Maria Pennanen,

Gründerinnen nehmen sich Männerbastion Fintech vor

Der Accelerator Frankfurt, ein Brutkasten für Start-ups, hat Anfang Mai – zum zweiten Mal – ein dreimonatiges Gründerinnenprogramm gestartet. Maria Pennanen, die den Accelerator 2016 mit Ram Shoham ins Leben rief, erläutert im Interview, vor welchen Herausforderungen Gründerinnen insbesondere in der Finanzbranche stehen.

Gründerinnen nehmen sich Männerbastion Fintech vor

Franz Công Bùi.

Frau Pennanen, Sie sind Mitgründerin des Accelerator Frankfurt und haben gerade ein Programm für „Female Founders“ gestartet. Wie unterscheidet sich das von anderen Start-up-Programmen?

Es kann einsam sein, Gründer zu sein, geschweige denn ein weiblicher. Deshalb wollten wir Gründerinnen an einem Ort zusammenbringen, wo sie sich in einem intimen Rahmen mit Hilfe unserer Mentoren austauschen und voneinander lernen können. Das Female-Founders-Programm ist ein Online-Programm, bei dem wir uns einmal pro Woche treffen, um verschiedene Bereiche der Gründung und des Wachstums eines Unternehmens zu behandeln.

Wie gehen Sie da vor?

Die Idee ist, dass die Gründerinnen es schaffen können, auch wenn sie Hausfrauen sind oder einen Vollzeitjob haben, ihre Idee auf die nächste Stufe zu heben und Unternehmerin zu werden. Wir wollen sicherstellen, dass wir genug Vielfalt und potenzielle Synergien zwischen den einzelnen Gründerinnen mitbringen. Das ist unsere geheime Zutat für den Erfolg über die Jahre gewesen, und unsere Alumni-Start-ups sind zu einem Teil unserer erweiterten Familie geworden. Es handelt sich nicht nur um ein Programm, sondern um eine Lebenseinstellung. Unsere Mentoren, Leute, die der Gründer des Accelerator Frankfurt, Ram Shoham, und ich seit Jahren kennen, sind fester Bestandteil dessen und gehören ebenfalls zur Großfamilie.

Gibt es Einschränkungen, zum Beispiel geografisch oder in Bezug auf das Geschäftsfeld?

Es gibt keine Einschränkungen in Bezug auf den Branchenschwerpunkt oder den Standort. Das Programm wird online durchgeführt, und jeder kann von jedem Ort aus teilnehmen. Wir hatten schon Bewerber aus Asien und Lateinamerika. Die einzige Voraussetzung ist, dass sich die Bewerberin in der frühen Phase ihrer Idee oder ihres Start-ups befindet, also „Seed Stage“.

Accelerator Frankfurt hat über 45 Start-ups geholfen, die nächste Entwicklungsstufe zu erreichen. Was gab den Anstoß, Gründerinnen in den Fokus zu nehmen?

Bevor wir das Female-Founders-Programm ins Leben gerufen haben, hatten wir ein Portfolio von rund 40 Start-ups, und darunter war nur eine einzige Gründerin. Und auch das Timing spielte eine Rolle: Als Corona startete, überlegten Ram und ich, was wir mit dem normalen „On-Premise“-Programm machen sollten, das wir seit fünf Jahren betrieben hatten. Aufgrund der Pandemie war es nicht möglich, sich persönlich zu treffen, also brauchten wir einen Remote-Ansatz. Unser erstes Online-Programm haben wir im Frühjahr 2020 durchgeführt mit einem Blockchain-Fokus. Und das machte mich auch darauf aufmerksam, dass wir nur sehr wenige Bewerbungen von Frauen bekamen. Ich war es leid, dass die Leute nach Gründen suchen, warum es so wenige weibliche Gründer gibt, ohne dass etwas passiert. Das erste Gründerinnenprogramm startete dann im Oktober 2020. Wir bieten das Programm den Gründerinnen kostenlos an und hatten das Glück, einige innovative, fortschrittliche Unternehmen wie Taylor Wessing, Metzler Bank, Silicon Valley Bank und Cavalry Ventures als Sponsoren zu gewinnen.

Laut Female Founders Monitor 2020 des Bundesverbands Deutsche Start-ups sind weniger als 16% aller Gründer in Deutschland weiblich. Warum ist das so?

Wahrscheinlich aus den gleichen Gründen, warum es so wenige Frauen, die MINT-Fächer studieren, gibt: fehlende Vorbilder, kulturelle Stereotypen, die Familiengeschichte und die – natürliche oder anerzogene – Neigung, nicht auffallen zu wollen. Wenn keiner ihrer Freunde Ingenieur ist, ist es eher unwahrscheinlich, dass sie sich als Einzige an einer technischen Universität bewerben oder ein Start-up gründen.

Wie war das bei Ihnen?

Als ich an einer technischen Universität in Finnland studiert habe, hat keiner meiner Freunde Naturwissenschaften studiert, aber ich habe in der Schule viele Frauen wie mich getroffen. Meine Freunde mit mathematischen, physikalischen oder chemischen Kenntnissen wollten Ärzte und Architekten werden. Ein Start-up zu gründen ist noch anspruchsvoller, da man normalerweise einen technischen Hintergrund oder jemanden im Team braucht, der technisch versiert ist. Wenn man diese Leute nicht in seinem Netzwerk hat, ist man in einer schwächeren Position im Vergleich zu männlichen Gründern, die ein größeres Netzwerk von Leuten mit diesen Fähigkeiten haben.

Spielen bei der Finanzierung von Start-ups geschlechterspezifische Probleme eine Rolle?

Nach allem, was ich gelesen und gehört habe, ist das leider so. Manchmal ist das Problem das mangelnde Selbstvertrauen der Frauen, ihren Wert zu erfragen und zu unterstreichen. Das Tolle aber ist, dass man das lernen kann. Die meisten Männer übertreiben die Darstellung ihrer Fähigkeiten oder ihrer Erfolge, während Frauen sehr ehrlich sind – zu ehrlich, offen gesagt.

Und wie wirkt sich das beim Funding aus?

Es heißt oft, dass Männer gebeten werden, ein Bild davon zu zeichnen, wie ihr Erfolg in der Zukunft aussehen wird, während Frauen gefragt werden, wann sie die Gewinnschwelle erreichen, und was die möglichen Hindernisse sind, die den Erfolg behindern können. Ich nehme jedoch allmählich eine Veränderung wahr, da es Investoren gibt, die speziell nach Frauen suchen, um in sie zu investieren. Als ich mein Unternehmen Mindclip Behaviour im letzten Frühjahr gegründet habe, war ich positiv überrascht vom Feedback der Business Angels, obwohl wir uns gegen eine Pre-Seed-Runde entschieden haben, sondern bis jetzt bootstrappen. Jetzt, da unsere App fertig ist und wir die ersten Kunden haben, werden wir eine Seed-Runde starten. Nach diesem Sommer könnte ich Ihnen mehr über meine persönlichen Erfahrungen bei der Kapitalbeschaffung als Gründerin erzählen.

Würden Sie sagen, das Feld, auf das Sie sich konzentrieren – Fintech, Cybersecurity und Blockchain – ist männlich dominiert?

Ja, Fintech und Cybersecurity sind sehr männerdominiert, was auf das Problem mit den Fächern zurückzuführen ist, die Mädchen in den Schulen wählen. Wenn wir mehr Mädchen haben, die MINT und später wirtschafts- und technologiebezogene Fächer studieren, werden wir mehr Frauen in diesen Bereichen haben. Als der Accelerator Frankfurt Blockchain in den Mix aufgenommen hat, haben wir gehofft, dass es mehr weibliche Gründer geben würde, da diese junge Technologie große Chancen für den frühen Einstieg von Frauen bietet. Ich bin aktiv in der ‚Meta Gamma Delta DAO‘, einer Gruppe von Frauen, die Zuschüsse für von Frauen geführte Blockchain-Projekte bereitstellt. Letztes Jahr hatten wir unsere erste Förderrunde, und ich war positiv überrascht von einigen vielversprechenden Gründerinnen, die die ersten Zuschüsse erhielten.

Sind die Hürden in der Fintech-Branche für Frauen höher?

Die Fintech-Branche ist sehr traditionell und risikoscheu. Wir Menschen neigen dazu, das Risiko zu minimieren, indem wir uns an das halten, was wir kennen. Und das führt oft sogar ungewollt zu voreingenommenen Entscheidungen, besonders wenn es darum geht, wo wir als Investoren unser Geld anlegen sollen. In der Finanzbranche insgesamt gibt es weniger Frauen, und in der Start-up-Welt noch weniger. Es gibt jedoch auch einige erfolgreiche Gründerinnen in der deutschen Fintech-Szene wie Jessica Holzback von Penta, Miriam Wohlfarth von Banxware (Ratepay) und Sofie Quidenus-Wahlforss von Omnius.

Sehen Sie Unterschiede in der Herangehensweise von Gründerinnen an Themen wie etwa Risikobewertung oder Networking?

Die Unterschiede in der Risikobewertung sind vielleicht eher individuell als geschlechtsspezifisch, aber der Mangel an Vorbildern macht es für Frauen vielleicht unwahrscheinlicher, ein Risiko einzugehen. Meiner Erfahrung nach profitieren Männer mehr vom Networking, da sie sich nicht scheuen, um Hilfe zu bitten.

Wie zeigt sich das?

Manchmal warten Frauen, bis ihnen jemand Hilfe anbietet, anstatt einfach danach zu fragen. Es hilft, einen systematischen Ansatz für das Networking zu haben und sich mit der Art von Menschen zu umgeben, die man werden möchte. Das ist ein weiterer Grund, warum der Accelerator Frankfurt das Gründerinnenprogramm ins Leben gerufen hat: um Gründerinnen zu helfen, eine Peergroup zu gewinnen und eine sichere Umgebung zu ermöglichen, um Feedback zu geben und zu erhalten. Ganz zu schweigen von der normalen Hilfe, die der Accelerator bietet, wie etwa Geschäftsmodelle, Preisgestaltung, wie man pitcht, wie man mit Investoren spricht, um eine Finanzierung zu sichern, und so weiter.

Welchen Rat geben Sie den Gründerinnen bei all dem mit?

Eine Gründerin zu sein, erfordert viel Durchhaltevermögen, und die Chancen stehen gut, dass man scheitert. Andererseits tut man das, was einem einen Sinn gibt, und je mehr man arbeitet und aus Hindernissen auf dem Weg lernt, desto wahrscheinlicher ist es, dass man Erfolg haben wird. Ich würde für nichts in der Welt tauschen. Ich liebe, was ich tue.

Das Interview führte