IM INTERVIEW: BERNHARD LANGER, INVESCO

Ausgewogenes Portfolio empfohlen

Chief Investment Officer: Derzeit ist die Entwicklung des Aktienmarktes noch gesund

Ausgewogenes Portfolio empfohlen

In dem aktuellen Umfeld sollten Anleger ihr Portfolio genau analysieren und ausgewogen gestalten, rät Bernhard Langer, Chief Investment Officer für Invesco Quantitative Strategies. Dabei kann Factor Investing Langer zufolge gute Dienste leisten.- Herr Langer, es gibt einige Nervosität im Markt bezüglich eines in absehbarer Zeit bevorstehenden Endes des jahrelangen Bullenmarkts. Worauf müssen sich die Anleger Ihrer Einschätzung nach einstellen?Der rund zehnjährige Bullenmarkt basiert auf der ultralockeren Geldpolitik, und da haben wir nun eine Veränderung. Die Fed ist in der monetären Wende am weitesten fortgeschritten, die Zinsen steigen wieder. Die Frage für die Aktienmärkte lautet nun: Ab wann tun die Zinsen weh? Wann geht der Anleger aus Aktien raus, wann wechselt er die Asset-Klasse? In der zweijährigen Laufzeit haben die Treasuries immerhin schon ein Niveau von 2,5 % erreicht. Die EZB vollzieht den Einstieg in den Ausstieg. Sie wird zunächst die Anleihekäufe einstellen. Die Frage ist, was sie mit den Rückzahlungen macht beziehungsweise ob sie sie wieder investiert. In den USA kommt hinzu, dass der Staat mehr Schulden macht, während die Zinsen eben steigen. Wer soll das kaufen? Die Chinesen, wenn ihnen seitens der US-Regierung mit dem Handelskonflikt das Leben schwergemacht wird? Letztlich stellt sich für den Aktienmarkt die Frage, wo die Liquidität, die bisher einer der Haupttreiber war, herkommen soll.- Sind Sie für die Aktienmärkte pessimistisch?Keineswegs. Es gibt positive Faktoren, die dafür sorgen, dass sich die Aktienmärkte in diesem Jahr halten beziehungsweise wie in den USA gut zulegen. Dort legen die Unternehmensgewinne unter anderem aufgrund der Steuerreform deutlich zu. Ferner sind die Aktienrückkäufe ein enormer Treiber, weil die Gewinne je Aktie durch sie technisch steigen. Anders als viele denken, sind die Bewertungen unserer Meinung nach auch nicht übertrieben. Das wächst von unten nach. Allerdings ist die Frage zu stellen, wie nachhaltig das sein kann. Bei den Unternehmen ist der Effekt der Steuerreform anders als bei den Privathaushalten jedenfalls längerfristig. Insofern ist die Entwicklung des Aktienmarktes derzeit noch gesund. Für Europa wird ein Wachstum zwischen 2 und 3 % erwartet, also auch hier eine Entwicklung, die in Ordnung ist.- Wie sähe die Lage denn aus, wenn der Handelskonflikt zu einem Handelskrieg eskalieren würde?Das ist natürlich ein Risiko. In einem Handelskrieg kann es nur Verlierer geben, und man kann nur hoffen, dass die US-Wirtschaft genug Druck aufbaut, damit das eingestellt wird. – Was sollen die Anleger in dieser Gemengelage tun?Sie sollten genau darauf schauen, wie sie positioniert sind, beziehungsweise ihr Portfolio sorgfältig analysieren. Wichtig ist, nicht zu viel Value beziehungsweise ein ausgewogenes Portfolio zu haben. Dabei kann Factor Investing gute Dienste leisten. Faktoren helfen, die Quellen von Risiko und Ertrag zu erklären und zu verstehen, um dann gegebenenfalls Konsequenzen in Form etwa von Umschichtungen oder Hedging zu ergreifen. Investoren sollten breit über alle Asset-Klassen streuen. Faktor-Analyse kann man über alle Asset-Klassen machen. Wir können allerdings nicht versprechen: Wir holen euch da raus, wenn es kracht. Dazu wird keine Zeit bleiben. Cash zu halten, kann man sich nicht leisten. Man muss ins Risiko gehen, aber sorgfältig steuern.- Wie definieren Sie Factor Investing?Wir verstehen darunter Strategien, Wertpapiere nach verschiedenen Merkmalen – Faktoren – zu analysieren, die in der Vergangenheit zu einem Mehrertrag gegenüber dem Markt-Beta geführt haben. Aus diesen Erkenntnissen über Risiko und Ertrag des Wertpapiers wird dann ein wohldiversifiziertes Portfolio konstruiert. Die bekanntesten Faktoren sind: Value, Size, Momentum, Quality und Volatility. Mit diesen Faktoren sieben Sie gewissermaßen die erfolgversprechenden Aktien aus einem Universum beispielsweise europäischer Aktien aus.- Wie vergleicht sich Factor Investing mit anderen Ansätzen?Wir sprechen bei Invesco von drei Säulen. Dazu zählt die passive Seite, die gewisse Vorteile bietet, aber auch so ihre Nachteile hat. Dann gibt es den fundamentalen, aktiven Ansatz. Da gibt es aber viele Enttäuschungen, und der Ansatz ist auch sehr teuer. In der Mitte zwischen den beiden Ansätzen ist Factor Investing anzusiedeln. Seit einem Jahr sehen wir, dass die Passiv-Welle ausläuft. Den institutionellen Investoren ist die Nachbildung von kapitalisierungsgewichteten Indizes nicht mehr genug. Factor Investing ist mit 20 Basispunkten so günstig wie passiv, ermöglicht systematisches Investieren und weist eine hohe Transparenz auf. Gleichzeitig kann ein um 1 Prozentpunkt höherer Ertrag generiert werden, der für Institutionelle schon eine signifikante Größenordnung darstellt.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.