Sorgen überschatten Bilanzvorlage
Von Carsten Steevens, Hamburg
Als Herbert Diess am 16. Februar in einer digitalen Betriebsversammlung zur kritischen Situation des nicht ausgelasteten Stammwerks von Volkswagen in Wolfsburg Stellung nahm, nutzte der Vorstandschef des Mehrmarkenkonzerns die Gelegenheit, der verunsicherten Belegschaft Mut zu machen. Die Volkswagen-Gruppe sei in Topform. Die E-Mobilitätsstrategie trage Früchte, wie etwa die Verdopplung der Auslieferung vollelektrischer Fahrzeuge im vergangenen Jahr zeige. Nach dem Rückgang der gesamten konzernweiten Auslieferungen um 4,5% auf 8,82 Millionen Fahrzeuge infolge der weltweiten Halbleiterknappheit werde die Versorgungssituation besser – auch wenn man 2022 erneut nicht alle Autos werde bauen können, die man verkaufen könnte.
Diess verwies neben dem US-Markt, wo man nach mehr als zehn Jahren wieder profitabel sei, dem Turnaround in Südamerika und Plänen für Batteriefabriken auf Weichenstellungen, damit Wolfsburg wieder zum „Kraftzentrum des Konzerns“ werde. Inzwischen steht fest, dass nahe dem Stammwerk 2 Mrd. Euro in den Bau einer Fabrik für das Elektroautoprojekt Trinity investiert werden sollen, mit dem VW autonomes Fahren auf Level-4-Ebene massentauglich machen will. Mit Trinity will sich der Konzern vom US-Elektroautopionier Tesla, der künftig im brandenburgischen Grünheide auch in Europa Fahrzeuge vom Band rollen lässt, nicht mehr abhängen lassen: Das künftige Werk soll nicht zuletzt bei der Produktivität Maßstäbe setzen und als Blaupause für weitere Standorte dienen.
Kaum eine Woche nach der Betriebsversammlung enthüllte Volkswagen Pläne für die Prüfung eines Teilbörsengangs der Ertragsperle Porsche, über die schön längere Zeit spekuliert worden war. Die Erlöse würden dem Konzern, wie Diess anmerkte, zusätzliche Flexibilität verschaffen, um die Transformation in Richtung E-Mobilität und Digitalisierung weiter zu beschleunigen. Das IPO der Sportwagentochter aus Stuttgart möglicherweise schon im vierten Quartal könnte eines der bislang größten werden und den Wolfsburgern Milliarden in die Kasse spülen. Erst im Dezember hatte die jüngste Planungsrunde ergeben, dass in den kommenden fünf Jahren 89 Mrd. Euro und damit erstmals mehr als die Hälfte der Gesamtinvestitionen im Konzern für Zukunftstechnologien budgetiert werden.
Pläne wie für das Trinity-Werk oder einen Porsche-Börsengang werden seit dem 24. Februar jedoch von der Invasion Russlands in die Ukraine, von Sanktionen gegenüber Russland und von damit einhergehenden Unsicherheiten überschattet. Volkswagen hat die Fahrzeugproduktion in den russischen Werken ebenso eingestellt wie Fahrzeugexporte nach Russland. Der Markt stand 2021 für 2,4% der konzernweiten Auslieferungen. Die unübersichtliche Lage bereitet vor allem mit Blick auf wirtschaftspolitische und volkswirtschaftliche Folgen Sorgen. Vor diesem Hintergrund hat der VW-Konzern, der für 2021 einen deutlichen Umsatzanstieg verglichen mit dem ersten Coronakrisenjahr 2020 sowie eine operative Rendite zwischen 6 und 7,5% in Aussicht gestellt hat, nicht wie in der Vergangenheit zwei Wochen vor der Bilanzvorlage vorläufige Zahlen, Dividendenvorschlag und Ausblick veröffentlicht. Bei der Bilanzpresse- und Analystenkonferenz am Dienstag stehen Erläuterungen an.