Autozulieferer strapaziert Geduld der Anleger
Geld oder Brief
Continental strapaziert Geduld der Anleger
Von Carsten Steevens, Hamburg
Continental stellt Anleger auf die Geduldsprobe. Die Aktie des Autozulieferers und Reifenherstellers liegt mehr als 75% unter ihrem Allzeithoch, das im Januar 2018 im Zuge von Spekulationen über einen größeren Konzernumbau bei 257,40 Euro erreicht wurde. Seit über zwei Jahren bewegt sich der Kurs seitwärts. Die Steigerung des Dax seit Ende vergangenen Jahres um mehr als 10% hat das Unternehmen aus Hannover nicht mitgemacht – im Gegenteil. Um fast ein Fünftel ging es für das Papier abwärts.
Die beim Kapitalmarkttag im Dezember präsentierten Ambitionen, die Wertschaffung zu steigern und einhergehend mit konkretisierten Mittelfristzielen den Korridor für Dividendenzahlungen von 15 bis 30% des Nettoergebnisses auf 20 bis 40% anzuheben, haben den Weg für die nächsten drei bis fünf Jahre abgesteckt. Doch die Wegstrecke erweist sich als holprig. Mit dem Abschneiden im ersten Quartal 2024 hat Continental enttäuscht.
Verlust im ersten Quartal
So landete der seit Jahren schwächelnde Automotive-Bereich tiefer als erwartet in den roten Zahlen, wie das Unternehmen vor drei Wochen bereits auf Basis vorläufiger Berechnungen veröffentlichte. Der Bereich, in dem Continental 2023 erstmals seit vier Jahren mit einer bereinigten Ebit-Marge von 1,9 (i. V. −0,3)% operativ in die Gewinnzone zurückkehrte, trug in den ersten drei Monaten nicht nur maßgeblich zu einem Konzernverlust von −53 (+382) Mill. Euro bei. Er verfehlte mit einer Marge von −4,3% auch den Analystenkonsenswert von −1,8% deutlich. Gründe dafür gibt es mehrere.
Das Unternehmen will im Bereich mit dem größten Anteil am Konzernumsatz in diesem Jahr eine operative Rendite von 3 bis 4% und mittelfristig von 6 bis 8% erreichen. Zugleich verweist es auf eine geringere Fahrzeugproduktion vor allem im Kernmarkt Europa sowie auf noch ausstehende Abschlüsse in Preisneuverhandlungen mit Autoherstellern. Ferner wirkten sich verzögerte Produktanläufe, ein schwaches Geschäft in Nordamerika sowie Wechselkurseffekte negativ aus. Diese Faktoren sorgten dafür, dass auch der Umsatz des Automotive-Bereichs in den ersten drei Monaten mit 4,8 Mrd. Euro unterhalb der Markterwartung (4,9 Mrd. Euro) blieb. Sie drückten aber auch auf die bereinigte Ebit-Marge. Zudem wurde die Profitabilität durch die Lohninflation belastet.
Maßnahmen avisiert
Beim Kapitalmarkttag hat Continental die Marschroute erläutert, sich im Automotive-Bereich stärker auf wachstumsstarke und wertschaffende Geschäftsfelder zu konzentrieren. Neue strategische Optionen will sich das Unternehmen etwa durch die organisatorisch unabhängige Aufstellung des Geschäfts mit Anzeige- und Bediengeräten (User Experience) verschaffen. Zudem sind Maßnahmen für weitere Automotive-Geschäfte mit einem Umsatz von zuletzt
1,4 Mrd. Euro avisiert.
Darüber hinaus plant der Konzern im Zuge der im Herbst angekündigten Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit seines Automotive-Bereichs den Abbau von 7.150 Stellen vor allem auf Verwaltungsebene, verbunden mit einer Kostenreduktion von jährlich 400 Mill. Euro ab 2025. Ferner soll die Quote für Forschung und Entwicklung in dem Bereich sinken: Kurzfristig sollen die F&E-Kosten netto von zuletzt knapp 12% auf rund 11% vom Umsatz fallen, mittelfristig – bis 2028 – auf rund 9%. Dazu beitragen soll unter anderem eine verstärkte Bündelung der weltweit 82 Entwicklungsstandorte.
Reitzle macht Druck
Das schwache erste Quartal hat den Handlungsdruck für das Management unterstrichen. Beim jüngsten Aktionärstreffen würdigte Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle die traditionellen Stärken des Konzerns und gute Ergebnisse der Bereiche Tires (Reifen) und Contitech, forderte aber zugleich, dass Automotive auf dem eingeschlagenen Kurs „mehr Gas geben“ müsse. Das gelte vor allem bei Umsetzungsstärke, Innovationen und der Gesamt-Performance.
Trotz des langsamen Starts in das Geschäftsjahr kann Continental die Finanzziele für 2024 bestätigen. Das begründet Vorstandschef Nikolai Setzer mit vier Punkten: dem Verweis auf die Preisverhandlungen, auf einen starken Start des Reifen-Bereichs im zweiten Quartal, auf die erwartete Erholung der Industrienachfrage bei Contitech sowie auf die Arbeit an Effizienzverbesserungen. Ergebnissteigerungen werden vor allem in der zweiten Jahreshälfte erwartet.
Zweifel bei Prognose
Doch Zweifel an der Prognose haben sich nach dem schwachen Jahresauftakt verstärkt. Gerade bei Automotive erschienen die Jahresziele noch ehrgeiziger als bisher, so Deutsche Bank Research, die bei 80 Euro Kursziel zum Halten der Aktie rät. Continental müsse ordentlich aufholen, um die Vorgaben für 2024 zu erreichen, heißt es bei der UBS, die die Aktie bei einem Kursziel von 71 Euro neutral einstuft. Insgesamt halten sich die Analysten laut Bloomberg-Daten mit zwölf Kaufempfehlungen für das Papier, elf neutralen und einer negativen Einschätzung die Waage.