Diversität ist Pflicht und Kür zugleich
Von Franz Công Bùi, Frankfurt
Das Thema Diversität gewinnt an Bedeutung für Unternehmen. So wird etwa die Deutsche Bank vor dem Hintergrund der Debatte um Rassismus in den Vereinigten Staaten den Anteil von Minderheiten bei ihrer US-Tochter anheben, wie Amerika-Chefin Christiana Riley jüngst im Interview der Börsen-Zeitung (vgl. BZ vom 15. Dezember) erklärt hat: „Wir streben an, die Zahl von Afroamerikanern auf den beiden höchsten Karrierestufen der Bank in den USA innerhalb der kommenden drei Jahre um 50% zu steigern.“
Nicht zuletzt auch wegen der anhaltenden Konflikte um Rassendiskriminierung in den USA hat die Diskussion um Vielfalt in Unternehmen an Fahrt aufgenommen. Zahlreiche Firmen hatten sich öffentlich gegen Rassismus positioniert. Beim Thema Diversität geht es aber nicht nur um ethnische und kulturelle Vielfalt, sondern auch um Themen wie Gleichstellung der Geschlechter.
Diversität gilt nicht mehr bloß als „nice to have“, mangelnde Vielfalt wird immer mehr auch als geschäftliches Risiko wahrgenommen. Gerade jüngere Generationen nehmen Rückständigkeit nicht mehr länger hin, weder als Kunden noch als potenzielle Mitarbeiter, hatte Riley, die derzeit einzige Frau im zehnköpfigen Vorstand der Deutschen Bank, in dem Interview betont.
Studien zeigen, dass Firmen, die das Thema Diversität gut managen, wirtschaftlich erfolgreicher sind. Einer McKinsey-Erhebung zufolge haben Unternehmen mit hoher Gender-Diversität eine um 25% größere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein. Beim Faktor Internationalität des Vorstands liegt der Wert sogar bei 36%.
Vielfalt als Erfolgselement
Bereits im Dezember 2014 wurde die Umsetzung der CSR-Richtlinie (Corporate Social Responsibility) der EU mit Regelungen zur nichtfinanziellen Berichterstattung erlassen. Darunter fallen auch Angaben zum Diversitätskonzept. In Deutschland erfolgte die Umsetzung der Richtlinie im April 2017. Betroffen sind kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personengesellschaften sowie große Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern. Im Rahmen der Corporate Governance ist das Thema somit Teil des Pflichtreportings.
Doch auch bei Firmen, die nicht dazu verpflichtet sind, steht Diversity Management auf der Agenda. Laut einer Deloitte-Umfrage zu Diversität und Inklusion stufen 69% der befragten CEOs das Thema als oberste Geschäftspriorität ein.
Doch Diversität ist schwer zu quantifizieren jenseits bloßer Statistiken über Geschlecht, Nationalität, Religion oder ethnischen Hintergrund. Hierbei können technologische Ansätze Unternehmen helfen, herauszufinden, wo sie beim Thema Diversität stehen – auch im Vergleich zu Wettbewerb oder Branche.
Sogenannte Human-Capital-Management-Technologien (HCM) liefern eine Datenbasis, um Einsichten über den Stand der Diversität in der Belegschaft zu gewinnen und zu eruieren, wo Handlungsbedarf besteht. Dabei kann eine HCM-Software Daten liefern, die über Standard-Statistiken wie etwa den reinen Frauen- oder Minderheitenanteil hinausgehen. So können etwa Erkenntnisse über Muster bei Arbeitskräfteabgängen oder über angemessene Berücksichtigung von Frauen und unterrepräsentierten Gruppen bei Beförderungen gewonnen werden.
Das US-Unternehmen Workday zum Beispiel, ein Anbieter Cloud-basierter Computersoftware für Rechnungswesen, Personalverwaltung und Unternehmensplanung, hat den sogenannten VIBE-Ansatz (Value Inclusion, Belonging und Equity – Werte, Inklusion, Zugehörigkeit und Gerechtigkeit) entwickelt. Ziel ist unter anderem die Einstellung und Förderung vielfältiger Talente oder die Entwicklung integrativer Produkte und Technologien.
Um den Grad der Diversität und den Anteil verschiedener Gruppen innerhalb der Belegschaft zu erkennen, führt die Software alle Daten an einem zentralen Ort des HCM-Systems zusammen und könnte so beispielsweise automatisch ermitteln, dass 10% der Frauen in den vergangenen drei Jahren im Unternehmen befördert wurden, der Wert bei Vergleichsunternehmen derselben Branche aber bei 20% lag.
Diese Information könnte dann wiederum in die Bereiche Talentmanagement, Talentförderung und Mitarbeitererfahrung einfließen, unter Berücksichtigung von Angaben zu Neueinstellung, Beförderungen und Fluktuation. Hierzu wurde unter Einsatz von künstlicher Intelligenz der VIBE-Index entwickelt, der Echtzeitanalysen liefert und dabei auch externe Datensätze wie beispielsweise Daten aus Umfragen zur Mitarbeiterstimmung integrieren kann. Mithilfe solcher und anderer Systeme könnten Unternehmen den steigenden Anforderungen an Diversitätsvorgaben begegnen.