EZB ringt um Forward Guidance
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Donnerstag, 22.7.:
Eigentlich war lange Zeit erwartet worden, dass die Sitzung des EZB-Rats am kommenden Donnerstag relativ ereignislos sein würde – kaum mehr als eine Durchgangsstation auf dem Weg zur September-Sitzung, wenn eine intensive Debatte über die Zukunft des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP anstehen dürfte. Aber seit einigen Tagen ist alles anders – und die Spannung groß.
Der Grund dafür: In der vergangenen Woche hat sich die EZB zum ersten Mal seit 18 Jahren eine neue geldpolitische Strategie verordnet, in deren Zuge sie auch ihr Inflationsziel geändert hat – und in dieser Woche nun überraschte EZB-Präsidentin Christine Lagarde mit der Aussage, dass die Forward Guidance des EZB-Rats, also der Ausblick für die Leitzinsen und die Anleihekäufe, schon bei der Juli-Sitzung im Lichte der neuen Strategie überprüft und wohl angepasst werde. Die Sitzung werde ein „wichtiges Treffen“, sagte sie.
Seitdem spekulieren Marktakteure und Volkswirte, wie die Neufassung der Forward Guidance ausfallen könnte. Laut der neue Strategie strebt die EZB künftig ein mittelfristiges Inflationsziel von glatt 2% (statt „unter, aber nahe 2%“) an, das zudem explizit symmetrisch angelegt ist – das heißt, dass zu niedrige Inflationsraten grundsätzlich als ebenso unerwünscht gelten wie zu hohe. Zugleich will sie bei Bedarf explizit höhere Inflationsraten tolerieren. Und sie verpflichtet sich ausdrücklich zu „kraftvollen und lang anhaltenden“ geldpolitischen Maßnahmen, wenn sonst ein langes Unterschreiten des 2-Prozent-Ziels droht.
Lagarde machte nun diese Woche klar, dass es ihrer Meinung nach in der aktuellen Lage vor allem auf das „lang anhaltend“ ankomme – auch als Signal, dass es keine voreilige Straffung gibt, selbst wenn die Inflation unerwartet stark ansteigt. Portugals Notenbankchef Mario Centeno pflichtete ihr bei und sagte, die EZB müsse „geduldig und tolerant sein bei Abweichungen, die wir vormals nicht toleriert hätten“. Zumindest einige Hardliner im EZB-Rat dürften jedoch zu weitgehende Neuformulierungen ablehnen, die etwa die niedrigen Zinsen noch viel länger zementieren würden. Ähnliches dürfte für den Ausblick zu den billionenschweren Kaufprogrammen gelten.