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Aktive Dividendenstrategien bieten Chancen

Börsen-Zeitung, 14.7.2017 Jahr für Jahr übertreffen sich die Dividendenprognosen - auch 2017. Der Vermögensaufbau mit Hilfe von dividendenstarken Aktien scheint einfacher denn je. Doch wenn Rekordausschüttungen oder hohe Dividendenrenditen locken,...

Aktive Dividendenstrategien bieten Chancen

Jahr für Jahr übertreffen sich die Dividendenprognosen – auch 2017. Der Vermögensaufbau mit Hilfe von dividendenstarken Aktien scheint einfacher denn je. Doch wenn Rekordausschüttungen oder hohe Dividendenrenditen locken, müssen selbst erfahrene Anleger aufpassen, sich nicht in typischen Fallstricken zu verfangen.Aktien dividendenstarker Unternehmen werden zurzeit als Allheilmittel gegen niedrige Zinsen gehandelt. Während beispielsweise zehnjährige Bundesanleihen lediglich rund 0,59 % abwerfen, schütten alleine die 30 Dax-Unternehmen dieses Jahr mehr als 32 Mrd. Euro aus, was einer durchschnittlichen Dividendenrendite von 2,7 % entspricht. Ein weiterer Pluspunkt, der ihre Beliebtheit steigert: Kurse von Unternehmen mit hohen Ausschüttungen schwanken erfahrungsgemäß weniger stark. In ihrer Dividenden-Euphorie vernachlässigen manche Anleger jedoch mögliche Nebenwirkungen. Sie schauen allzu oft auf die Höhe der Dividendenrendite, setzen sich aber zu wenig mit den Risiken dieser verführerisch simplen Strategie auseinander.Der Versuchung von Dividendenrenditen im hohen einstelligen Bereich oder sogar oberhalb der 10-Prozent-Grenze sollte man tendenziell eher widerstehen. Denn hier kehrt sich die Dividendenrendite in ein Warnsignal um. Bei Aktien dieser Kategorie liegt die am Ende tatsächlich erzielte Rendite oftmals deutlich unterhalb aller Prognosen. Und für die Kursentwicklung einer Dividendenaktie gibt es kaum etwas Ungünstigeres als eine unerwartete Kürzung der Dividende.Sollte man dennoch eine Investition in diesem Bereich in Angriff nehmen, ist eine detaillierte Analyse umso wichtiger. Man muss sich bei jedem einzelnen Unternehmen zumindest die Frage stellen, woher die Dividende kommt. Ausschüttungen sollten idealerweise aus dem laufenden Geschäft und nicht aus der Substanz gezahlt werden. Denn greift eine Firma ihre Rücklagen an, um die Anteilseigner auf kurze Sicht bei Laune zu halten, gefährdet sie langfristig die Stabilität des Unternehmenserfolgs. Risiko ZinswendeDie außergewöhnlich langanhaltende Nullzinspolitik entfacht seit geraumer Zeit einen beispiellosen Bullenmarkt für dividendenstarke und defensive Aktien. Viele Anleger ignorieren hierbei jedoch den Elefanten im Raum beziehungsweise auf dem Börsen-Parkett: die mögliche Zinswende. Dies ist zwar kein akutes Risiko, doch die expansive Geldpolitik der EZB wird zunehmend hinterfragt.Ertragsstarke Titel mit überschaubaren Kursschwankungen sind aufgrund der starken Zuflüsse zum Teil sehr hoch bewertet und deshalb erhöhten Kursrisiken ausgesetzt. Bei einem Szenario steigender Zinsen könnten einige dieser Titel plötzlich deutlich stärker schwanken, als historische Vergleiche vermuten lassen.Diese Zinsabhängigkeit des Portfolios kann reduziert werden, wenn es um die Dimension Wachstum ergänzt wird und nicht nur die Höhe der Ausschüttungen, sondern auch Faktoren wie die Dividendendynamik bei Anlageentscheidungen berücksichtigt werden. Nach diesem Ansatz sind auch Unternehmen mit aktuell niedrigeren Dividendenzahlungen, aber realistischen Aussichten auf eine Steigerung interessante Investments. Da solche Titel mit vielversprechender Wachstumsdynamik zum Teil noch vergleichsweise günstig bewertet sind, wirkt die Beimischung risikomindernd und diversifizierend. Mehrere StrategienWo Chancen sind, gibt es Risiken. Das gilt auch für Dividenden-Investments, sei es in Form einer zu großen Zinsabhängigkeit der Aktienkurse oder zu optimistisch interpretierten Dividendenrenditen. Wer sich aktiv mit den Risiken beschäftigt, kann diese jedoch verringern. Egal ob Anleger die Titelauswahl in Eigenregie übernehmen oder lieber in einen Dividendenfonds investieren: Wenn das Portfolio nicht nur wie gewohnt nach Branchen, Ländern und Unternehmensgröße, sondern auch nach Strategien mit unterschiedlichem Fokus diversifiziert wird, sind Dividendenaktien weiterhin ein attraktives und solides Investment.—-Sebastian Müller Senior Portfoliomanager bei der First Private Investment Management.