InterviewHauke Siemßen, Commerzbank

„Bundesanleihen sind im Überfluss vorhanden“

Der Bund-Swap-Spread hat sich umgekehrt, und Hauke Siemßen, Zinsstratege bei der Commerzbank, geht davon aus, dass es nicht zu einer schnellen Normalisierung kommt.

„Bundesanleihen sind im Überfluss vorhanden“

Herr Siemßen, der Bund-Swap-Spread hat sich umgekehrt, erstmals seit über 20 Jahren. Was drückt sich im Bund-Swap-Spread im Normalfall aus?

Es handelt sich um einen Spread zwischen Bundrenditen und einem Zinsswap. Ein Zins-Swap ist ein Tauschgeschäft, bei dem ein langfristiger Zins – der sogenannte Swap-Satz - gegen einen kurzfristigen Zins - typischerweise den Sechsmonats-Euribor - über eine vorher definierte Laufzeit hinweg getauscht wird. Der Swap-Satz lässt sich also als Schätzwert für die Entwicklung z.B. des Sechsmonats-Euribor über die jeweilige Laufzeit interpretieren. Er beschreibt das generelle Zinsniveau. Der Bund-Swap-Spread beschreibt nun den Unterschied zwischen der Rendite einer Bundesanleihe und dem Swap-Satz - gegen Sechsmonats-Euribor - mit derselben Laufzeit. Er sagt also etwas über die Höhe der Bundrenditen relativ zum generellen Zinsniveau – dem Swap Satz - aus. In der Differenz zum generellen Zinsniveau spiegeln sich somit auch Bonitäts- und Knappheitsaspekte wider.

Wie handelt der Bund-Swap-Spread normalerweise und warum? Und wie lange hat er in der Vergangenheit nun so gehandelt?

Durch die makellose Kreditqualität des Bundes und die relative Knappheit von Bundesanleihen handelten deren Renditen historisch gesehen immer unterhalb des laufzeitkongruenten Swap-Satzes. Hierbei ist zu beachten, dass der Bund-Swap-Spread per Definition immer mit einem positiven Vorzeichen versehen war. Daraus leitet sich folgende Interpretation ab: Die Investoren waren historisch gesehen immer bereit, einen höheren Preis, sprich eine niedrigere Rendite für Bundesanleihen zu akzeptieren. Diese Präferenz für Bundesanleihen ließ sich historisch gesehen gut mit der Kreditqualität des Bundes, der Knappheit von Bundesanleihen und dem Benchmark-Status von Bundesanleihen und der damit einhergehenden Liquidität begründen.

Warum kam es dann zur Umkehr des Bund-Swap-Spread?

Der Bund-Swap-Spread hat sich seit Ende 2022 immer mehr eingeengt, d.h. die Bundrenditen stiegen im Vergleich zu den Swap-Sätzen schneller an. Strukturell sehen wir zwei große Treiber dieses Trends. Zum einen begibt der Bund seit der Covid-Krise deutlich höhere Anleihevolumina als noch zu Zeiten der „schwarzen Null“. So belaufen sich die Emissionen von Bundesanleihen in diesem Jahr voraussichtlich auf über 260 Mrd. Euro, im Jahr 2019 waren es nur rund 160 Mrd. Euro. Dieses zusätzliche Angebot sorgt für tendenziell steigende Renditen bei Bundesanleihen, hat aber auf die Swap-Sätze keinen Einfluss. Zum anderen hat die EZB ihre Kaufprogramme bereits seit geraumer Zeit eingestellt. Sie kauft also keine neuen Staatsanleihen mehr und reinvestiert auch das Geld aus fällig werdenden Anleihen nicht mehr. Die bei den Notenbanken fällig werdenden Staatsanleihen werden aber vom Staat in der Regel neu refinanziert, und das Geld muss nun von privaten Investoren aufgebracht werden. Das vom Privatsektor zu absorbierende Nettoangebot steigt also zusätzlich. Besonders markant war die Marktbewegung im November vorigen Jahres, als der zehnjährige Bund-Swap-Spread negativ wurde, die Bundrendite also erstmals seit Beginn der Währungsunion über den Swap-Satz anstieg.

Welche Erwartung bzw. Positionierung der Marktteilnehmer steht hinter dem nun negativen Bund-Swap-Spread?

Eine Investition in Bundesanleihen ist natürlich nach wie vor sicherer als eine Position in einem Swap, bei dem trotz Collateral-Anforderungen immer noch ein geringes Counterparty-Risiko bestehen bleibt. Vielmehr spiegelt der negative Bund-Swap-Spread die Angebotsdynamik bei Bundesanleihen wider. So müssen am Markt jeden Monat neue Investoren gefunden werden, die netto Bundesanleihen kaufen, wodurch das sich frei im Umlauf befindliche Volumen steigt. Dieser Angebotsdruck steckt hinter dem negativen Bund-Swap-Spread.

Drückt sich darin auch die Sorge vor einer abnehmenden Platzierbarkeit von Bundesanleihen aus?

Nein. Es gibt nach wie vor genug Nachfrage nach Bundesanleihen, die Frage ist nur zu welchem Preis, oder vielmehr zu welchem Swap-Spread. Der Bund dürfte auch in der Zukunft keine Probleme haben, die angestrebten Anleihevolumina zu platzieren.

Lässt sich aus dem negativen Bund-Swap-Spread die Gefahr von Kreditwürdigkeitsverschlechterungen für den Bund ableiten?

Die Kreditwürdigkeit des Bundes bleibt die unangefochten Beste unter den Emittenten im Euroraum. Selbst die jüngst beschlossenen Verfassungsänderungen bezüglich des Sondervermögens Infrastruktur und der Ausnahmeregelung für Verteidigungsausgaben bei der Schuldenbremse stellen die Zahlungsfähigkeit des Bundes nicht infrage. Der relevante Punkt ist die Angebotsdynamik bei Bundesanleihen, denn durch steigende Staatsanleiheemissionen dürften die Bund-Swap-Spreads noch negativer werden.

Sie haben das Ende der Bond-Kaufprogramme der EZB bereits angesprochen. Welchen Stellenwert hat der Rückzug der EZB aus den Bondkäufen für den Bund-Swap-Spread?

Die EZB spielt hier eine zentrale Rolle. Seit sie Bundesanleihen nicht mehr im großen Stil kauft, müssen private Anleiheinvestoren das gesamte Angebotsvolumen an Bundesanleihen absorbieren. In der Folge sind Bundesanleihen seit geraumer Zeit kein knappes Gut mehr, sondern im Überfluss vorhanden. Das hat zur Umkehrung des Bund-Swap-Spread klar beigetragen.

Ist die Umkehrung des Swap-Spread auch in anderen Ländern bzw. bei anderen Emittenten - zum Beispiel auch bei der EU und dem ESM - ablesbar?

Ja. Auch in anderen Ländern sind die Renditen weiter über die jeweiligen Swap-Sätze gestiegen. Da Bundesanleihen die sicherste Anlageklasse im Euroraum bleiben, muss jeder andere Emittent einen Renditeaufschlag im Vergleich zu Bundrenditen bezahlen. Steigen nun die Bundrenditen im Vergleich zum Swap, werden auch die Renditen anderer Emittenten steigen, selbst wenn sich ihr Risikoprofil nicht geändert hat. Die Renditen anderer staatsnaher Emittenten oder Supras handeln insbesondere in längeren Laufzeiten schon länger über der Swapkurve.

Rechnen Sie mit einer Normalisierung des Bund-Swap-Spread in diesem Jahr, und was sind die Gründe, die dafür oder dagegen sprechen?

Wir rechnen nicht mit einer schnellen Umkehr. Mittelfristig dürften die Bundrenditen in längeren Laufzeiten noch deutlicher über die Swapsätze steigen. Denn die Angebotsdynamik ist klar: Der Bund wird in den kommenden Jahren deutlich mehr emittieren müssen, nicht zuletzt, um das Sondervermögen Infrastruktur und die steigenden Verteidigungsausgaben zu finanzieren. In kürzeren Laufzeiten sind die Bund-Swap-Spreads zuletzt wieder gestiegen und könnten in den kommenden Wochen sogar weiter steigen. Denn durch die US-Zölle ist die Unsicherheit gestiegen und Bundesanleihen in kurzen und mittleren Laufzeiten waren als sichere - und liquide - Häfen stärker gefragt. Darüber hinaus nehmen Spekulationen zu, dass asiatische Zentralbanken Investitionen in US-Treasuries stärker reduzieren, um Bundesanleihen zu kaufen.

Im Interview: Hauke Siemssen

„Bundesanleihen sind im Überfluss vorhanden“

Zinsexperte der Commerzbank über Umkehrung des Bund-Swap-Spread, fehlende Käufe der EZB, die Kreditwürdigkeit des Bundes und etwaige Bund-Käufe aus Asien

Der Bund-Swap-Spread hat sich umgekehrt. Hauke Siemßen, Zinsexperte der Commerzbank, erläutert im Interview der Börsen-Zeitung die Gründe hierfür. Bundesanleihen sind derzeit am Markt in großem Umfang vorhanden. Es fehlen die Käufe der Europäischen Zentralbank. Asiatische Adressen könnten von US-Treasuries zu Bundesanleihen switchen.

Das Interview führte Kai Johannsen.

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