China-Bonds mit interessanten Bewertungschancen
kjo Frankfurt
Das wohl wichtigste Anleihethema in der jüngeren Vergangenheit war nicht das Auf und Ab am US-Staatsanleihemarkt, sondern der 40-prozentige Kurseinbruch der in Dollar denominierten Schuldtitel der China Huarong Asset Management Company. Diese Einschätzung vertritt Brad Tank, Chief Investment Officer Fixed Income bei Neuberger Berman, einer unabhängigen Investment-Management-Firma mit Sitz in New York.
„Zweifelhafte Vergangenheit“
Huarong Asset Management sei Chinas größter Manager von Problemkrediten, auch Distressed Debt genannt. Das Unternehmen verwalte fast 300 Mrd. Dollar und gehöre zu 57% dem chinesischen Finanzministerium. „Huarong hat – gelinde gesagt – eine zweifelhafte Vergangenheit“, so Tank. Im Januar sei ihr ehemaliger Chef wegen Korruption hingerichtet worden. Außerhalb des eigentlichen Kerngeschäfts habe er Unmengen notleidender Aktiva angehäuft. Dafür müssten Aufsichtsbehörden und Management jetzt eine Lösung finden. Die Distressed-Debt-Sparte habe aber stets stabile Gewinne erzielt. „Am Markt hielt man sie für ausreichend, um die Abschreibungen der anderen Sparten ausgleichen zu können“, heißt es bei Neuberger Berman weiter.
Entsprechend irritiert sei man gewesen, als Huarong am 31. März keinen vorläufigen Geschäftsbericht vorlegte. Gerüchte hätten die Runde gemacht, dass die Muttergesellschaft des Emittenten von Dollar-Anleihen ihre Garantien zurückziehen würde, Huarong also im Zweifelsfall nicht mehr stützen würde. Selbst eine Schuldenrestrukturierung sei nicht mehr ausgeschlossen worden. Die Kurse stürzten daraufhin ab.
Ein Zahlungsausfall von Huarong wäre laut Neuberger Berman der größte in der chinesischen Geschichte. „Investoren wissen, dass es bei früheren, kleineren Ausfällen nahezu unmöglich war, ähnliche Garantien wie die für Huarong einzufordern. Wenn sich das jetzt wiederholt, wäre das ein sehr schlechtes Signal für den Markt – noch bevor sich herumspricht, dass der Staat seine Hilfen für große staatliche Unternehmen generell prüft“, sagt Tank.
Bei Neuberger Berman rechnet man schon lange mit mehr Zahlungsausfällen in China, vor allem bei staatlichen Unternehmen. Nach den Defaults beim Chiphersteller Tsinghua Unigroup und bei Yongcheng Coal & Electricity im Jahr 2020 schrieb man im Dezember, dass ein Anstieg der Ausfallquote auf das Niveau anderer Emerging Markets erwartet werde. Schließlich wünsche sich der Staat niedrigere Verschuldungsgrade und weniger Korruption.
„Diesmal ist aber zu vermuten, dass er eine weiche Landung anstrebt, bei der die Garantien erfüllt werden. Huarong ist ein extrem großer Manager von Problemaktiva, und der Anteil notleidender Kredite dürfte in den nächsten Monaten steigen“, heißt es bei Neuberger Berman weiter. Huarong erscheine daher viel zu systemrelevant, als dass der Staat auch nur die geringsten Stabilitätszweifel zulassen könnte.
„Der Huarong-Ausverkauf hat daher für sehr interessante Bewertungschancen am chinesischen Anleihemarkt gesorgt“, so Tank. Dennoch achtet Neuberger Berman bei ihren Anlagen zuallererst auf die Finanzen der Emittenten. Statt auf chinesische Ratings werde dabei auf eigene Fundamentalanalysen gesetzt. Eine Flucht in die Qualität erscheine jederzeit möglich. Das gelte vor allem für staatliche Unternehmen. Hier achte man sehr genau auf Eigentümerstruktur und Systemrelevanz. Wenn der Staat Korruption bekämpfe, seien Firmen im kommunalen Besitz deutlich gefährdeter als Unternehmen, die der Zentralregierung gehörten – so wie Huarong.
Die chinesischen Anleihemärkte seien in der vergangenen Zeit größer und wichtiger geworden. Auch wenn die Mittelzuflüsse in den vorigen Wochen etwas abgeebbt seien, steige der Anteil internationaler Investoren seit zwei Jahren – und damit auch während Corona – kontinuierlich. Investoren hätten sich über attraktive Erträge bei moderater Volatilität freuen können.
Bei Neuberger Berman wird der chinesische Anleihemarkt langfristig weiter positiv eingeschätzt. Nicht nur die Erträge seien vergangenes Jahr stabil gewesen, sondern auch die Konjunktur. Dank der hohen Industrieproduktion und der boomenden Exporte sei das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Vorjahresvergleich um 18,3% gestiegen. Die Einzelhandelsumsätze hätten sogar um 34,2% höher gelegen.
„Dennoch sollten Investoren nach dem Huarong-Debakel kurz innehalten“, meint Tank. Der Preis für Chinas Stabilität in der Coronakrise und für das hohe Wachstum der vergangenen zehn Jahre seien steigende Schulden gewesen. Chinas offizielle Schuldenstandsquote – die Schulden aller staatlichen Ebenen in Prozent des BIP – sei mit knapp 80% sehr hoch. „Vielleicht ist das aber noch untertrieben, da ein Großteil der kommunalen Schulden in Staatsunternehmen versteckt ist, vor allem in sogenannten Local Government Financing Vehicles. Huarong könnte auch deshalb solvent gehalten werden, weil Chinas Wirtschaft in Zukunft potenziell weitere Probleme drohen“, führt Tank aus.
Weitreichende Folgen
Die Regierung nehme diese Herausforderung an. „Ernsthafte Lösungsversuche könnten in den nächsten Jahren aber weitere Probleme aufdecken und für mehr Volatilität sorgen. Kommt es zu Schwierigkeiten, hätte das nicht nur Folgen für Chinas Wirtschaft und Anleihemärkte, sondern auch für die Welt“, meint Tank.