Sinkenden Zinssätze

Bondanleger haben schon im Bullenmarkt enttäuscht

Die dauerhaft sinkenden Zinssätze haben Anleiheinvestoren in den vergangenen Jahren für zusätzliche Möglichkeiten gesorgt, Rendite zu erwirtschaften. Die Chancen wurden aber oft vertan.

Bondanleger haben schon im Bullenmarkt enttäuscht

Die dauerhaft sinkenden Zinssätze haben Anleiheinvestoren in den vergangenen Jahren ein komfortables Umfeld beschert und für zusätzliche Möglichkeiten gesorgt, Rendite zu erwirtschaften. Die Realität sieht allerdings anders aus. Das zeigen eine aktuelle Studie der US-Marktforscher Dalbar und eine Auswertung von Richard Bernstein Advisors allerdings, dass die Chancen oft vertan wurden. So kaschierte das positive Marktumfeld oft nur die unzureichende Performance im aktiven Management. Diese schmälerte die Rendite innerhalb des gesamten Marktes für festverzinsliche Wertpapiere insgesamt erheblich. Anleiheinvestoren neigen offenbar dazu, hoch zu kaufen und niedrig zu verkaufen – ähnlich wie es Aktienanlegern ja schon lange nachgesagt wird. Die Folge: Praktisch jede Buy-and-Hold-Strategie für Anleihen zeigte eine bessere Performance als der durchschnittliche Einzelanleger in diese Klasse.

Schlechtes Management

In der jährlichen Untersuchung wertet Dalbar Investitionen in Anleihen aus und berechnen die jeweiligen Anlegerrenditen anhand der Veränderung des Gesamtvermögens von Investmentfonds nach Abzug von Verkäufen, Rücknahmen und Um­tausch. So werden sowohl realisierte und nicht realisierte Kapitalgewinne als auch Dividenden, Zinsen, Handelskosten, Verkaufsspesen, Ge­bühren, Aufwendungen und sonstige Kosten erfasst. Richard Bernstein Advisors haben nun die Ergebnisse weiter analysiert und die Renditen „durchschnittlicher Fixed Income Investors“ mit denen verschiedener festverzinslicher Anlageklassen und Unterklassen für die Zeiträume von drei, fünf, zehn und 20 Jahren bis zum 31. Dezember 2021 verglichen.

Wie ernüchternd das Ergebnis ausfällt, zeigt alleine schon der Blick auf den Zeitraum der vergangenen 20 Jahre: Fixed-Income-Investor hätten die Renditen der verglichenen Anlageklassen bereits übertroffen, wenn sie einfach auf lange Laufzeiten und Unternehmensanleihen ge­setzt hätten. Die drei leistungsstärksten Anlageklassen waren 30-jäh­rige Nullkupons, Staatsanleihen von Schwellenländen und US-Hoch­zinsanleihen. Um besser abzuschneiden, als sie es tatsächlich taten, mussten Anleger im Wesentlichen nur eine dieser Anleihenkategorien auswählen und halten. Mit Ausnahme der vergangenen drei Jahre schnitt der „typische“ Dalbar-Anleger in dem Zeitraum sogar schlechter ab als der kurzfristige Schatzwechsel. Und das, obwohl Geldmarktanlagen aufgrund der historisch niedrigen Zinssätze im gleichen Zeitraum deutlich unattraktiv waren. Die Timing-Entscheidungen der Investoren waren sogar so schlecht, dass sie jede Buy-and-Hold-Strategie in jeder festverzinslichen Klassifizierung unterboten. Die Analyse der Renditedaten für die vergangenen drei, fünf und zehn Jahre zeigen ein ganz ähnliches Bild. In jedem dieser Zeiträume erwies sich das aktive Management von Anlegern in festverzinslichen Wertpapieren als er­folg­los. Was bedeutet dieses desaströse Ergebnis für die Anleihestrategien, die schon während der „fetten Jahre“ so schlecht abgeschnitten haben, wenn mit den steigenden Zinsen der Bullenmarkt zu Ende geht?

Die Investoren bei Richard Bernstein Advisors glauben, dass die Märkte gerade erst am Anfang eines proinflationären Paradigmenwechsels stehen, der das Zeug hat, die traditionellen Buy-and-Hold-Strategien komplett in Frage zu stellen. Umso größere Herausforderungen kommen auf aktive Einzelanleger zu, wenn sie in dieser weniger vorteilhaften Periode überhaupt Rendite erwirtschaften wollen. Investoren könnten hier eine Art Revival der 1960er- und 1970er-Jahren erleben. Anders als in den vergangenen Jahrzehnten, in denen sich Anleihen mit hohen Renditen bei relativ geringer Verlustwahrscheinlichkeit auszeichneten, waren in den 1960er- und 1970er-Jahren die Rendite von Anleihen gering bei hoher Wahrscheinlichkeit für Negativrenditen.

Wenn die aktuellen Prognosen Recht behalten und die Wertentwicklung festverzinslicher Anlagen in Zukunft schwieriger wird, weil die anhaltende Disinflation in eine Inflation umschlägt, dann müssen sich festverzinsliche Anlagestrategien spätestens jetzt grundsätzlich ändern. Anleger sind hier stärker als je zuvor gefragt, mehr und vor allem anders zu handeln – und zwar kreativer: Sie müssen sowohl nach einzigartigen Anlageklassen als auch nach Absicherungsstrategien suchen. Taktischer: Sie müssen bereit sein, die Laufzeit und den Credit je nach Zyklus erheblich anzupassen. Aktiver: Passive Buy-and-Hold-Strategien werden im neuen Marktumfeld schlecht abschneiden, wenn sich der langfristige Rückenwind der Disinflation und der fallenden Zinsen umkehrt.

Säkulare Blase

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Buy-and-Hold-Strategien während einer säkularen Baisse nicht gut funktionieren und Fehler – anders als in einem Bullenmarkt – schnell und schonungslos aufgedeckt werden. Dementsprechend machen die aktuellen Entwicklungen der Weltwirtschaft ein grundsätzliches Umdenken bei der Anlage in festverzinsliche Wertpapiere notwendig. Ein wirklich aktives „aktives Management“ wird dabei zur Bedingung, um in dieser Anlageklasse in Zukunft erfolgreich zu sein.

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