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Bewährungsprobe für Macri in Argentinien

Von Mauro Toldo *) Börsen-Zeitung, 6.7.2017 Der argentinische Präsident Mauricio Macri steht vor einer wichtigen Bewährungsprobe: Bei den im Oktober anstehenden Parlamentswahlen werden in acht der 24 Provinzen Senatoren gewählt. Zugleich wird die...

Bewährungsprobe für Macri in Argentinien

Von Mauro Toldo *)Der argentinische Präsident Mauricio Macri steht vor einer wichtigen Bewährungsprobe: Bei den im Oktober anstehenden Parlamentswahlen werden in acht der 24 Provinzen Senatoren gewählt. Zugleich wird die Hälfte des Abgeordnetenhauses für die nächsten vier Jahre neu gewählt. Die Wahlen werden zu einer Abstimmung über die bisherige Politik Macris. Zugleich sind sie ein guter Indikator für den Reformausblick in den kommenden Jahren.Macri verfügt im Moment über keine Mehrheit im Parlament und ist auf die Zusammenarbeit mit Oppositionsparteien angewiesen. Kann seine Partei Boden gutmachen, dann ist eine Fortsetzung der Unterstützung und somit der Reformen wahrscheinlich. Dass er gar eine Mehrheit im Parlament erringen kann, gilt im Moment aber als unwahrscheinlich. Doch ein positives Abschneiden bei den Wahlen würde die Chancen einer Wiederwahl Macris sowie die Chancen auf eine Mehrheit im Parlament im Jahr 2019 erhöhen. Verliert er an Zustimmung, beispielsweise gegen die populistischen Kräfte der ehemaligen Präsidentin Cristina Fernández, dann trübt sich der Ausblick für Reformen dagegen ein. Währung abgewertetBei seiner Amtseinführung im Dezember 2015 fand Macri ein heruntergewirtschaftetes Land vor. Innerhalb kürzester Zeit führte er umfassende Reformen durch: Er wertete die Währung stark ab und hob die parallelen Wechselkurse auf. Er machte mit der fiskalischen Konsolidierung ernst, indem er sich zum Ziel setzte, bis 2019 ein ausgeglichenes Budget zu erreichen. Er setzte Anpassungen der Preise für die Strom-, Gas- und Wasserlieferungen durch, wodurch das Budget entlastet wird. Die von der Vorgängerregierung eingeführte Exportsteuer schaffte er für die meisten Produkte ab und für andere Produkte senkte er sie. Er stärkte die Unabhängigkeit von Zentralbank und Statistikamt, nachdem diese zuvor jahrelang unter starkem Druck der Regierung gestanden hatten. So kann man den Inflationszahlen mittlerweile wieder trauen. Die neue Führung der Zentralbank straffte die Geldpolitik – sie hob den Leitzins zwischenzeitlich auf 40 % an, was tiefe konjunkturelle Spuren hinterlassen hat.Die neue Regierung hat die Beziehungen mit dem Internationalen Währungsfonds wieder aufgenommen, ein wichtiger Schritt, um internationale Glaubwürdigkeit zurückzuerlangen. Und schließlich erreichte sie eine Einigung mit den “Holdouts” über die Altschulden, um eine Rückkehr Argentinien an die internationalen Kapitalmärkte zu ermöglichen. Notwendige ReformenDie Reformen waren notwendig, um dem wirtschaftlichen Teufelskreis zu entkommen. Allerdings haben sie zunächst auch eine Verschlechterung der Lebensbedingungen für viele Argentinier gebracht. So stieg die Arbeitslosenquote seit Ende 2015 von 5,9 % auf zuletzt 9,2 %. Die Freigabe der Währung und die Subventionskürzungen führten zu einer hohen Belastung der Bevölkerung. Die Erholung nach den harten Reformen ließ zudem länger auf sich warten als von Macri erhofft. Im vergangenen Jahr schrumpfte die Wirtschaft um 2,3 %. Erst im ersten Quartal 2017 kam es zu einem Anstieg der wirtschaftlichen Aktivität um 0,3 % gegenüber dem Vorjahr. Allerdings war die anhaltende Wirtschaftsschwäche nicht nur die Folge der politischen Entscheidungen der Regierung Macri. Die Krise beim wichtigen Handelspartner Brasilien und die schwachen Rohstoffpreise haben zu der Verzögerung der Erholung beigetragen. Elan lässt nachMittlerweile hat der Reformelan nachgelassen, weil die Wahlen bereits ihre Schatten vorausgeworfen haben. Der einsetzende Wahlkampf sorgte für Reformstillstand, der erst nach den Wahlen beendet werden kann – vorausgesetzt die Bevölkerung gibt der Regierung ein stabiles Mandat. Anders als in der Bevölkerung, die Macri ein gemischtes Zeugnis ausstellt, ist die Meinung der Investoren weitgehend positiv, was in einer regen Nachfrage für Argentinien-Anleihen zum Ausdruck kommt – und dies nur ein Jahr nach der Einigung mit den “Holdouts”. Das Land, dessen Bonität von den Ratingagenturen mit einem niedrigen “B”-Rating bewertet wird (Moody’s: “B 3”, S & P und Fitch: “B”), war kürzlich sogar in der Lage, eine hundertjährige Anleihe mit einem Volumen von 2,75 Mrd. Dollar zu emittieren. Das schwache Rating spiegelte sich allerdings in der Rendite wider, die bei Emission knapp 8 % betrug. Trotz dieser hohen Rendite ist es bemerkenswert, dass die Investoren Bereitschaft für ein so langfristiges Engagement zeigen, obwohl der Reformpfad der Regierung noch nicht zementiert ist: ein großer Vertrauensvorschuss.Ob dieser Vertrauensvorschuss gerechtfertigt ist, ist fraglich. Trotz der dramatischen fiskalischen Straffung dürfte das Budgetdefizit nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds in diesem Jahr auf über 6 % des Bruttoinlandsprodukts anschwellen. Die strenge fiskalische Disziplin, die man noch im vergangenen Jahr gesehen hatte, ist in den vergangenen Monaten ebenfalls dem Wahlkampf zum Opfer gefallen. Das hat in erster Linie Auswirkungen auf die fiskalische Position, bleibt aber nicht darauf begrenzt. Problematisch ist dies auch für die Inflationsentwicklung, die mit aktuell 24 % noch weit entfernt vom Inflationsziel für dieses Jahr von zwischen 12 % und 17 % liegt. Wahlen stehen anDie Regierung verfolgt ihre Stabilitätsziele aktuell weniger konsequent, um sich eine bessere Position für die anstehenden Wahlen zu verschaffen. Dieses opportunistische Verhalten wird von Investoren kritisch beäugt. Viele Investoren beklagen, dass die Regierung sich auch hinsichtlich der Emissionstätigkeit opportunistisch verhalten hat und sich nicht an den ursprünglich angekündigten Emissionsplan gehalten hat. Stattdessen hat sie die aktuell günstige Marktlage für eine rege Emissionstätigkeit ausgenutzt. Es ist zwar verständlich, dass das Finanzministerium eine günstige Gelegenheit für die Vorfinanzierung wahrnimmt, vor allem, wenn der Ausblick für die Finanzierung im Hinblick auf eine anstehende globale Straffung aktuell besonders günstig erscheint.Allerdings stellen die Emissionen für die Investoren eine unangekündigte Ausweitung der Schulden dar, die sich negativ auf die Kursentwicklung der bereits zuvor emittierten Anleihen auswirkt. Der Opportunismus der Regierung kann sich für die Anleger auszahlen, wenn Macri dadurch in den Wahlen deutlich gestärkt wird und er sein Reformprogramm dann mit neuem Schwung aufnehmen kann. Zudem würde sich die Emission der hundertjährigen Anleihe als vorteilhaft für das Finanzierungsprofil des Landes erweisen, wenn die globalen Zinsen in den kommenden Monaten deutlich steigen. So oder so: Argentinienanleihen werden auch unter Macri nicht zu einer Anlage, mit der man ruhig schlafen kann.—-*) Mauro Toldo ist Leiter Emerging Markets / Länderrisikoanalyse im Makro-Research der DekaBank.