Im Interview:Marton Szigeti von Clearstream und Frank Gast von Eurex Repo

„Cash ist wieder King“

Treasurer müssen ihr Liquiditätsmanagement optimieren, HQLA wie europäische Staatsanleihen sind entscheidend. Cash ist wieder King.

„Cash ist wieder King“

Herr Szigeti und Herr Gast, die geopolitischen Spannungen nehmen nicht ab. Wie macht sich das am Markt für Sicherheiten, also Collateral, bemerkbar?

Szigeti: Treasurer müssen ihr Liquiditätsmanagement mehr denn je auf dem neuesten Stand halten. Hier sind hochwertige liquide Vermögenswerte – also kurz HQLA wie etwa europäische Staatsanleihen – besonders wichtig. Diese können als Collateral hinterlegt oder unter angespannten Marktbedingungen leicht in Cash umgewandelt werden. Die Opportunitätskosten dieser Sicherheiten zu verstehen und den Ertrag zu maximieren sind hier der Schlüssel zum Erfolg. Das wurde jetzt auch auf dem Global Funding and Financing Summit der Deutschen Börse in Luxemburg ausführlich diskutiert.

Wie hat sich Collateral in den vergangenen Jahren entwickelt, quantitativ und auch in qualitativer Hinsicht? Mit welcher weiteren Entwicklung rechnen Sie?

Gast: Cash war länger nicht mehr King, da die EZB den Markt seit 2016 durch Ankaufprogramme und langfristige Refinanzierungsgeschäfte mit reichlich Liquidität versorgte. Das Eurosystem war der wichtigste strukturelle Käufer von europäischen Staatsanleihen, was den Streubesitz drastisch reduzierte. Vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie, des Krieges in der Ukraine und der Handelsspannungen mit den USA führte dies zu einer längeren Phase der Collateral-Knappheit. Heute befinden wir uns in einem Umfeld, in dem Cash wieder King ist. Da die EZB ihre Rolle als strukturelle Käuferin europäischer Staatsanleihen aufgegeben hat, hat sich das Umfeld von einer Collateral-Knappheit zu einem Überfluss gewandelt, da die Emission europäischer Staatsanleihen weiterhin auf einem sehr hohen Niveau gehalten wird. Wir gehen davon aus, dass dieses Umfeld mittelfristig anhalten wird, da es keine Anzeichen für einen Rückgang der Emission europäischer Staatsanleihen gibt.

Wie hat sich speziell der Repo-Markt, also das Segment für Wertpapierpensionsgeschäfte, in dem zunehmend volatileren Marktumfeld behaupten können, und welche Perspektiven haben Sie hier für dieses Jahr?

Gast: Der europäische Repo-Markt hat sich bemerkenswert gut an die dynamische geldpolitische Landschaft angepasst. Die Überschussliquidität in der Eurozone ist seit dem Höchststand von 4,7 Bill. Euro im vierten Quartal 2022 um fast 40% zurückgegangen. Das geldgetriebene Finanzierungssegment, wie der Eurex GC Pooling-Markt und die von Clearstream und anderen Depotbanken angebotenen Triparty-Repo-Produkte, hat das Finanzsystem entschieden unterstützt, sich an die geänderten Bedingungen anzupassen. Ungeachtet dessen kann das optimale Niveau der erforderlichen Mindestreserve nach wie vor schwer ermittelt werden. Deshalb stellt die EZB sogenannte Liquiditätsfazilitäten bereit, um Marktstörungen zu minimieren. Diese Angebote ergänzen die privaten Repo-Märkte kurz- bis mittelfristig.

Gegen Ende des vorigen Jahres ist der Bund-Swap-Spread negativ geworden. Welche Auswirkung zeigt das auf Collateral und auf die Wertpapierleihe?

Szigeti: Der geringere Bund-Swap-Spread im Jahr 2024 spiegelt den Wechsel von Collateral-Knappheit zu Überfluss wider, wodurch sich die Prämie für den sicheren Bund-Vermögenswert verringert hat und der Rückzug des Eurosystems als struktureller Käufer den Streubesitz auf ein neues Niveau erhöht hat. Dieser Trend war bei Staatsanleihen der gesamten Eurozone zu bemerken, mit Ausnahme von Frankreich. Der wertpapiergestützte Repo- und Wertpapierleihemarkt dient in diesem Zusammenhang der Bewertungsanzeige von Spreads. Diese ändert sich jedoch schnell, da sich der Markt ohne alternative strukturelle Käufer der Kurve anpasst.

Welche Auswirkungen zeigen die höheren Leitzinsen und Bondrenditen auf Cash und Collateral?

Gast: Die Leitzinsen der Zentralbanken sind das wichtigste Instrument der Preisstabilität. Repo-Märkte werden jedoch stärker von der Entwicklung der Leitzinsen beeinflusst als von deren absoluten Niveaus. Darüber hinaus werden Repo-Märkte stark von breiteren geldpolitischen Instrumenten beeinflusst, die der EZB zur Verfügung stehen, wie Liquiditätsangebote und Anleihekaufprogramme, die sich auf die Höhe der Überschussliquidität und den Streubesitz der europäischen Staatsschulden auswirken.

Wie wirkt es sich am Markt aus, dass die EZB und andere Notenbanken das Quantitative Easing beendet haben und damit als Käufer am Anleihemarkt ausfallen?

Gast: Es gab große Unsicherheit und viele Risiken am Markt. Erstens können viele Zentralbanken nach Jahren des Quantitative Easing – kurz QE – nicht abschätzen, wie hoch die Reserven sein müssen, damit das Bankensystem störungsfrei funktionieren kann. Deshalb nutzen viele nun einen Handlungsrahmen, der genug Reserven sicherstellt, was die Rolle der privaten Repo-Märkte bei der Verlagerung von Reserven im Finanzsystem einschränkt. Zweitens müssen die privaten Märkte alternative langfristige strukturelle Käufer finden. Bisweilen sind Hedgefonds eingesprungen, aber dies wird sich auf längere Sicht nicht halten lassen.

Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz – KI – im Markt für Collateral, Wertpapierleihe und Repos?

Szigeti: In den vergangenen zehn Jahren hat sich Collateral Management von einer Back-Office-Funktion zu einer Front-Office-Priorität entwickelt. Unternehmen investieren erheblich in Technologie, um ihren gehaltenen Bestand optimal zu nutzen. Dabei unterstützen Clearstream und Eurex den Markt mit AI-Anwendungen, um zum Beispiel vorauszusagen, ob eine Transaktion erfolgreich sein wird oder mehr Collateral benötigt wird. Neue Technologien werden in Zukunft eine immer größere Rolle am Markt spielen.

IM INTERVIEW: MARTON SZIGETI UND FRANK GAST

„Cash ist wieder King“

Heads von Clearstream und Eurex Repo über Herausforderungen der Märkte für Sicherheiten – Überschussliquidität geht deutlich zurück

Die EZB hat ihre Rolle als strukturelle Käuferin europäischer Staatsanleihen aufgegeben, damit hat sich das Umfeld von einer Sicherheiten-Knappheit zu einem Überfluss gewandelt. Worauf sich Marktteilnehmer wie Treasurer im derzeitigen Umfeld einstellen müssen, erläutern Marton Szigeti, Head of Collateral, Lending und Liquidity Solutions bei Clear­stream, und Frank Gast, Global Head of Repo Sales bei Eurex, im Interview der Börsen-Zeitung.

Das Interview führte Kai Johannsen.