"Demografie enormer Pluspunkt"

Japan-Kenner Jesper Koll setzt auf wachsende Binnenwirtschaft - Neue Generation Vollzeitbeschäftigter

"Demografie enormer Pluspunkt"

Von Dietegen Müller, FrankfurtJesper Koll, CEO der Japan-Tochter des ETF- und Indexanbieters Wisdom Tree, ist ausgewiesener Japan-Kenner und hält den japanischen Aktienmarkt für “sehr attraktiv”. Ein Grund sei die steigende Zahl an Vollzeitbeschäftigten, führte er, der Wurzeln im Rheinland hat, in fließendem Deutsch aus. Auf der Uhlenbruch-Konferenz für Portfoliomanagement in Frankfurt geriet Koll am Mittwoch beinahe ins Schwärmen, was die Chancen für japanische Titel anbelangt. Es gebe “sehr gute Gründe”, sich aktiv für Japan zu interessieren. Die verlorenen Jahrzehnte seit dem Platzen der Immobilien- und Finanzblase Anfang der neunziger Jahre scheint weit zurück zuliegen: “Die Deflation ist zu Ende”, sagt Koll.Die Argumente, die der frühere Leiter der Anlagestrategie von J.P. Morgan und Merrill Lynch anführt, sind aus europäischer Sicht unkonventionell. So stelle die demografische Entwicklung einen enormen Pluspunkt dar, weil eine neue Generation von Vollzeitbeschäftigen herausbilde. “Dies führt zu einem Tugend-Zyklus in der Binnenwirtschaft”, sagt Koll, denn nur Vollzeitbeschäftigte seien in der Lage, von Banken Kredite zu bekommen. Damit nehme die Nachfrage nach Hypothekarvolumen und insgesamt das Kreditvolumen zu. Da die nominalen Löhne seit drei Jahren anziehen – erstmals seit einer langen Stagnationsphase – sieht Koll die Chance, dass Japan eines der wenigen Industrieländer werde, in denen sich eine neue Mittelschicht herausbilde. Dividenden und RückkäufeDer Marktkenner rät schon seit vielen Jahren zu japanischen Aktien, hat aber erst seit einigen Jahren auch Rückenwind von der Marktentwicklung. Hinzu komme, dass der anfängliche Hype um die sogenannten Abenomics, also ein mehrstufiges Wirtschaftsprogramm der Regierung unter Premier Shinzo Abe, inzwischen abgeflaut sei, es aber sukzessive messbare Fortschritte gibt. “Trotz rückläufiger Gewinne haben japanische Unternehmen mehr Geld für Dividenden und Aktienrückkäufe ausgegeben, das hat es bisher nicht gegeben”, sagt Koll. Zugleich sei die “Japan AG” verschwunden: Zum Jahresende 2016 hätten die Überkreuzbeteiligungen zwischen japanischen Unternehmen nur noch 6 % ausgemacht, während die Rendite auf das Eigenkapital auf 9,1 % gestiegen sei. Wenn auch graduell, nehme die Qualität der Unternehmensführung zu, und Aktionärsinteressen würden allgemein stärker berücksichtigt.Auch werde unter japanischen Firmen großes Augenmerk auf Forschung und Entwicklung gelegt, wobei die Ausgaben im Verhältnis zum Umsatz höher sind als im internationalen Vergleich: “Ein Tesla wäre ohne eine Batterie von Panasonic nie denkbar gewesen”, so Koll.Weil gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 16 aus Basis der Schätzung für 2017 japanische Titel günstig seien, spreche als dies für weitere Kursgewinne. Ein Faktor, der im Auge behalten werden müsse, sei ein zunehmender Wettbewerb chinesischer Unternehmen, namentlich auch auf dem Automarkt: “Aber dieses Problem wird Deutschland auch haben”, so Koll und verwies auf die sehr erfolgreiche Marke Trumpchi.Den massiven Aufkauf von Staatsanleihen durch die japanische Zentralbank bezeichnet Koll zwar als unkonventionell. Der Anteil der ausländischen Investoren an den noch frei im Markt verfügbaren japanischen Staatsanleihen sei inzwischen auf rund ein Viertel gestiegen. Doch erkennt der Stratege darin nur insofern Risiken, als dass dies die japanische Währung strukturell schwäche. Laut Koll dürfte der Dollar bis auf 1,30 oder 1,35 Yen aufwerten von derzeit 1,12 Yen.