AMERIKA HAT GEWÄHLT

Anleger schütteln das Wahlchaos ab

Europas Aktienmärkte nach schwachem Start deutlich erholt - DWS: US-Investoren bevorzugen Trump

Anleger schütteln das Wahlchaos ab

Mit Enttäuschung haben europäische Anleger zunächst darauf reagiert, dass es keinen früh erkennbaren Wahlsieg Bidens gab. Später drehten die Märkte aber, zumal klar wurde, dass US-Investoren eher den Status quo bevorzugen. Dax und Euro Stoxx 50 beendeten den Handel mit einem deutlichen Plus.ku Frankfurt – Der nach wie vor offene Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahl hat die Akteure an den Kapitalmärkten am Mittwoch auf dem falschen Fuß erwischt. Am europäischen Aktienmarkt gab es zunächst deutliche Verluste. So büßte der Dax unmittelbar nach Handelsauftakt rund 2 % auf 11 848 Zähler ein. Gemäß den Umfrageergebnissen und Wahlprognosen hatten viele Akteure an den Finanzmärkten darauf gesetzt, dass der demokratische Herausforderer Joe Biden mit deutlichem Vorsprung gewinnt. Als dann jedoch deutlich wurde, dass es keine “blaue Welle”, also keinen Durchmarsch der Demokraten in Weißem Haus und beiden Kammern des amerikanischen Kongresses, geben würde, herrschte Enttäuschung – zumal auch klar wurde, dass es auch den Republikanern nicht gelingen wird, Präsidentschaft und Parlament zu kontrollieren. Damit zeichnet sich zumindest klar ab, dass sich beide großen politischen Parteien in den USA weiterhin blockieren werden – was auch bisher die Verabschiedung eines weiteren Fiskalpakets zur Stützung der von der Pandemie schwer in Mitleidenschaft gezogenen US-Realwirtschaft verhinderte.Die Anleger gewannen jedoch schnell wieder ihre Fassung zurück, so dass es an den Märkten zunächst vielerorts Seitwärtsbewegungen gab, da die Akteure abwarten wollten, wie der endgültige Wahlausgang aussehen wird. Dies kann sich allerdings noch Wochen hinziehen, da die unterlegene Seite die Gerichte anrufen wird. Später drehten die Märkte und verzeichneten sogar wieder deutliche Gewinne. Die europäischen Börsen wurden angetrieben durch eine trotz der politischen Konflikte positiven Stimmung am amerikanischen Aktienmarkt. Dort gilt die nun unrealistische Perspektive einer “blue wave” als ein für Unternehmen negatives Szenario, sodass die meisten Investoren einen Wahlsieg Trumps bevorzugen.Stefan Kreuzkamp, Chief Investment Officer der DWS, wies im Gespräch mit der Börsen-Zeitung darauf hin, dass es Trump schon wieder gelungen sei, die Umfrageergebnisse zu übertreffen. Die USA befänden sich zwar nun in einer an den Märkten sehr unbeliebten Situation großer Unsicherheit. Die US-Anleger bevorzugten aber den Status quo besonders hinsichtlich Regulierung und Steuerlast gegenüber möglichen Veränderungen. Sollte es in nächster Zeit noch zu Verlusten an den Märkten kommen, gelte es, diesen “Dip” zu kaufen. Für die nächsten Tage sei mit einem festeren Dollar zu rechnen, zudem sei es unwahrscheinlich, dass mit dem Scheitern der “blue wave” die Renditen steigen. Sollte sich Trump letztlich durchsetzen, sei mit einem Anstieg des S&P 500 in Richtung 3 500 Punkte zu rechnen. Sollte Biden gewinnen, sei ein Abwärtstrend zu erwarten. Es gelte allerdings, die anfänglichen Marktreaktionen auf die Wahlen nicht überzuinterpretieren. Unabhängig vom Wahlausgang seien die dominanten Treiber für die Aktienmärkte unverändert, so etwa der weitere Verlauf der Pandemie und die Geldpolitik der Federal Reserve.Fest zeigte sich am Mittwoch insbesondere der technologielastige Nasdaq Composite mit einem Anstieg im frühen Handel von 3,8 %, da von den Republikanern im Kongress nicht erwartet wird, dass diese härtere Regulierungen für den Technologiesektor anstreben. Der S&P 500 als wichtigster US-Benchmark-Index zeigte sich mit einem Plus von 2,9 % ebenfalls sehr fest. Pfund unter DruckDer Dax beendete den Handel mit einem Plus von 2 % auf 12 324 Punkte. Der Euro Stoxx 50 kletterte um 1,8 % auf 3 156 Zähler. Trotz des Wahlchaos in den USA zeigte sich der Greenback zunächst fest, der nach wie vor als sicherer Hafen in Krisenzeiten gilt. Der Euro fiel zeitweise auf rund 1,16 Dollar. Später erholte er sich jedoch wieder bis auf 1,1709 Dollar, damit in etwa auf Vortagsniveau. Das britische Pfund gab um 0,5 % auf 1,30 Dollar nach. Zeitweise hatte das Minus rund 1 % betragen. Schwäche zeigten die Währungen aus den Schwellenländern. So büßte die türkische Lira 0,4 % auf 8,435 je Dollar ein.Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen, die als sicherer Hafen gelten, gab zunächst bis auf – 0,669 % nach. Später stieg sie wieder bis auf ein Tageshoch von – 0,617 %. Das oft als Wertaufbewahrungsmittel in Krisenzeiten geltende Gold konnte vom Wahlchaos in den USA nicht profitieren. Das gelbe Metall verbilligte sich um 0,4 % auf 1 902 Dollar je Feinunze. Der Ölpreis zog kräftig an. Brent Crude legte um 2,5 % auf 40,71 Dollar je Barrel zu, die US-Sorte WTI um 2,4 % auf 38,55 Dollar. Die Ölindustrie genießt die Rückendeckung der Trump-Administration, während Biden zumindest öffentlich für die Förderung erneuerbarer Energien eintritt.In Europa legten Fresenius Medical Care stark um 7 % auf 70,68 Euro zu. Der Dialyse-Spezialist verfügt über ein großes US-Geschäft, dem ein klarer Wahlsieg Bidens wegen Bemühungen der Demokraten zur Begrenzung der Kosten im US-Gesundheitssektor eher schaden würde. Schwach zeigten sich die europäischen Titel aus dem Bereich der erneuerbaren Energien (vgl. Grafik).Als sehr schwach erwiesen sich an der Wall Street die Aktien der umstrittenen privaten US-Gefängnisbetreiber. Im frühen Handel sackten Corecivic um 16,6 % ab und Geo Group um 12,7 %. Biden hatte im Wahlkampf in Aussicht gestellt, die Nutzung privater Haftanstalten durch die Bundesregierung zu beenden. Zu den Verlieren gehörten auch die Titel von Unternehmen, die auf Cannabis spezialisiert sind. Kamala Harris, Bidens Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin, hatte sich für die Legalisierung ausgesprochen. Canopy Growth sackten um 8,4 % ab, Aurora Cannabis um 9,6 % und Tilray um 9,2 %.