Regulierungskampagne

Chinas Tech-Werte gehen erneut auf Talfahrt

Peking verschärft die Misere chinesischer Tech-Aktien durch erneute Regulierungsvorstöße. In der Folge hat auch der Sektorgigant Tencent seine Position als Asiens stärkster Börsenwert vorerst verloren.

Chinas Tech-Werte gehen erneut auf Talfahrt

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Chinas aufsehenerregende Regulierungskampagne im heimischen Technologiesektor sorgt erneut für Wirbel an den Börsen in Hongkong, Schanghai und Shenzhen. Am Dienstag preschte Chinas Wettbewerbsbehörde State Administration for Market Regulation (SAMR) mit einer Reihe von Gesetzesvorschlägen voran, die dem bislang sehr willkürlich wirkenden Feldzug mehr Struktur und Legitimation verleihen sollen.

Topadressen unter Zeitdruck

Der weitschweifende neue Regulierungskodex zielt in erster Linie darauf ab, „unfaire Marktpraktiken“ zu unterbinden, wovon sowohl E-Commerce- als auch Social-Media-Anbieter betroffen sind. Die Umsetzung dieser Regeln dürfte einen gewaltigen Anpassungsbedarf und Strukturveränderungen bei den jeweiligen Ökosystemen von Topadressen wie Alibaba, JD.com, Meituan oder Tencent nach sich ziehen, die alle an der Hong Kong Exchanges notieren. Dabei werden sie unter hohen Zeitdruck gesetzt, denn das Zeitfenster für ein Branchen-Feedback ist mit Fristablauf zum 15. September denkbar eng.

Bezeichnenderweise hat der chinesische Staatsrat am Dienstag einen zusätzlichen Regulierungsvorstoß angekündigt. Er umfasst neue Datenschutzvorschriften für sogenannte „kritische Informationsinfrastrukturanbieter“, unter die Chinas Tech-Branchengrößen allemal fallen werden, und zwingt sie zu umfassenden Sicherheits- und Risikoüberprüfungen ihrer Netzwerke. Hier sollen die neuen Regeln bereits zum 1. September in Kraft treten.

Ebenfalls am Dienstag kam die Nachricht hinzu, dass sich die chinesische Regierung erstmals mit Beteiligungen bei dem nicht börsennotierten Tiktok-Betreiber Bytedance sowie beim sozialen Netzwerk Weibo eingekauft hat. Dem Vernehmen nach beschränkt sich das anfängliche staatliche Engagement jeweils auf etwa 1%, wird jedoch mit Ansprüchen auf ein Boardmandat mit einer direkten Vertretung in Führungsgremien unterlegt. Damit deutet sich eine neue staatliche Einmischungswelle in Chinas Techszene an.

Die Massierung von Hiobsbotschaften zum Pekinger Regulierungseifer hat den Anlegern am Dienstag auf breiter Front den Schneid abgekauft. Auch an den chinesischen Festlandbörsen, die Ende Juli im Zuge von Pekinger Regulierungsvorstößen einen Einbruch erlebt hatten, kriegen es die Anleger wieder mit der Angst zu tun. So fielen der Blue-Chip-Index CSI 300 wie auch der marktbreite Shanghai Composite um jeweils gut 2% zurück.

In Hongkong begrenzte sich der Tagesverlust beim Leitindex Hang Seng auf 1,7%, was jedoch ebenfalls die kräftigste Einbuße seit dem Rückschlag von Ende Juli bedeutet. Der vor einem Jahr lancierte Hang Seng Tech Index, mit dem die 30 größten Internet- und Informationstechnologiewerte an der Hongkonger Börse abgebildet werden, rutschte um 4,1% ab und steht nun bei 6219 auf einem Allzeittief. Das Barometer hatte Mitte Februar ein Hoch bei knapp 11000 Punkten erreicht und seitdem dramatisch um 43% eingebüßt.

Besonders im Fokus steht der seit Wochen von wilden Abschwüngen und kurzen Erholungsphasen geprägte Kurs des Sektorgiganten Tencent. Dieser wird nicht nur von harten Anpassungen an die neuen Wettbewerbs- und Datenschutzregeln getroffen, sondern muss auch befürchten, dass sein florierendes Kerngeschäft mit Onlinespielen von stark verschärften Jugendschutzmaßnahmen und Content-Beschränkungen kompromittiert wird.

Tencent wird am Mittwoch mit der Vorlage der Ergebnisse für das 2. Quartal eine Gelegenheit haben, das Vertrauen der Anleger zurückzuerobern. Allerdings bezweifeln Analysten, dass das Management sonderlich stramme Wachstumsprognosen verbreiten können wird. Abgesehen davon können sich die Aktionäre nicht länger am Tencent-Nimbus des wertvollsten börsennotierten Unternehmens in Asien erfreuen.

TSMC löst Tencent ab

Durch die neuerlichen Rückschläge in den vergangenen beiden Handelstagen und einer Performance von minus 24% im laufenden Jahr ist Tencents Börsenwert auf 536 Mrd. Dollar geschrumpft. Damit wurde der Tech-Riese nun erstmals seit acht Jahren wieder vom Chiphersteller Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) überholt. Der in Taipeh notierende Weltmarktführer in Sachen Chipauftragsfertigung profitiert von hohen Preisen angesichts der globalen Halbleiter-Knappheit, seine Aktie legte in diesem Jahr bislang um knapp 10% zu. Mit 540 Mrd. Dollar Börsenkapitalisierung ist TSMC nun zumindest für einen Tag Asiens uneingeschränkter Marktwertchampion.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.