IM INTERVIEW: STEPHEN KAM, HSBC GLOBAL ASSET MANAGEMENT

"Das wirtschaftliche Umfeld ist positiv"

Produktspezialist: Asiatische Small Caps bieten bessere Möglichkeiten, auf das starke Wachstum der Inlands- bzw. Konsumnachfrage zu setzen

"Das wirtschaftliche Umfeld ist positiv"

Trotz der von US-Präsident Donald Trump ausgehenden protektionistischen Risiken ist Stephen Kam für Asien zuversichtlich. Der Senior Product Specialist Asian Equities von HSBC Global Asset Management ist überzeugt, dass vor allem die Small Caps der Region gute Aussichten haben, insbesondere weil sich mit ihnen im Vergleich zu den Large Caps das starke Wachstum des Konsums einfangen lässt.- Herr Kam, welche Risiken gehen von den protektionistischen Tendenzen der neuen US-Regierung auf Asien aus?Derzeit ist es eine Herausforderung einzuschätzen, welche Auswirkungen die Politik von Donald Trump letztlich auf Asien haben wird. Noch ist nichts beschlossen worden, wenn auch die generelle Richtung vorgegeben ist. Der Ausstieg der Vereinigten Staaten aus dem geplanten TPP-Handelsabkommen, der Transpazifischen Partnerschaft, war erwartet worden. Auch Clinton war hier skeptisch. Für China ist dies positiv, weil es seine Position in Asien stärkt. Wir halten es derzeit für unwahrscheinlich, dass Trump hohe Strafzölle einführen wird.- Was kann ihn davon abhalten?In den ersten 100 Tagen seiner Regentschaft kann er nur Zölle in Höhe von bis zu 15 % einführen. Alles, was darüber geht, bedarf der Zustimmung des Kongresses. 50 % des amerikanischen Handelsbilanzdefizits entfallen auf China, das der drittgrößte Exportmarkt der USA ist. Wenn China und andere asiatische Staaten mit Strafzöllen antworten, wäre das für die USA negativ. Trump weiß das. Er wird daher wahrscheinlich versuchen, durch Vereinbarungen bessere Handelskonditionen zu erreichen. Sein Schwerpunkt wird wohl eher auf Anti-Dumping-Verfahren gegen bestimmte Bereiche liegen, in denen es den USA weniger wehtut.- Wie beurteilen Sie das wirtschaftliche Umfeld für Asien generell?Trump verfolgt eine Politik der Reflationierung der Wirtschaft. Damit hat er den Schalter auf ein stärkeres Wachstum in den USA gedreht, und ein stärkeres US-Wachstum stützt die Weltwirtschaft. In anderen großen Volkswirtschaften wird mit geldpolitischer Lockerung gearbeitet, das heißt, letztlich zielen alle größeren Volkswirtschaften der Welt auf Reflationierung. In einem derart günstigen Wachstumsumfeld entwickeln sich die asiatischen Volkswirtschaften und die Aktienmärkte der Region üblicherweise gut. Das wirtschaftliche Umfeld ist positiv bei gleichzeitigen politischen Sorgen, die möglicherweise etwas übertrieben sind.- Was erwarten Sie für das Wachstum in China?Die chinesische Regierung fühlt sich mit einer allmählichen Verlangsamung wohl. Wir rechnen für dieses Jahr mit einem Wachstum von zwischen 6 und 7 %; es könnte etwas geringer sein als 2016. Generell gehen wir von Stabilität aus. Im November steht anlässlich des Parteikongresses der Austausch von fünf der sieben Politbüromitglieder an. Vor diesem Hintergrund wird Stabilität für die chinesische Regierung oberste Priorität haben.- Wie wird sie Ihrer Meinung nach wirtschaftspolitisch agieren?Im zurückliegenden Jahr gab es eine Kombination aus fiskalischer und geldpolitischer Stützung. Der Immobilienmarkt hat sich sehr stark entwickelt, zuletzt aber etwas verlangsamt. Die Regierung geht hier selektiv gegen Überhitzungserscheinungen vor. Der Schwerpunkt liegt dabei in den so genannten Tier-1- und Tier-2-Städten. In den nachrangigeren Städten gibt es immer noch einen Immobilienüberhang. Hier sollen die Preise stabilisiert werden. Wir gehen davon aus, dass eine Verlangsamung des Immobilienmarkts in diesem Jahr durch mehr fiskalische Stützungsmaßnahmen, das heißt insbesondere Infrastrukturinvestitionen kompensiert wird. Daran richten wir unser Portfolio aus, in dem wir auf Bauzulieferer, das heißt vor allem Zementaktien sowie Industriewerte setzen, deren Gewinne Infrastrukturbezug haben.- Macht der geplante Übergang hin zu einer stärker von der Inlandsnachfrage, das heißt dem Konsum getriebenen Wirtschaft Fortschritte?Der Übergang findet statt, es ist aber ein allmählicher Prozess, der Jahre dauern wird. Die Verstädterung soll den Planungen der chinesischen Regierung von zurzeit 51 % auf 60 % der Bevölkerung im Jahr 2020 steigen. Das sollte den Konsum antreiben. Die Verbraucherausgaben entwickeln sich sehr stark. So bewegt sich das Wachstum der Einzelhandelsumsätze um 10 %. Alle Bereiche des Konsums des gehobenen Bedarfs, also etwa Automobile, Healthcare und Reisen, sind in den zurückliegenden drei bis fünf Jahren stark gewachsen. Die Bereiche Infrastruktur und Industrie bleiben aber wichtig. Wenn die Regierung bestimmte Ziele erreichen will, kann sie auf diese Branchen über fiskalische Maßnahmen beziehungsweise über die staatlich kontrollierten Unternehmen direkter Einfluss nehmen, als dies über die Verbraucher möglich ist. Im zurückliegenden Jahr hat hier aber zum Beispiel die Senkung der Steuer für Neuwagen von 10 auf 5 % zu einem starken Absatzschub geführt.- Was macht asiatische Small Caps besonders interessant?Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass wir Small Caps als Aktien mit einer Marktkapitalisierung von bis zu 4 Mrd. Dollar definieren. Vergleicht man die Indizes MSCI Asian Large Caps und MSCI Asian Small Caps, stößt man auf eine bessere Branchenmischung bei den Small Caps, die eine bessere Branchenallokation ermöglicht. Im Large-Cap-Index gibt es eine starke Gewichtung chinesischer Banken beziehungsweise Finanzdienstleister sowie großer IT-Unternehmen wie insbesondere Samsung. Selbst wenn Sie etwa für chinesische Banken skeptisch sind, müssen Sie sie kaufen, weil Sie sonst ein zu großes Benchmark-Risiko kriegen. Mit Small Caps erhalten Sie bessere Diversifikationsmöglichkeiten. Sie versetzen Sie besser in die Lage, auf das starke Wachstum der Inlands- beziehungsweise Konsumnachfrage zu setzen, und gerade darauf kommt es in Asien an.- Welche Branchen stehen da im Fokus?Vor allem Konsumgüter des gehobenen Bedarfs, hier sind wir auf lange Sicht signifikant übergewichtet. Wir finden dort starkes Wachstum bei gleichzeitig vernünftigen Bewertungen. Ich möchte noch auf die Abdeckung durch Sell-Side-Research hinweisen. In den USA sind die Small Caps unter einer Größe von 4 Mrd. Dollar zu 70 % abgedeckt, in Europa zu 44 %. In Asien liegt der Anteil nur bei 25 %. Das hat zur Folge, dass sich hier entsprechend mehr Gelegenheiten durch Fehlbewertungen ergeben. Wir suchen nach Unternehmen, die unterbewertet sind. Dabei halten wir auch nach Einzelwerten Ausschau, die das Potenzial haben, sich innerhalb von zwölf Monaten zu verdoppeln oder sogar zu verdreifachen. Das geht natürlich nicht mit dem gesamten Portfolio, aber wir haben es uns zum Ziel gesetzt, ein bis zwei solcher Titel pro Jahr zu entdecken.- Und gelingt das?2016 hatten wir zum Beispiel ein taiwanesisches Unternehmen, das Ladestationen für Telefone herstellt und auch über eine Technologie für schnurlose Ladestationen verfügt. Sein Kurs hat sich in etwa verdoppelt. Im Jahr 2015 gelang uns dies mit zwei indischen Unternehmen aus den Branchen Textil und IT-Dienstleistungen. Unser Fonds ist kein Absolute-Return-Produkt, aber wir versuchen, Absolute Return für unsere Investoren zu erzielen.- Wie sieht die Bewertung asiatischer Small Caps aus?Die Situation ist von Land zu Land unterschiedlich. Wir schauen auf das Kurs-Buchwert-Verhältnis der Small Caps. In Hongkong und China liegt es bei 1,1 bis 1,2; auch Indonesien und Singapur sind attraktiv bewertet. Korea ist dagegen nach wie vor recht teuer. Die Bewertung der asiatischen Small Caps ist etwas höher als die der Large Caps, aber etwas günstiger relativ zur Vergangenheit. Anfang 2016 waren Hongkong und China wegen der Sorgen der Anleger über eine harte Landung der chinesischen Wirtschaft extrem günstig. Wir haben diese Märkte stark übergewichtet, was sich ausgezahlt hat. Im zurückliegenden Jahr hat unser Fonds einen Ertrag von 14 % abgeworfen, in den zurückliegenden drei Jahren durchschnittlich zwischen 9 und 10 % pro anno.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.