Marktausblick

Bergwerks­betreiber hui, Halbleiter­hersteller pfui

J.P. Morgan empfiehlt den Anlegern, sich nicht weiter um Dinge zu sorgen, die in den vergangenen Monaten schon eingetreten sind. Aktienstratege Mislav Matejka rechnet mit weiter steigenden Kursen.

Bergwerks­betreiber hui, Halbleiter­hersteller pfui

hip London

Warum sollte man weiter auf Kursgewinne hoffen, nachdem sich die Aktienmärkte bereits verdoppelt haben? Mislav Matejka, zuständig für die globale Aktienstrategie von J.P. Morgan, verweist darauf, dass sich viele der Belastungsfaktoren des laufenden Jahres, von der Inflation über eine mögliche Straffung der Geldpolitik bis hin zur schwachen Wirtschaftsentwicklung in China, 2022 abmildern werden. „Die Leute machen sich um etwas Sorgen, das in den vergangenen sechs Monaten bereits eingetroffen ist“, sagt Matejka vor Journalisten in London im 31. Stock von 25 Bank Street in Canary Wharf.

Der Markt habe sich bereits für Stagflation positioniert, so Anlagestratege Matejka. Wolle man pessimistisch sein, müsste man glauben, dass sich die Zentralbanken einzig und allein auf die Teuerungsrate und fokussieren und das Wirtschaftswachstum dabei außer Acht lassen werden. Die meisten Szenarien unterstellten aber einen deutlichen Rückgang des US-Preisauftriebs im zweiten Halbjahr 2022.

Matejka geht zudem nicht davon aus, dass die Rentabilität der Unternehmen ihren Gipfel bereits überschritten hat. „Die Zeit der positiven Überraschungen bei den Gewinnen ist noch nicht vorbei“, sagt er. Er sei sehr optimistisch für den MSCI China, dem er ein Aufwärtspotenzial von nahezu 30% unterstellt. Auch Aktien von Unternehmen, die am Chinageschäft verdienen, traut er noch einiges zu. Deshalb habe er Bergbautitel hochgestuft. Auch Banken und Autowerte sieht er positiv. Aber: „Bei Halbleitern sollte man Gewinne mitnehmen.“

„Fast ein sicherer Hafen“

Seine Heraufstufung britischer Aktien habe gemischte Reaktionen hervorgerufen, sagt Matejka. Aus seiner Sicht ist der FTSE 100 „fast schon ein defensiver Markt, fast ein sicherer Hafen“. Seit dem Brexit-Referendum dümpele der Index vor sich hin, während andere Märkte deutlich gestiegen seien. Die britischen Standardwerte böten die höchste Dividendenrendite der Welt. Zudem seien sie, wegen der im Index enthaltenen Bergbautitel, in gewisser Weise auch eine Wette auf China.

Matejka orientiert sich in seiner Strategie daran, wie sich die Zinskurve entwickelt. Bei der US-Bank geht man davon aus, dass sie wieder steiler werden wird. Für Luis Oganes, Head of Currencies, Commodities & Emerging Markets Research, hat Fed-Chef Jerome Powell mit seinen jüngsten Äußerungen die Tür zu einem schnelleren Herunterfahren der Anleihekäufe geöffnet. Am Markt rechne man mit dem ersten Zinsschritt im Juli, bei J.P. Morgan erwartet man ihn erst im September. Der Dollar könne dem Euro gegenüber wegen der geldpolitischen Divergenz weiterhin stark bleiben.

Oganes geht davon aus, dass sich die Rally an den Rohstoffmärkten 2022 fortsetzen könnte, insbesondere was Rohöl betrifft. Kupfer hatte bereits im Juni den Höchststand erreicht. Die Kursrückgänge danach führt er darauf zurück, dass den Anlegern klargeworden sei, dass die Energiewende nicht ganz so schnell stattfinden wird wie eingepreist. Zudem sei das Angebot gewachsen, weil Bergwerksbetreiber in neue Minen investiert hätten.

Die neue Sars-CoV-2-Variante Omi­kron werde die Märkte nicht auf lange Sicht beschäftigen, sagt Matejka: „Ich denke nicht, dass aus dieser Sache ausschließlich negative Nachrichten hervorgehen können.“ Sollte sich herausstellen, dass die Impfstoffe gegen die neue Variante wirken, oder dass die Krankheit milder verläuft, könnten die jüngsten Kursverluste schnell wieder wettgemacht werden.

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