Chinesischer Aktienmarkt

China-Anleger legen Denkpause ein

Am chinesischen Aktienmarkt geht den Bullen die Puste aus. Die mit einer gewaltigen Rally gefeierten Andeutungen für eine gelockerte Corona-Politik stehen der Realität von deutlich ausgedehnten Restriktionen gegenüber.

China-Anleger legen Denkpause ein

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Zwei Wochen nach den ersten konkreten Anzeichen für eine Bereitschaft der chinesischen Regierung, ihre „Null-Covid-Politik“ etwas lockerer und damit pragmatischer zu handhaben, schwinden die Hoffnungen auf rasche Veränderungen be­reits wieder. Seit Novembermitte ziehen die Corona-Inzidenzahlen für chinesische Verhältnisse stark an, und sorgen dafür, dass zaghafte Lockerungsexperimente wieder ab­geblasen werden und ein neuerlicher Schwenk hin zu stark ausgedehnten Restriktionen erfolgt.

An den Börsen in Hongkong und Schanghai, die im November angesichts der Vorschusslorbeeren zum Lockerungsmotiv mit einer gewaltigen Rally aus der Null-Covid-Baisse herausgefunden haben, wackelt das Sentiment nun wieder. Der Hongkonger Leitindex war in den ersten zwei Novemberwochen um 25% auf 18343 Punkte in die Höhe geschossen. Seitdem wurden wieder 5% angegeben. Am Mittwoch sah man nach fünf Tagesverlusten in Folge zwar wieder einen Anstieg des Hang Seng um 0,6% auf 17523 Punkte, der Anschub kam allerdings allein von Technologiewerten.

Nach einer zunächst vor allem technischen Aufholjagd, mit der extrem gedrückte Bewertungsrelationen in einigen Sektoren korrigiert worden sind, gab es deutlich weniger Anlass für Bullenstimmung. Die Annahme, dass sich China bereits an der Pforte zum Ausstieg aus der wirtschaftlich zerstörerischen Null-Covid-Politik befindet, passt immer weniger zur tatsächlichen Situation in chinesischen Großstädten und Industriezentren. Man sieht eine rasche Ausbreitung von partiellen Lockdowns, die nach jüngsten Be­rechnungen von Nomura-Analysten bereits 20% des landesweiten Wirtschaftspotenzials beeinträchtigen. Die rosigen Szenarien vom baldigen und gewaltigen Konjunkturaufschwung, mit dem sich eine nachhaltigere Rally unterfüttern ließe, wirken derzeit alles andere als überzeugend.

Eine Reihe von chinesischen Analysten jongliert bereits mit Hausseszenarien, die den Hongkonger Leitindex Hang Seng im kommenden Jahr wieder nahe an seine Höchstmarke bei 25000 Punkten gehen lassen und damit eine Performance von mehr als 40% zutrauen. Bei Goldman Sachs und J.P. Morgan gibt man sich wesentlich vorsichtiger und geht von einem Basisszenario aus, bei dem China erst im Laufe der zweiten Jahreshälfte 2023 mit einer Anpassung der Corona-Politik Voraussetzungen für eine wesentliche Konjunkturerholung schaffen wird. Das limitiert das Rally-Potenzial für den Hongkonger Markt allerdings erheblich und führt zu einer wesentlich bescheideneren Zielmarke für den Hang Seng bei etwa 20000 Punkten.

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