China-Anleger kriegen kalte Füße

Intervention der Börsenaufsicht bei Lebensversicherern und Taiwan-Geplänkel belasten den Markt

China-Anleger kriegen kalte Füße

An Chinas Börsen macht sich verstärkte Risikoaversion breit. Ein ganzer Cocktail von belastenden Faktoren hat sich am Montag entladen und den Märkten den schwersten Dämpfer seit Jahresmitte verpasst. Die von spekulativeren Wachstumswerten gekennzeichnete Börse in Shenzhen erwischt es dabei am stärksten.Von Norbert Hellmann, SchanghaiFür Chinas Aktienmarkt gibt es erneut ein böses Erwachen zum Wochenauftakt. Wie schon am vergangenen Montag erlitten die Märkte in Schanghai und Shenzhen einen schweren Dämpfer, nachdem sich eine Reihe von Sorgenfaktoren entladen hatten. Dabei rutschte der Leitindex Shanghai Composite um 2,5 % auf 3 153 Punkte ab, während das Blue-Chip-Barometer CSI 300 um 2,4 % auf 3 409 Zähler fiel. Für beide Indizes stellt dies die kräftigste Tageskorrektur seit Junimitte dar.Besonders empfindlich reagieren die Anleger auf eine erneute Intervention der chinesischen Wertpapieraufsichtsbehörde, die nun gegen spekulative Aktienengagements von zuletzt immer aggressiver auftretenden chinesischen Lebensversicherern und daran gekoppelten Leverage Buy-outs entschlossener vorgeht. Dabei trifft es insbesondere Engagements an der Börse Shenzhen. Dort sah man am Montag den Shenzhen Component Index mit 4,5 % in die Knie gehen. Trump ärgert schon wiederZusätzliche Verunsicherung bringen neue Äußerungen des US-Präsidentschaftsanwärters Donald Trump, der die sogenannte Ein-China-Politik und damit den Status Taiwans in Frage stellt. Daraufhin geriet am Montag auch der chinesische Yuan wieder unter Druck und schwächte sich um 0,1 % auf 6,91 Yuan zum Dollar ab, während die Rendite der zehnjährigen chinesischen Staatsanleihen um 9 Basispunkte auf 3,19 % kletterte und damit ein Einjahreshoch erreichte.Bereits in der Vorwoche ging der Chef der Börsenaufsicht in einer Rede die Problematik spekulativer Aktienkäufe chinesischer Lebensversicherer verbal an, während gleichzeitig Trump im Zuge eines Telefonats mit der taiwanesischen Präsidentin erste Spannungen in der Taiwan-Thematik auslöste. In Reaktion darauf hatte man am 5. Dezember – ausgerechnet zum Start des neuen Börsenlinks zwischen Shenzhen und der Hongkonger Börse, der als ein wichtiger Öffnungsschritt des chinesischen Aktienmarkts gilt – einen ersten kräftigen Dämpfer gesehen (vgl. BZ vom 6. Dezember). Von der erhofften Sogwirkung für Aktien in Shenzhen, die nun via Hongkong für ausländische Investoren leichter zugänglich sind, ist bislang nichts zu spüren. CSRC packt die Keule ausDiesmal reagierten die Anleger auf eine in der Nacht zum Samstag von der China Securities Regulatory Comission (CSRC) erlassenen Maßnahme, mit der beim bereits mehrfach unangenehm aufgefallenen Versicherer Evergrande Life Insurance auf unbestimmte Zeit die Lizenz zur Tätigung von Aktieninvestments suspendiert wird.Weitere fünf Lebensversicherer sind Gegenstand von Ermittlungen wegen unlauterer Aktiengeschäfte, darunter auch eine Gesellschaft namens Foresea Life Insurance. Foresea gehört zur der undurchsichtigen Baoneng Group – einem Konglomerat unter der Kontrolle des Milliardärs Yao Zhenhua – das in diesem Jahr als eine Art “Corporate Raider” mit Attacken auf eine Reihe von chinesischen Unternehmen, darunter insbesondere den führenden Immobilienentwickler des Landes, China Vanke, und den Haushaltsgerätekonzern Gree Electric, aufgefallen ist. Bei Vanke hatte sich zuletzt aber auch der extrem hoch verschuldete Immobilienentwickler China Evergrande, eine Schwestergesellschaft der Evergrande Life, mit riesigen Paketkäufen engagiert.Marktteilnehmer gehen nun davon aus, dass der Wertpapieraufseher gezielt gegen eine Reihe von Konglomeraten vorgeht, die Anlagemittel aus Versicherungspolicen dazu zu verwenden scheinen, für Chinas Unternehmenskultur gänzlich ungewohnte Leveraged Buy-outs (LBO) zu finanzieren. Dabei hat das Vorgehen der CSRC nicht nur die Aktien von Vanke und Gree, sondern auch eines Dutzends anderer an der Börse Shenzhen notierter Gesellschaften erfasst, die in den vergangenen Monaten durch die Aktivität von Buy-out-Fonds Kurshöhenflüge zu verbuchen hatten. Immobilienwerte wackelnÜber diesen Kreis hinaus erlitten am Montag Immobilien- und Bauwerte einen Dämpfer, nachdem neue Prognosen unter anderem des Platzhirsches Vanke ein deutliches Abflauen der Immobilienmarktaktivität beziehungsweise des Umschlags bei Wohnimmobilien erwarten lassen. In Verbindung mit den hohen Verschuldungsraten von zahlreichen chinesischen Bauträgern bei gleichzeitig anziehenden Bond-Renditen sowie höheren Risikoaufschlägen (Spreads) für Anleiheemittenten aus dem Sektor wird die Immobilienbranche nun zu einer möglichen weichen Flanke am Aktienmarkt.Auch wenn derzeit einige spezielle Sonderfaktoren das Marktklima belasten, rechnen Experten mit einer anhaltenden Stimmungsbelastung, die eher für eine weitere Konsolidierungsbewegung auf Chinas Festlandbörsen, denn die von den Anlegern erhoffte Jahresschluss-Rally erwarten lässt. Angst vor der ZinswendeEinerseits gibt es durchaus fundamentale Unterstützungsfaktoren für den chinesischen Aktienmarkt, nämlich äußerst ansprechende Konjunkturdaten in den vergangenen Wochen, die vor allem für die chinesische Industrie eine Stabilisierung verheißen und für anziehende Unternehmensgewinne sprechen. Andererseits nehmen die Anleger nach den jüngsten Inflationsdaten – die eine leicht höhere Konsumteuerung bei sehr kräftigem Anspringen der Erzeugerpreise zeigen – nun endgültig Abschied von dem Gedanken, dass der geldpolitische Lockerungszyklus in China im nächsten Jahr fortgesetzt werden könnte. Vielmehr kommen bereits erste Fragen über eine mögliche Zinswende in China auf.