Mitarbeiteranteile sind wichtiges Anreizinstrument
Im Vergleich zu den USA und unseren europäischen Nachbarn stehen deutsche Start-ups in Sachen Mitarbeiterbeteiligung vergleichsweise schlecht da. Besonders schwer wiegt das Problem, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Unternehmensanteile sofort versteuern müssen, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch keine Gewinne entstanden sind. Experten sprechen hier vom sogenannten “Dry Income”. Hinzu kommt, dass Anteile als Einkommen und nicht als Kapitalerträge versteuert werden. Das macht die Mitarbeiterbeteiligung bei Start-ups gleich doppelt unattraktiv.
Das ist ein Problem, und zwar nicht nur für die Beschäftigten. Denn das Start-up-Ökosystem lebt davon, dass Menschen in neue Ideen investieren. Wer bei einem Start-up arbeitet, sollte auch an dessen Erfolg unmittelbar teilhaben. Im besten Fall werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei einem Börsengang oder Verkauf des Unternehmens zu Millionären und nutzen die Gewinne, um selbst zu gründen oder zu investieren.
Daher ist mit Sorge zu beobachten, dass uns andere Länder, allen voran die USA, hier um viele Jahre voraus sind. Das liegt zum einen an der Mentalität. Unternehmertum, Risiken eingehen, große Visionen verfolgen, Scheitern – all das gehört in Deutschland nicht zum positiven Selbstverständnis. Zum anderen liegt es an den schwierigen Rahmenbedingungen hierzulande. Es ist an der Zeit, dass die Beschäftigten im Vergleich zu den Investoren und Gründern nicht schlechter gestellt werden.
Inzwischen hat die Bundesregierung gehandelt. Das entsprechende Gesetz wurde Mitte April im Parlament beraten; am 1. Juli 2021 sollen die steuerpolitischen Erleichterungen voraussichtlich in Kraft treten. Das ist ein gutes und wichtiges Signal. Die vorgeschlagenen Reformen des Fondstandortgesetzes verfehlen jedoch ihr Ziel. So sieht der Entwurf vor, den steuerfreien Höchstbetrag lediglich von 360 Euro auf 720 Euro pro Jahr anzuheben. Zum Vergleich: In Österreich gibt es eine Förderung von bis zu 4500 Euro pro Jahr, in Großbritannien von über 14000 Euro.
Problematischer bleiben die geplante Höhe und der geplante Zeitpunkt der Besteuerung. Damit Start-ups in Deutschland im internationalen Vergleich wettbewerbsfähiger werden, sollten Gewinne aus Mitarbeiterbeteiligungen als Kapitalerträge versteuert werden. Dies ist im aktuellen Entwurf nicht vorgesehen.
Was den Zeitpunkt angeht, so soll die Einkommensteuer zwar zunächst gestundet werden, doch muss die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter spätestens nach zehn Jahren oder bei einem Arbeitgeberwechsel die Anteile versteuern. Das ist gut gemeint und schlecht gemacht. Denn damit fällt die Steuerzahlung nach wie vor nicht auf den Zeitpunkt, an dem eine finanzielle Rendite entsteht. Unternehmensanteile von Start-ups werden nicht gehandelt; sie zu veräußern ist außerhalb eines Exit-Ereignisses quasi nicht möglich. Im schlimmsten Fall könnte das Begünstigte in einer Privatinsolvenz treiben. Der Gesetzesentwurf geht schlicht an der Realität von Start-ups vorbei.
Das zeigt sich auch in den bürokratischen Hürden. Wer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter echte Unternehmensanteile geben will, muss dies notariell beglaubigen lassen und jedes Mal die Gesellschafterstruktur ändern lassen. Kein Start-up kann das leisten. Die Folge ist, dass fast alle Start-ups hierzulande auf virtuelle Anteile ausweichen oder nur wenige ausgewählte Führungskräfte zu Miteigentümern machen.
Deutschland im Hintertreffen
Genau das ist einer der wichtigsten Unterschiede zwischen Unternehmen des Silicon Valley und Start-ups in Deutschland. US-Tech-Firmen beteiligen fast durchgängig die gesamte Belegschaft demokratisch und gleichberechtigt, unabhängig von ihrer Funktion. In Deutschland liegt der Anteil laut Aussage des Digitalverbands Bitkom bei gerade einmal 8%.
Deutschland braucht mutige und visionäre Unternehmerinnen und Unternehmer, die etwas Großes aufbauen wollen. Amazon, Google, Facebook und zuletzt Airbnb, Doordash und Coinbase haben es vorgemacht – sie alle schrieben rote Zahlen und sind heute Milliarden wert. Um globale Marktführer aufzubauen, brauchen Gründerinnen und Gründer Mitstreiterinnen und Mitstreiter – allein geht es nicht.
Entrepreneurship fördern
Bei der Mitarbeiterbeteiligung geht es daher um viel mehr als um ein Anreizinstrument für talentierte Köpfe: Wer bei einem Start-up arbeitet, geht auch ein gewisses unternehmerisches Risiko ein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich bewusst für ein Start-up entschieden, um etwas zu bewegen und die Welt ein wenig zu verändern. Unternehmerisch zu denken und zu handeln gehört zur Kultur von Start-ups dazu. Es geht darum, Entrepreneurship zu fördern und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an dem zu beteiligen, was wir jeden Tag gemeinsam als Team erreichen. Und es geht darum, sich damit auch für die ökonomische Zukunft unseres Landes einzusetzen.