IM INTERVIEW: CHRISTOPH BRUNS, LOYS

"Aktien sind grundsätzlich günstig"

Vorstand der Fondsboutique hält sich derzeit vom US-Markt fern, auch weil Trump seiner Meinung nach mit Steuersenkungen für Firmen ein Strohfeuer abbrennt

"Aktien sind grundsätzlich günstig"

Die Aktienmärkte sind nach Einschätzung von Christoph Bruns nicht überbewertet. Im Gegenteil, es komme aber auf die Auswahl der richtigen Werte an, sagt der Chef der Fondsboutique Loys. Im Interview der Börsen-Zeitung erläutert er, warum er sich derzeit bei US-Aktien zurückhält, in Öl- und Öldienstleister investiert und kürzlich eine Position in Deutsche Bank eingegangen ist.- Herr Bruns, die US-Aktienmärkte haben jüngst Rekordstände markiert. Sind Aktien teuer geworden?Grundsätzlich gilt seit dem Strukturbruch vor rund zehn Jahren, dass Aktien wesentlich höhere Bewertungen verdient haben, weil bei ihrem Hauptwettbewerber Anleihen nichts mehr zu holen ist. Es gibt bei Anleihen keine auskömmlichen Renditen mehr. Nun ist es aber so, dass die Unternehmen mehrfach vom Zins tangiert sind: Selbst wenn sie nominal nicht mehr verdienen, so werden die erwarteten zukünftigen Gewinne abgezinst. Das bedeutet: Künftige Gewinne sind wegen des niedrigen Zinses mehr wert geworden. Außerdem sind die Unternehmen in der überwiegenden Zahl verschuldet. Sie profitieren davon, dass sie weniger Zinsen auf ihre Schulden zahlen. Die Unternehmen werden auch deshalb wertvoller. Nimmt man das zusammen, so sind Aktien in den vergangenen zehn Jahren in ihrer Opportunität dramatisch nach oben gekommen. Jetzt kommt aber noch dazu, dass sich die Unternehmen sehr gut entwickelt haben. Das sieht man an den operativen Margen, die sich klasse entwickelt haben, und an den Gewinnen je Aktie. Hier kommt noch ein Sonderfaktor hinzu: Die Aktienmärkte schrumpfen, sehr viele Aktien verschwinden durch Rückkäufe und Übernahmen. Wir haben also einen schrumpfenden Aktienmarkt, dem eine riesige Menge an Liquidität gegenübersteht. Und der Wettbewerber Zins hängt in den Seilen, und das noch auf absehbare Zeit. Mehr Geld jagt weniger Aktien.- Welche Rollen spielen die Steuersenkungen insbesondere für Unternehmen in den USA?Der Trend wird noch befeuert durch die Unternehmenssteuerreform von Präsident Donald Trump. Deshalb sind die Gewinne insbesondere von auf dem Binnenmarkt tätigen US-Unternehmen im Schnitt um 20 bis 25 % gestiegen. Das ist sensationell. Uns gelingen in Deutschland ja keine Steuerreformen, die letzte gab es unter Bundeskanzler Gerhard Schröder. Wir haben eine hohe Abgabenlast für Unternehmen.- Ist die Bewertung von Aktien also auf einem gerechtfertigten Niveau?Die Bewertungen sind überhaupt nicht zu hoch. Ich glaube eher: Aktien sind grundsätzlich günstig. Wobei man immer hinzufügen muss: Welche Aktien und wo? Zwei Drittel der Aufwärtsentwicklung des Aktienmarktes sind wenigen Aktien wie Microsoft, Apple und Amazon geschuldet. Hier haben wir ein klares Momentum, aber vom Geschäft her ist das durchaus gefährlich, es sind in aller Regel Ein-Produkt-Unternehmen. Hoffentlich werden die nicht disruptiert, das ist ja alles schon vorgekommen. Diese Aktien wirken teuer und sind strapaziert bewertet. Sie haben ihren Zenit, auch unternehmerisch, bereits überschritten. Wenn man an Online-Handel glaubt, kann man auch UPS oder Deutsche Post statt Amazon kaufen.- Sie haben keine US-Aktien unter den Top-Positionen ihrer Fonds. Warum?Wir halten wenig US-Aktien. Der S&P 500 ist kräftig gestiegen in diesem Jahr, im Rest der Welt korrigieren die Börsen. Es ist nach vielen guten Jahren auch in Ordnung, einmal durchzuatmen.- Sie leben in Chicago, wie erleben Sie die USA unter Präsident Donald Trump?Seitdem Trump im Amt ist, sehen wir eine gewisse Abkopplung der USA, was ja auch sein Wunsch ist. Die USA wollen zurück in die Situation vor dem Ersten Weltkrieg, der ja vor 100 Jahren endete. Trump wird entgegen seinen Zielen zum großen Einiger der Eurozone.- Und was macht der Aktienmarkt?In diesem Jahr wird er sicherlich profitieren von der Steuerreform, dazu kommt Trumps Amnestie für im Ausland geparktes Geld. Die Amerikaner hatten im ersten Quartal ein enttäuschendes Wirtschaftswachstum, das zweite Quartal war sehr stark. Derzeit läuft es eindeutig gut. Dafür haben die USA ein Haushaltsdefizit von 1 000 Mrd. Dollar allein in diesem Jahr. Man muss sich fragen, ob dies ein Strohfeuereffekt ist und was man für das Deficit Spending bekommt. Man muss noch abwarten, aber wir haben zwei Hinweise: Die US-Zinsstrukturkurve und die Metallpreise deuten auf Rezession hin. Es könnte also sein, dass hier ein Strohfeuer abgefackelt wird. Wir dürfen uns alle von den 4,2 % Wachstum im zweiten Quartal nicht blenden lassen. Trump kann im nächsten Jahr nicht die nächste Steuerreform machen. Und dazu kommt, dass die Strukturprobleme der USA im Hinblick auf die Überalterung unseren in Deutschland ganz ähnlich sind.- Aber wer kümmert sich schon um die Schulden der USA?Man hat den Eindruck, dass Schulden keine Rolle spielen. Der Dollar leidet nicht darunter, im Gegenteil. Die Zinsdifferenz spricht eindeutig für die Währung. Die Amerikaner können nicht pleitegehen, weil der Dollar so beliebt ist. Sie können immer Schiffsladungen mit grünen Scheinen irgendwohin fahren und sind ihre Schulden los. Es gibt ja eine Krise vor der wir alle Angst haben: Die USA-Krise, hinter der alle anderen Krisen zu Petitessen werden.- Wie schätzen Sie Aktien aus Japan ein?Über Japan wird ja viel zu wenig gesprochen. Sie haben ein Nicht-Migrationsproblem, sprich eine starke Überalterung der Gesellschaft. Das heißt aber auch, die Arbeitsmärkte sind so entlastet, dass man von Mangel spricht. Japan hat also viele Probleme, aber eben auch gute Unternehmen. Und die sind gerade zu billig, weil die Japaner solide sind und die Firmen großartige Bilanzen haben. Unternehmen, die ich kenne, haben einen Netto-Kassenbestand – und nicht zu knapp. Shareholder-Value oder Bilanzoptimierung kennen die Japaner nicht. Wenn sich nur ein klein etwas in diese Richtung bewegt, können sich die Aktienkurse schnell verdoppeln. Japan ist günstig, aber die ganze Welt ist dort untergewichtet. Und die Welt braucht japanische Produkte. Die Globalisierung ist so weit fortgeschritten, die dreht auch kein Trump mehr zurück.- Die Aktien welcher japanischen Unternehmen halten Sie?Wir haben sehr viel, in unserem Fonds Loys Global beträgt der Japan-Anteil rund 19 %. Motorradfahrer werden das eine Unternehmen kennen: den Helmhersteller Shoei. Wir halten oft Firmen aus der zweiten Reihe, die sind nach meinem Dafürhalten richtig günstig. Das ist in Deutschland ganz ähnlich, wo die Perlen oft im MDax zu finden sind. Der Grund dafür ist, dass Dax-Unternehmen oft alte Unternehmen aus alten Industrien wie Auto sind.- Mit Wirecard kommt jetzt ein Unternehmen der Digitalwirtschaft in den Dax. Haben Sie sich das angeschaut?Wirecard hat eine erstaunliche Entwicklung, davor muss man den Hut ziehen. Wir halten es nicht, haben es uns aber immer mal wieder angeschaut und können nur mit offenem Mund staunen. Wir finden die Aktie zu teuer. Eines ist aber klar: Die Bezahlindustrie über das Internet muss es geben, und die Skalenökonomie ist ja großartig. Wirecard hat sich internationalisiert, die haben das sehr klug gemacht. Es ist ein toller Erfolg, wir wissen aber nicht, ob es weitergehen kann. Die Payment-Industrie wird von US-Unternehmen beherrscht, warum sollte also Wirecard nicht übernommen werden, an Geld mangelt es ja nicht.- Wo schauen Sie sich aktuell um?Wir suchen nicht die nächste Microsoft oder Wirecard, das ist ein anderes Feld, in dem man junge Unternehmen mit Venture-Kapital suchen muss. Wir sind langweiliger: Wir suchen Etabliertes, das gut aufgestellt ist – und das zu einem guten Preis.- In ihrem Fonds ist Energie die stärkste Branche, BP ist der zweitgrößte Wert und sie haben Petrobras und Lukoil mitten in der jüngsten Schwellenländer-Krise gekauft. Setzen sie auf einen steigenden Ölpreis?Lukoil- und Petrobras-Aktien waren sehr billig im August, außerdem haben sie als Ölförderer ihren Cashflow in Dollar. Und der Ölpreis ist heute attraktiv. BP können wir allerdings eher ein bisschen abbauen, wir müssen eher in die Dienstleister der Ölindustrie hineingehen. Da haben wir zugekauft, sind aber wahrscheinlich noch nicht fertig. Das Investitionsbudget der Ölförderer ist der Umsatz der Ölservicebranche. Wir haben nach dem Preisrutsch von 2014 einen deutlichen Rückgang der Investitionen gesehen. Jetzt müssen alle investieren, sonst kommt der Markt in eine Unterversorgungssituation.- Kommen wir noch mal zu den Finanzwerten zurück. Was denken sie zu Fondsgesellschaften?Wir haben mit der DWS ja jetzt einen Assetmanager an der Börse in Deutschland. Die Assetmanager leiden generell unter dem ETF-Trend, das gilt auch in den USA. Und die verschiedenen Fusionen in der Branche sind auch kein Zeichen von Stärke. Die DWS sollte man sich aber langsam mal anschauen, die Aktie wirkt günstig auf uns. In den USA haben wir kürzlich Federated Investors gekauft. Das ist ein Assetmanager, dessen Profitabilität sich mindestens zur Hälfte aus dem Geldmarkt speist. Das ist gut bei steigenden Zinsen.- Wie halten Sie es mit der DWS-Mutter Deutsche Bank?Wir haben eine Position von 0,9 % im Fonds aufgebaut und ich denke, wir werden noch mehr machen. Immerhin, man hat John Cryan als Chef rausgeworfen. Der war schon ein Sanierer, aber zu langsam. Sein Nachfolger Christian Sewing aus Bielefeld ist da eine andere Kragenweite. Ich komme ja aus Münster und weiß, wie die Westfalen so sind. Die Londoner Bonusbanker sind nicht mehr in der Führung, und es geht bei der Bank nun um Kosten. Die Aktie der Deutschen Bank wirkt auf mich günstig, aber es muss sich auch etwas tun. Die Bank hat so eine große Bilanz, da muss doch was möglich sein. Man muss ja nicht die größte Bank der Welt sein, aber die Deutsche Bank wird es auch in zehn Jahren noch geben.- Und die Commerzbank?Der Grund für das starke Auslandsengagement der Deutschen Bank liegt ja auch darin, dass der deutsche Bankenmarkt so schwierig ist, auch weil der Staat größter Akteur ist und viel abgreift im Banking. Das macht es für große Privatbanken nicht einfach. Wäre der Heimatmarkt nicht so schwierig, so könnte man auch die Commerzbank kaufen.—-Das Interview führte Stefan Schaaf.