolyseleistung in der gesamten EU bis 2030 vorsieht, hat Roessner seine Zweifel. „Hier müssen wir uns vielleicht nochmal realistischere Ziele setzen“, sagt er.

Firmensprache Englisch

Bei H2Apex hat man sich zum Ziel gesetzt, den Umsatz in diesem Jahr gegenüber 2023 mehr als zu verdoppeln. Die Prognosespanne liegt derzeit bei 35 Mill. bis 40 Mill. Euro, das allerdings in der unteren Hälfte, wie die Firma Ende August mitteilte. Das Geld fließt derzeit hauptsächlich im bereits profitablen Projektgeschäft, in dem H2Apex Wasserstoffanlagen für Industrie- und Energieunternehmen wie den Stahlkonzern ArcelorMittal umsetzt. Der größte Teil der Erlöse soll aber künftig aus der eigenen Wasserstoffproduktion kommen. Auch das Geschäft mit Speicherlösungen soll demnächst erste Umsätze einbringen. Konzernweit peilt man bei H2Apex bereits im kommenden Jahr einen positiven operativen Cashflow an. 2026 soll dann auch das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) ein positives Vorzeichen haben.

Um auf die bis dahin benötigte Mitarbeiterzahl zu kommen, stellt H2Apex die Unternehmenssprache derzeit sukzessive auf Englisch um, wie Roessner erzählt. „So können wir auch mit Kollegen zusammenarbeiten, die ihr Studium nicht in Deutschland absolviert haben.“ Für jene, die darunter künftig am Hauptstandort in Rostock-Laage tätig sein werden, dürfte rein örtlich für Erholung gesorgt sein. Der Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft – der größte Nationalpark an der deutschen Ostsee und drittgrößte in ganz Deutschland – ist nur eine Autostunde entfernt.

Bisher erschienen: „Unsere Branche braucht Migration“ (24.9.)


Hier finden Sie alle Beiträge der Serie Zuversicht statt German Angst.

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