IM INTERVIEW: THORSTEN BECKER, J.O. HAMBRO

Chancen bei amerikanischen Nebenwerten gesehen

Fondsmanager rechnet mit besserer Performance als bei den Large Caps - Positives Konjunkturumfeld stützt US-Aktienmarkt

Chancen bei amerikanischen Nebenwerten gesehen

US-Nebenwerte bieten nach Ansicht von Thorsten Becker, Fondsmanager bei J.O. Hambro, besondere Chancen. Im Interview erläutert er, warum diese Titel besonders interessant sind und wie das Makro-Umfeld für den US-Aktienmarkt aussieht.- Herr Becker, der amerikanische Aktienmarkt läuft nach wie vor von Rekord zu Rekord. Wie lange wird das noch so weitergehen?Dieselbe Frage wurde am Markt bereits vor einem Jahr diskutiert. Wir befinden uns nunmehr im siebten Jahr nach dem Ende der Rezession, inmitten eines “Goldilocks”-Szenarios – also eine Konjunktur, die nicht zu heiß läuft, aber auch nicht zu kalt ist. Der Aufschwung ist derzeit nicht zu schnell, aber auch nicht zu langsam. Die Konjunkturdaten in den USA sehen aktuell nicht schlecht aus – trotz der beiden Wirbelstürme im Süden der USA, die zu einer gewissen Verlangsamung des Wirtschaftswachstums geführt haben. Ohne diese Belastungen wäre also noch mehr drin gewesen. Der Markt ignoriert zudem, dass Trump in seinem ersten Jahr als Präsident nicht allzu viel erreicht hat. Die amerikanische Notenbank Federal Reserve hat obendrein erfolgreich dem Markt signalisiert, dass zwar die Normalisierung der Geldpolitik kommt, aber in kleinen Schritten.- Was sind Ihre Erwartungen hinsichtlich der Geldpolitik der Fed und was bedeutet das für den US-Aktienmarkt?Die Ernennung von Mr. Powell zum neuen Fed-Vorsitzenden signalisiert Kontinuität hinsichtlich der US-Geldpolitik. Powell hat die Geldmarkpolitik unter Yellen unterstützt und fast immer mit ihr gestimmt. Wir erwarten eine weitere Zinserhöhung von 0,25 Prozentpunkten im Dezember. Für 2018 erwartet der Markt circa zwei weitere Erhöhungen. Wir sind der Meinung, dass quasi Vollbeschäftigung und erste Anzeichen von stärkeren Lohnsteigerungen dazu führen könnten, dass mehr Zinserhöhungen als erwartet nötig werden. Solange die Fed proaktiv agiert und die “Goldilocks-Phase” weiter anhält, ist das für den Aktienmarkt sehr vorteilhaft.- Ist das neben der von Trump mittlerweile praktisch unter Dach und Fach gebrachten Steuerreform ebenfalls avisierte Infrastrukturprogramm mittlerweile passé?Das glaube ich nicht, weil selbst der politische Gegner, also die Demokraten, davon überzeugt ist, dass ein solches Programm gebraucht wird. Die Frage ist nur, wie ein solches Programm finanziert wird. Möglich wären beispielsweise Private Public Partnerships, wie es sie auch in vielen anderen Ländern gibt. Wir glauben, dass ein Infrastrukturprogramm möglich ist, sobald die Steuerreform geglückt ist.- Das Umfeld ist für den Markt also nach wie vor gar nicht so schlecht. Es bleibt aber das Problem mit den Bewertungen. Sind diese nicht im Vergleich zu Märkten in anderen Weltregionen zu hoch?Es ist stets unsere Argumentation gewesen, dass am US-Markt höhere Bewertungen gerechtfertigt sind, weil es mehr innovative Unternehmen gibt. In Europa gibt es hingegen mehr kapitalintensive Unternehmen. Und gerade wenn man sich die kleineren und mittleren US-Firmen aus dem Russell 2 500 ansieht, so ergeben sich dort wesentlich bessere Aussichten für Ergebnisanstiege als in anderen Teilen der Welt. So wird von den Analysten für 2018 immer noch ein durchschnittlicher Anstieg des Ergebnisses je Aktie von mehr als 20 % für möglich gehalten. Damit erscheint dann auch ein Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der Schätzungen für das kommende Jahr von 20 nicht als überzogen. Viele andere Märkte kommen auf niedrigere Bewertungen, bieten aber auch ein niedrigeres Ergebniswachstum der Unternehmen.- Auch große US-Konzerne weisen ja ganz ansprechende Wachstumsraten auf. Warum sollten sich Investoren aus Europa mit kleineren US-Unternehmen abgeben?Es hat sich gezeigt, dass die kleineren Unternehmen langfristig die deutlich bessere Entwicklung aufweisen. So hat sich der Russell 2 500 über zehn und über 20 Jahre deutlich besser geschlagen als der S & P 500 – was an der höheren Innovationskraft kleinerer US-Unternehmen liegt. Das ist ein breit über alle Branchen angelegter Trend, denn im Gegensatz zu den großen Konzernen der Indizes aus der ersten Reihe machen die größten Firmen innerhalb des Russell 2 500 maximal 0,3 % der Indexkapitalisierung aus. Es gibt zudem nicht nur die eine oder die Handvoll Branchen, die dominierend sind.- Damit müssen institutionelle Investoren wie Fondsgesellschaften aber eine sehr große Bandbreite von Unternehmen abdecken.Das bringt aber auch Chancen mit sich, weil der Markt hinsichtlich der Nebenwerte nicht so effizient ist wie bei den Large Caps. Außerdem wurde an Wall Street viel Research-Kapazität abgebaut. Es ist bei den Nebenwerten einfacher, unterbewertete Unternehmen mit guten Wachstumsaussichten zu finden.- Wie sieht Ihr Investmentansatz aus?Meine beiden Teamkollegen und ich sind als Stock Picker ausgebildet worden. Wir bemühen uns, die Firmen zu verstehen, ihre Produkte, die Konkurrenzsituation und das Marktumfeld. Wir konzentrieren uns weniger auf bestimmte Branchen, weil dann die Gefahr besteht, dass man im Grunde auf Basis von Konjunkturprognosen investiert. Das ist langfristig praktisch nicht erfolgversprechend. Es ist sinnvoller, sich die einzelnen Unternehmen anzusehen. Der vom Marktumfeld abhängige Teil des Portfolios sollte daher sehr klein sein. In unserem Portfolio sind etwa 85 % des Risikos aktienspezifisch. Makrofaktoren machen hingegen nur etwa 15 % aus. Unserer Erfahrung nach erhöht das die Reproduzierbarkeit der Performance des Portfolios.- Worauf achten Sie bei den Unternehmen im Besonderen?Wir bevorzugen Unternehmen, die wir als langfristige Gewinner in ihrer Branche ansehen. Dazu bedarf es eines guten Managements, eines niedrigen Verschuldungsgrades und einer Spezialisierung des Unternehmens innerhalb seiner Branche. Ein Beispiel dafür ist die First Republic Bank, eine Privatbank, die sich auf vermögende Privatpersonen und “High Potentials” konzentriert, vor allem in Küstenregionen. Zu ihren Kunden zählen beispielsweise Mitarbeiter von Google und Apple. Diesen Kunden bietet die Bank einen außergewöhnlich guten Service, was in einem hohen Wachstum resultiert.- Was sind Ihre Zielwerte hinsichtlich der Marktkapitalisierung der Investitionsobjekte?Wir bevorzugen die etwas größeren Unternehmen. Bei den Micro Caps ist die Quote der Unternehmen, die es dann letztlich doch nicht schafft, einfach zu groß. Wir bevorzugen eher Unternehmen von 2 bis 10 Mrd. Marktkapitalisierung, die bereits schon einmal einen Konjunkturzyklus überstanden haben und die auch bereits von einem professionellen Management geführt werden. Diese Unternehmen sind dann auch oft als Ziele für Mergers & Acquisitions interessanter, wovon Aktionäre profitieren.- Wo ziehen Sie die Untergrenze?Grundsätzlich sind Unternehmen von weniger als 1 Mrd. Dollar Marktkapitalisierung zu klein für uns. Das hat auch mit der Liquidität der jeweiligen Aktien zu tun. Vereinzelt investieren wir aber auch in Unternehmen unterhalb dieser Grenze. Im Durchschnitt weisen die Unternehmen, in die wir investieren, eine Marktkapitalisierung von etwa 7 Mrd. Dollar auf – was in den USA durchaus noch als Small Cap gilt.- Wann steigen Sie aus den Unternehmen aus?Angenehm ist der Fall, wenn das von uns gesetzte Kursziel erreicht ist. Der andere Fall ist meistens dann gegeben, wenn unsere These für die Unternehmensentwicklung, auf der wir unser Investment basieren, nicht mehr gegeben ist.- Wie viele Werte umfasst Ihr Portfolio?Üblicherweise enthält der Fonds zwischen 45 und 60 Wertpapiere. Wir gehen in einzelne Werte meist mit 1 % bis 5 % des Volumens unseres Portfolios. Zudem streben wir eine Diversifizierung hinsichtlich der im Portfolio vertretenen Branchen an.- Schließen Sie aufgrund von makroökonomischen Überlegungen einzelne Branchen aus?Derzeit sind wir gegenüber Stromversorgern sehr negativ eingestellt. Das hat viel mit der Marktsituation zu tun, wie wir sie auch in Europa sehen. Zwar sind diese Titel bei Privatanlegern wegen der hohen Dividendenrenditen beliebt. Für uns liegt das Problem darin, dass Stromversorger in den USA mit Kurs-Gewinn-Verhältnissen (KGV) von 20 bis 25 notieren – bei einem Gewinnwachstum von in der Gruppe nur rund 2 %. Die Branche ist zudem hochreguliert, wobei es in dieser Hinsicht einige Risiken für die Unternehmen gibt, die zu Investitionserfordernissen im Bereich der Energieerzeugung und Verteilung führen können. Es ist fraglich, ob die Unternehmen die Investitionen in ihre Preisgestaltung mit einbeziehen dürfen. Zudem sind diese Unternehmen in einem hohen Maß vom Zinsniveau abhängig. Mit steigenden Zinsen dürften die hohen KGVs zurückgehen.- Welche Branche erachten Sie derzeit als attraktiv?Es gibt einige Themen, die wir aus Investorensicht für interessant halten. So gibt es aktuell weltweit starke Investitionen im Bereich der Cyber Security – unter anderem wegen des gigantischen Datendiebstahls bei Equifax. Wir haben beispielsweise in die E-Mail-Security-Firma Rapid 7 investiert, die auch führend ist bei heuristischen Nutzeranalysen von Computersystemen. Uns gefällt auch der Bereich der Wohnimmobilien, obwohl viele Investoren dort wegen der Erfahrungen aus der Finanzkrise noch sehr zurückhaltend sind. Wir haben beispielsweise in ein Unternehmen namens First American investiert, das sich auf einen kleinen Spezialbereich, nämlich die sogenannten Titel Insurances, spezialisiert hat. Das Geschäft ist stark IT-lastig und weist hohe Markteintrittsbarrieren auf.- Ist auch der Bereich Defense interessant?Ja, das fanden wir übrigens bereits vor der US-Präsidentschaftswahl, weil das unabhängig davon galt, wer die Wahl gewinnen würde. Sowohl Republikaner als auch Demokraten neigen dazu, die Verteidigungsausgaben weiter zu erhöhen. Damit stellt sich aber die Frage, wie man das am besten in Investments umsetzt. Grundsätzlich sind wir für den Bereich aber sehr positiv eingestellt.—-Das Interview führte Dieter Kuckelkorn.