Auf Tauchgang nach den Aktien-Perlen
Von Alex Wehnert, Frankfurt
Zahlreiche Fondsmanager träumen von diesen Perlen, doch nur wenige tauchen erfolgreich nach ihnen: Dividendentitel, die gegenüber dem breiten Markt eine gewaltige Outperformance erzielen. Werte wie die Aktie des E-Autobauers Tesla, die in den vergangenen zehn Jahren inklusive Dividenden eine Wertsteigerung um über 15500% hingelegt hat, können bei entsprechender Gewichtung das gesamte Portfolio in die Höhe reißen.
Auch am deutschen Aktienmarkt gibt es Titel, die in der Rückrechnung über das vergangene Jahrzehnt mit Gesamterträgen von mehreren tausend Prozent glänzen. So zum Beispiel die Stamm- und Vorzugsaktien des Pharma- und Laborzulieferers Sartorius, die unter allen Werten des Segments Prime Standard der Deutschen Börse vorn liegen.
Doch diese Top-Performer bilden am Aktienmarkt eine äußerst kleine Minderheit, wie Studien zeigen. So hat Hendrik Bessembinder, Professor für Finanzen an der Arizona State University, in seinem 2017 veröffentlichten Paper „Do Stocks Outperform Treasury Bills?“ die Kursentwicklung aller seit 1926 gelisteten US-Unternehmen analysiert. Mit mehr als der Hälfte der 26000 betrachteten Werte hätten Investoren im Untersuchungszeitraum bis 2016 Verluste gemacht oder wären zumindest schlechter gefahren, als wenn sie einmonatige US-Staatsanleihen gehalten hätten. Dagegen generierten in dieser Zeitspanne nur 1000 Aktien, also weniger als 4% der Grundgesamtheit, die gesamte Wertschöpfung im Volumen von 35 Bill. Dollar.
Um diese seltenen Perlen zu finden, verfolgen Portfoliomanager ganz unterschiedliche Stock-Picking-Ansätze. Der schottische Vermögensverwalter Baillie Gifford hat sich beispielsweise mit der erfolgreichen Auswahl von Growth-Werten einen Namen gemacht und setzt dabei auf einen besonders langfristigen Fokus.
Gewinne im Blick
„Die tagesaktuellen Entwicklungen an der Börse interessieren uns kaum“, sagt Stuart Dunbar, einer der 47 Partner der Gesellschaft. Auf Sicht von drei Jahren sei die Aktien-Performance ohnehin willkürlich, erst bei einem weiteren Anlagehorizont – also mindestens fünf, eher zehn Jahre – ergäben Investitionen aus Überzeugung Sinn. „Wir suchen Unternehmen, die ihre Gewinne in den kommenden fünf Jahren verdoppeln und, in einigen Fällen, innerhalb der kommenden zehn Jahre verfünffachen können“, betont Dunbar. Denn die Aktienkurse folgten langfristig der Gewinnentwicklung.
Um hochprofitable Unternehmen zu finden, sollten Vermögensverwalter von bekannten Pfaden abweichen. „Investmentmanager neigen dazu, Research von Investmentbanken zu verwenden. Weil diesen ähnliche Informationen zugrunde liegen, ähneln auch die Schlüsse, die Investoren daraus ziehen, einander häufig“, argumentiert Nick Thomas, wie Dunbar Partner bei Baillie Gifford. Statt Research hinzuzukaufen, arbeitet der Assetmanager mit Forschern zusammen und fördert ihre Projekte, aus denen dann Investmentideen entstehen. So helfe eine Kooperation mit der TU Delft in den Niederlanden den Portfoliomanagern, die Chancen und Risiken von künstlicher Intelligenz sowie deren ethische Implikationen besser zu verstehen.
In der Vergangenheit hat Baillie Gifford ein sicheres Gespür dafür bewiesen, welche Werte durchstarten werden. Das Flaggschiff-Vehikel des Assetmanagers, der Scottish Mortgage Investment Trust, investierte 2004 erstmals in Amazon, als der Konzern im Wandel vom Online-Buchhändler zum breiter aufgestellten E-Commerce-Anbieter steckte. Seitdem hat die Amazon-Aktie, noch immer die zehntgrößte Position im Portfolio, um über 6500% zugelegt.
Nun tauchen Portfoliomanager nach neuen Schätzen. Nach Ansicht von Björn Glück, Portfoliomanager des Lupus alpha Smaller German Champions, sind Nebenwerte aufgrund des riesigen Anlageuniversums ein Paradies für Stock Picker. Der deutsche Markt allein sei groß genug und steche hervor, da der Mittelstand das Rückgrat der Wirtschaft bilde und viele Perlen bereithalte, argumentiert Glück in der Oktober-Ausgabe von rendite, dem Anlagemagazin der Börsen-Zeitung. Auch in den sogenannten alten Industrien seien vielversprechende Unternehmen vertreten.
Hoffnungsträgerin Moderna
Bei Baillie Gifford heißt die größte Hoffnungsträgerin aktuell Moderna, die im Scottish Mortgage Investment Trust mit 9,2% gewichtet ist. „Wir glauben daran, dass gewaltiges Potenzial besteht, die mRNA-Technologie auch über die Impfstoffentwicklung hinaus einzusetzen“, sagt Tom Slater, Manager des Flaggschiff-Vehikels. Deshalb habe sich Baillie Gifford entschlossen, für die Biotech-Schmiede die gleichen Bewertungsmaßstäbe anzulegen wie für große Technologiewerte. Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 7,56 auf Basis der Gewinnschätzungen für die kommenden zwölf Monate dürfte sich dabei im Vergleich äußerst attraktiv ausnehmen.
Allerdings, räumt Slater ein, träfen auch erfolgreiche Stock Picker Fehlentscheidungen. Daher sei die Unternehmenskultur eines Vermögensverwalters entscheidend, eine Auswahl der falschen Einzelwerte dürfe für die Portfoliomanager nicht unmittelbar zum Karriererisiko werden. Sonst entstünden mentale Blockaden, die Investment-Profis davon abhielten, erfolgreich nach den nächsten glänzenden Perlen zu tauchen.