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Bonds sind gesucht

Seit einem Monat engt sich bei Siemens der fünfjährige CDS-Spread um 5 Basispunkte (BP) entgegen dem Trend bei den engeren Peer-Unternehmen ein. Bei zehnjährigen Bonds beträgt der Finanzierungskostenvorteil gegenüber ähnlich benoteten Titeln 3 und...

Bonds sind gesucht

Von Volker Stoll*)

Seit einem Monat engt sich bei Siemens der fünfjährige CDS-Spread um 5 Basispunkte (BP) entgegen dem Trend bei den engeren Peer-Unternehmen ein. Bei zehnjährigen Bonds beträgt der Finanzierungskostenvorteil gegenüber ähnlich benoteten Titeln 3 und bei 15 Jahren 5 BP. Die etwas geringere Rendite im Vergleich zu z.B. Schneider Electric dürfte aber durch eine höhere Ertragsqualität aufgewogen werden. Die Emittentenkurve ist bei Siemens bis zum Jahr 15 deutlich linearer als bei anderen Indus­trietiteln. Wir führen dies auf die Abwesenheit von Strukturrisiken im Portfolio zurück, wodurch die Kurve stetiger wird. Im Rahmen der Ausrichtung des Produktportfolios durch Joe Kaeser sanken die bei Siemens verbliebenen Strukturrisiken bei einem zugleich besseren Wachstums- und Margenprofil. Seit einem Monat plant CEO Roland Busch mit einem ein bis zwei Prozentpunkte höheren Umsatzwachstum und in zwei von drei Divisionen mit einer um einen Prozentpunkt höheren Marge als bisher. Zusätzliche digitale Umsätze sollen die Ertragsqualität verbessern.

Die schon seit längerem sich bessernde Ertragsqualität reflektiert sich auch im nach der Coronakrise schnell normalisierten CDS-Pricing. Nach dem in der jüngeren Historie größten Sprung des CDS-Kurses im Rahmen der beginnenden Covid-19-Krise am 9. März 2020 um 15 BP und der Markierung eines Hochpunkts bei rund 70 BP kehrte der CDS bereits im dritten Quartal 2020 in die seit 2017 verzeichnete übergeordnete Seitwärtsbandbreite zurück und signalisierte damit Normalität. Selbst die Ankündigung der historisch größten Akquisition im Siemens-Verbund am 2. August, des Kaufs von Varian durch die voll konsolidierte Konzerntochter Siemens Healthineers, für 16,2 Mrd. Dollar störte nicht. Die Kauffinanzierung wurde durch die Neuemission von Aktien der Tochtergesellschaft für 5 Mrd. Euro und durch eine Multi-Tranche-Bond-Emission für 10 Mrd. Dollar durch die Muttergesellschaft Siemens am 11. März 2021 abgesichert. Die Anleihen haben eine Laufzeit von zwei bis 20 Jahren sind überwiegend festverzinslich. Die Finanzierungskosten lagen bei 2,89% für 20 Jahre, für die kurzlaufenden zweijährigen Bonds bei 0,4%. Die Finanzierung der Akquisition der Tochtergesellschaft Siemens Healthineers über den Finanzierungsarm der Mutter ist durch die bessere Platzierungskraft und Bonität der Muttergesellschaft zu begründen. Moody’s benotet die Münchner mit einem „A1“ bei einem derzeit negativen Ausblick. Der negative Ausblick ist durch höhere Verschuldungsrelationen im Rahmen der Großakquisition begründet. Die Tochter Siemens Healthi­neers verfügt über kein Rating.

Bei den ESG-Ratings belegt Siemens die vorderen Plätze. Im Rahmen der im Juni verkündeten neuen Strategie werden ESG-Ziele nun auch bei Akquisitionen und den Anreizsystemen des Managements verstärkt berücksichtigt. Viele Produkte eignen sich zudem auch zur Optimierung des ökologischen Profils der Kunden. Die CO2-Emissionen sind im Branchenvergleich niedrig und zugleich bezüglich der absoluten Höhe als unkritisch einzustufen. Daher ist auch künftig im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte mit Rückenwind zu rechnen.

Wer bei Siemens eine positive Rendite will, muss in langlaufende Bonds investieren. Allerdings re­agieren z.B. die 2039er Bonds gerade wegen der langen Laufzeit mit Volatilität auf ein verändertes Konjunktur- und Zinsumfeld. Der im Februar 2019 emittierte Bond wies bislang eine Kursspanne von 95 bis 125 auf. Dies bedeutet somit Einstiegschancen, aber auch potenzielle Kursverluste. Dennoch sind die Bonds stark gefragt. Nach dem Höhepunkt der Coronakrise Anfang April 2020 konnten sich vor allem die langlaufenden 2039er Bond-Spreads überproportional zu den fünf- bis zehnjährigen einengen. Wir führen dies auch auf die verbesserte langfristige Zuversicht für das Industriegeschäft und die Medizintechnik zurück. Die aktuellen Spreads der 2039er Bonds liegen bei 34 BP, mit einem Tiefstniveau von 33 BP im Februar 2021. Die höchsten Spreads wurden mit 169 BP am 18. März 2020 verzeichnet. Die Euro-Anleihen von Siemens finden sich auch auf der Ankaufliste der EZB für das CSPP-Programm. Die Bonds von Siemens weisen das höchste Sektorgewicht des iBoxx Industrial auf und sind daher in vielen Portfolien vertreten.

Relativ zu qualitativ ähnlichen Bonds mit sieben Jahren Restlaufzeit in unserem Industrieuniversum sind die neue, theoretisch volatilitätsarme Strategie und die auch unter langfristigen Aspekten überzeugende Ertragsentwicklung von Siemens noch nicht ganz angekommen. Bei zwei Bonds von Vergleichsunternehmen messen wir immer noch eine etwas niedrigere Volatilität. Unsere Berechnungen beziehen sich dabei auf den Zeitraum ab der Abspaltung der ertragsvolatilen Siemens Energy. Insofern reflektieren sich die neuen Stabilisierungsziele des Managements noch nicht vollständig in der effektiven Bondvolatilität.

Nur ein knapper Pick-up

Vor der Anleihegroßemission im März 2021 emittierten die Münchner am 6. Mai 2020 während der Spätphase der ersten Covid-19-Welle zur Absicherung der Liquidität bei einer eventuellen Verschärfung der Krise drei Bonds mit einem Gesamtvolumen von 3,5 Mrd. Euro. Die ungewöhnlich kurze Laufzeit mit zwei bis sechs Jahren unterstreicht den reinen Absicherungscharakter dieser Aktion. Zum Vergleich: Die marktvolumengewichtete Duration aller Bonds dieses Hauses beträgt im Vergleich mit Industriewerten klar überdurchschnittliche 6,6 Jahre. Die Corona-Risikoprämie der im Mai 2020 emittierten Anleihen beziffern wir auf 37 BP. Der Pick-up ist relativ zu den bestehenden Bonds und zu Peers aber tendenziell knapp dimensioniert.

Die Fremdkapitalfinanzierung stieg im Rahmen der Vorbereitung der Finanzierung des Zukaufs von Varian zum 31. März auf 52,1 von 44,6 Mrd. Euro Ende des Geschäftsjahres am 31. September 2020. Ein großer Teil des Fremdkapitals steht Siemens Financial Services für Finanzdienstleistungen zur Verfügung. Die industrielle Nettoverschuldung betrug Ende März 4,9 Mrd. Euro bei einer moderaten Verschuldungsquote Net Debt/Ebitda von 0,6x. Im Rahmen des Mittelabflusses für den Zukauf von Varian dürfte die Verschuldung Ende 2021 auf etwa 2x steigen und anschließend wieder im Rahmen der operativen Entschuldung deutlich fallen.

Seit 2012 notieren die Euro-Bonds mit wenigen Ausnahmen zwischen der Marktkurve „A+“ und „AA“. Lediglich der seit kurzem emittierte 2039er Bond notiert „etwas günstiger“ im Bereich „A+“ und bietet zudem laufzeitbedingt eine positive Rendite. Grundsätzlich sind die Bonds wegen der EZB-Fähigkeit und der Präsenz in diversen Benchmarks gesucht. Das zukunftsfähige Portfolio von Siemens bietet auch eine längerfristig Wachstumsperspektive und eine hohe Ertragsqualität bei zugleich weiter sinkender Volatilität. Davon sollten auch die Bonds profitieren. Für Investoren könnte ein Blick auf die langlaufenden Bonds lohnend sein. Signifikante Neuemissionsvolumina könnten Anfang 2022 erwartet werden, wenn die Verschuldungsrelationen wieder sinken und neue Akquisitionen bilanziell vertretbar werden.

*) Volker Stoll ist Senior Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg.