Analysten haben Kurserholung unterschätzt

Survey des IW zeigt Pessimismus der Marktexperten - Unicredit kurzfristig mit dem besten Riecher

Analysten haben Kurserholung unterschätzt

ku Frankfurt – Analysten der deutschen Kreditinstitute haben das Erholungspotenzial der Kapitalmärkte unterschätzt. Im Rahmen des IW Financial Expert Survey des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) haben sie bei Abgabe ihrer Prognosen am 31. März einen Stand des Dax zum 30. Juni dieses Jahres von im Mittel der Schätzungen 9 312 Punkten prognostiziert. Per Ende September vermuteten sie den deutschen Leitindex bei 10 164 Punkten. Mittlerweile hat der Dax jedoch bereits ein Niveau von 10 480 Punkten erreicht. Hintergrund ist die enorme Versorgung der Finanzmärkte mit Liquidität durch die Europäische Zentralbank (EZB), die offenbar zumindest die Aktienkurse stärker stützte als von den Analysten erwartet. Bei Abgabe der Prognose sahen die Märkte noch ganz anders aus, der Dax befand sich auf einem Niveau von 9 936 Punkte.Ähnliches gilt für den Stoxx Europe 50, der die Kursentwicklung der 50 größten europäischen Aktiengesellschaften abbildet. Er wurde ausgehend vom Stand von vor zwei Wochen von 2 730 Zählern von den Analysten zur Jahresmitte bei 2 561 Punkten vermutet. Für Ende September wurde im Mittel ein Stand von 2 786 erwartet, somit ebenfalls nur eine sehr verhaltene Erholung. Aktuell steht der Index bei 2 775 Punkten.Die Entwicklung des amerikanischen Aktienmarktes haben die Experten wohl ebenfalls zu negativ eingeschätzt. Der US-Benchmarkindex S&P 500, der zum Zeitpunkt der Abgabe der Prognose bei 2 585 Zählern notierte, wird zur Jahresmitte noch etwas niedriger bei im Durchschnitt 2 572 Punkten vermutet, während bis Ende September eine minimale Erholung auf 2 741 Zählern vorausgesagt wurde. Aktuell befindet sich der Index aber bereits bei 2 846 Punkten. Abkopplung von der RealitätNicht erwartet wurde damit von den Analysten die erneut zu beobachtende deutliche Abkopplung der Finanzmärkte vom realwirtschaftlichen Geschehen – ein klares Ergebnis der Flutung der Märkte mit Liquidität durch die Notenbanken, wie es auch schon in den vergangenen Jahren in Krisenzeiten stets zu beobachten war. Somit spielt zumindest derzeit an den Märkten nur eine untergeordnete Rolle, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) am Dienstag dieser Woche eine pessimistische Prognose für die globale Wirtschaftsentwicklung des laufenden Jahres abgegeben hat, in der er erstmals seit 1945 mit negativem weltweiten Wachstum im Gesamtjahr rechnet. Weberbank zurückhaltendWas den Dax betrifft, so war die Weberbank vor zwei Wochen besonders pessimistisch mit Prognosen von 8 300 Punkten zur Jahresmitte und von 8 800 Zählern per Ende September. Besonders optimistisch war hingegen die DZ Bank, die den Dax per Ende September bei 10 534 Punkten vermutete und im Herbst dann bei 11 200. Zumindest ausgehend vom aktuellen Niveau könnte daher die Prognose der DZ Bank am ehesten die Realität abbilden. Allerdings rechnen viele Beobachter damit, dass die Aktienmärkte noch einmal einbrechen, wenn die Marktteilnehmer realisieren, dass es nicht zu einer U- oder gar V-förmigen Erholung der globalen Volkswirtschaft kommt.Auf der Zinsseite rechnen die Analysten mit wenig Veränderungen. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen wird im Mittel zur Jahresmitte bei -0,57 % gesehen, die Verzinsung entsprechender US-Treasuries bei 0,76 %. Einen weitergehenden Rückgang der Bundrendite bis auf -0,88 % per Ende Juni erwartete die Deutsche Bank, während Hamburger Sparkasse und Postbank von einem Renditeanstieg bis auf -0,3 % ausgingen.Hinsichtlich des Niveaus des Euro gegenüber dem Dollar wird keine große Veränderung vorhergesehen. Er wird bis in den Herbst hinein bei rund 1,10 Dollar erwartet. Der Brent-Ölpreis wird bei 27,80 Dollar je Barrel vermutet. Bis zum Herbst soll es dann nur eine kleine Erholung der Notierung des Energieträgers bis auf 31,30 Dollar geben. Die Abgabe der Prognosen fand vor der jüngsten Einigung des Produzentenkartells “Opec plus” statt, der aber die meisten Analysten keine dauerhafte preisstützende Funktion attestieren. DZ Bank im Ranking vornDer IW Financial Expert Survey begutachtet ferner die Treffsicherheit der in der Vergangenheit abgegebenen Prognosen der teilnehmenden Banken. In dem seit 2015 laufenden Langfrist-Ranking führt bei den Richtungsprognosen die DZ Bank vor der Hamburger Sparkasse und der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), bei den Punktprognosen die National-Bank vor der Nord/LB und der Commerzbank. Kurzfristig, also im vierten Quartal 2019, hat bei den Richtungsprognosen Unicredit die Nase vorn, dahinter folgt die Santander Bank. Bei den Punktprognosen führt ebenfalls Unicredit vor der DZ Bank und der Commerzbank.