Der deutsche Leitindex schreibt Geschichte
Von Christian Henke*)
Vor mehr als einem Jahr erschütterte Covid-19 erstmals die internationalen Finanzmärkte. Im Februar und März 2020 herrschte blanke Panik. Allerdings war der Schreck über die Talfahrt dies- und jenseits des Atlantiks von kurzer Dauer.
Von den Tiefstständen im März des vergangenen Jahres hat sich der deutsche Leitindex schnell gen Norden verabschiedet. Dass es anschließend über die 14000-Punkte-Marke, sogar über die Hürde bei 15000 Zählern gehen würde, dürfte den einen oder anderen Marktteilnehmer ein wenig überrascht haben. Und die Rekordjagd scheint noch nicht zu Ende zu sein.
Hoffnung als Kurstreiber
Der Dax hat mit dem erstmaligen Sprung über die Marke von 15000 Punkten erst kürzlich Börsengeschichte geschrieben. Im Augenblick sieht es nach einem schnellen Niederringen dieser Kursregion aus. Bei den vorherigen „runden“ Zahlen tat sich das heimische Börsenbarometer ein wenig schwerer. Die Aussicht auf ein baldiges Ende der Pandemie und eine Rückkehr zur Normalität treibt zurzeit die weltweiten Aktienmärkte an. Dass hierzulande die dritte Infektionswelle angekommen und in den USA sogar die vierte Welle zu beobachten ist, wird von den Anlegern verdrängt. Weitaus größer ist die Hoffnung auf eine kräftige Konjunkturerholung im Laufe dieses Jahres.
Aber auch der Renditeanstieg zehnjähriger US-Staatsanleihen konnte die Börsianer nicht so recht aus dem Takt bringen. Zwar ging die Angst umher, dass festverzinsliche Wertpapiere gegenüber Aktien attraktiver werden könnten, zuletzt war die Rendite jedoch rückläufig.
Der Weg ist frei
Diese Erwartungshaltung hat aus charttechnischer Sicht einiges verändert. Lange Zeit stellte sich dem Dax das im Oktober 2017 erreichte Hoch von 13534 Punkten in den Weg. Diese Bastion wollte einfach nicht fallen. Im Dezember 2020 war es dann endlich so weit. Der besagte Widerstand wurde bezwungen. Im vergangenen Börsenmonat März wurde ein weiterer Widerstand eliminiert: die steigende und aus dem Jahr 2000 stammende Trendlinie. Diese fungiert bei aktuell 14620 Zählern als Unterstützung. Doch die Reise in höhere Kursgefilde ist noch nicht vorbei. Die nächste psychologische Marke bei 16000 Punkten wartet bereits. Nimmt man die ehemalige Aufwärtstrendlinie von März 2009 zu Hilfe, die im Oktober 2018 der Angebotsseite in die Hände fiel, könnte es sogar bis in den Bereich bei über 17000 Zählern gehen.
Rückendeckung gibt es von den exponentiellen Durchschnitten der vergangenen fünfundzwanzig Monate. Liegt die kürzere Glättungslinie über dem längeren Durchschnitt, liegt ein sogenanntes goldenes Kreuz vor. Heißt: Der Kurs des Basiswertes befindet sich in einem Aufwärtstrend. Umgekehrt wird ein „Todeskreuz“ generiert, welches für einen Abwärtstrend steht. Seit dem Sommer 2020 ist beim Dax ein goldenes Kreuz zu beobachten. Zudem dienen die genannten Durchschnitte bei aktuell 14349/13051 Punkten als zusätzliche Unterstützungen.
Welche Aktie darf es sein?
Angesichts der charttechnischen Verfassung des Dax stellt sich dem Anleger die Frage nach dem Kauf geeigneter Aktien. Eine Antwort liefert die relative Stärke nach Robert Levy. Diese dient dem Marktteilnehmer als Filter. Mit der relativen Stärke können Märkte recht schnell nach aussichtsreichen Werten gefiltert werden. Der Anleger kann sich somit die Rosinen herauspicken. Wichtig ist, dass die relative Stärke nach Levy um den Wert von eins pendelt. Über diesem Wert verfügt die Aktie über innere Stärke und unterhalb von eins liegt eine innere Schwäche vor. Der Wert wird dann mit der relativen Stärke des Gesamtmarktes, in diesem Fall der Dax, verglichen.
Autowerte liegen vorn
Die zehn besten Titel aus der ersten Börsenliga können dann mit weiteren Hilfsmitteln aus der technischen Analyse unter die Lupe genommen werden. Der Grundsatz ist, dass eine relative Stärke bzw. Schwäche über einen gewissen Zeitraum andauert. Im Augenblick stammen die relativ stärksten Aktien aus dem Bereich Automobile. Die Tabelle wird durch Volkswagen, Daimler und BMW angeführt. Zurzeit sind vor allem die zyklischen Werte beliebt. Dazu gehören beispielsweise auch Heidelberg Cement, Siemens und Infineon.
Defensive Aktien stehen dagegen nicht auf der Einkaufsliste der Anleger. Die Sektoren Pharma und Versorger mussten zuletzt eher Kursverluste hinnehmen. Diese Annahme wird auch bei der Betrachtung der Stoxx-600-Sektoren unterstützt. Die Subindizes Automobile, Touristik, Banken, Versicherungen und Rohstoffe haben in den vergangenen Monaten deutlich an Wert gewonnen. Die Sektoren aus dem europäischen Stoxx 600 lassen sich in einer Relativen-Stärke-Liste darstellen. Die ersten neun Branchen verdienen eine nähere Betrachtung, die letzten neun Sektoren dagegen weniger. So wird auch mit den dreißig Dax-Mitgliedern verfahren. Wichtig ist, wenn ein Sektor bzw. eine Aktie auf- oder absteigt. Laut der bekannten Momentum-Strategie wird dieser Wert dann gekauft bzw. der Marktteilnehmer trennt sich dann von dieser Aktie oder diesem Sektor. Unter dem Strich kann der Anleger so den Gesamtmarkt schlagen und sich die besten Titel ins Depot legen.
*) Christian Henke ist Senior Market Analyst bei IG.