Fed wird die Zügel deutlich straffen
Von Peter De Thier, Washington
Obwohl sich die meisten Ökonomen darüber einig sind, dass die Inflation in den USA ihren Höhepunkt überschritten haben dürfte und der Preisauftrieb während der kommenden Monate nachlassen wird, ist Notenbankchef Jerome Powell gerade angesichts der jüngsten Entwicklung der Verbraucherpreise fest entschlossen, an dem verschärften geldpolitischen Kurs der Fed festzuhalten. Demnach ist bei der FOMC-Sitzung in der kommenden Woche eine Anhebung der Zielzone für den Leitzins um mindestens 75 Basispunkte eine ausgemachte Sache. Das Fed Watch Tool der CME Group sieht sogar die Möglichkeit, auch wenn diese relativ gering ist, dass der Offenmarktausschuss den Tagesgeldsatz noch weiter hochschrauben wird.
Auch ohne den kräftigen Anstieg der Verbraucherpreise, deren Jahresrate im August zwar nachgab, aber immerhin bei 8,3 % lag und somit die Markterwartungen übertraf, galt ein weiterer, aggressiver Zinsschritt als sicher. Schließlich hatte Powell vergangene Woche bei einem Auftritt vor dem Thinktank Cato Institute jene Warnung wiederholt, mit der er bereits Ende August bei dem Wirtschaftssymposium in Jackson Hole, Wyoming, für Schlagzeilen gesorgt hatte: dass jetzt nicht der Zeitpunkt sei, um bei den Zinserhöhungen eine Pause einzulegen. Schließlich habe die Fed aus vergangenen Erfahrungen gelernt, dass eine vorzeitige Lockerung erhebliche Gefahren birgt.
Mindestens 75 Basispunkte
Eine Zinserhöhung um 0,75 Prozentpunkte – die derzeit wahrscheinlichste Variante – würde die Federal Funds Rate mit einer Zielzone von 3,0 bis 3,25 % im September fast schon auf jenen Stand (3,4%) bringen, den die Währungshüter vor drei Monaten erst zum Jahresende vorausgesagt hatten. Da aber ohne einen dramatischen Rückgang der Teuerungsrate bei den FOMC-Sitzungen im November und Dezember weitere Anhebungen des Leitzinses anstehen dürften, wird die Dot-Plot-Grafik der Notenbanker, die das erwartete Zinsniveau widerspiegelt, kommenden Mittwoch ebenfalls einer substanziellen Revision unterliegen. Denkbar ist auch, dass die Bilanzreduktion, die ab September von 47,5 auf 95 Mrd. Dollar pro Monat verdoppelt werden sollte, beschleunigt wird.
Unterdessen warten Experten gespannt darauf, inwieweit der Offenmarktausschuss seine Konjunkturprognosen revidiert. Wie akut die Sorgen um eine mögliche Rezession sind, wird von der Tatsache unterstrichen, dass die Fed im Juni ihre Voraussage für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr um 1,1 Prozentpunkte nach unten schraubte. Zu erwarten ist, dass die Zahl ein weiteres Mal heruntergesetzt wird. Schließlich hat Powell eingeräumt, dass die deutlich gestraffte Geldpolitik vielen US-Haushalten „Schmerzen“ bereiten würde. Damit hat er wiederum unterstrichen, dass die Notenbank prinzipiell bereit ist, den hohen Preis eines Konjunktureinbruchs in Kauf zu nehmen, um die hohen Preise in den Griff zu bekommen. Umso mehr, da die Fed ihre Prognose für ihr bevorzugtes Inflationsmaß, den PCE-Preisindex, um fast einen Prozentpunkt nach oben schraubte und diese nächste Woche erneut anheben könnte.