DEVISENWOCHE

Der Dollar hat die Wahl

Von Dorothea Huttanus *) Börsen-Zeitung, 14.7.2020 Seit Donald Trump vor dreieinhalb Jahren das Amt als US-Präsident übernommen hat, hat er uns reichlich Anlass zu Diskussionen geboten. In vielen Belangen hat er neue Wege beschritten, oft gegen...

Der Dollar hat die Wahl

Von Dorothea Huttanus *)Seit Donald Trump vor dreieinhalb Jahren das Amt als US-Präsident übernommen hat, hat er uns reichlich Anlass zu Diskussionen geboten. In vielen Belangen hat er neue Wege beschritten, oft gegen diplomatische Konventionen verstoßen und sich regelmäßig an der Grenze des guten Geschmacks entlanggehangelt. Dennoch müssen ihm nicht nur seine Parteifreunde bis Anfang 2020 einen bemerkenswerten ökonomischen Erfolg bescheinigen. Die US-Aktienmärkte hatten nach Trumps Wahl massiv gewonnen, die Wirtschaft konnte mit soliden Wachstumsraten überzeugen, die Arbeitslosenquote ist von Rekordtief zu Rekordtief gefallen und der US-Dollar hat seinem Ruf als Fels in der Brandung alle Ehre gemacht. Weder der Handelskrieg mit China noch das Amtsenthebungsverfahren konnten Trumps Erfolgsgeschichte etwas anhaben. Alles andere als seine Wiederwahl schien daher noch vor wenigen Monaten undenkbar. Und dann kam Covid-19. Stimmung gekipptDie Stimmung in der breiten Bevölkerung, ja sogar in den Reihen der eigenen Partei ist spürbar gekippt. Die ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie erschüttern die US-Wirtschaft in ihren Grundfesten, und trotz extensiver fiskalischer Hilfsprogramme geht es für viele Wähler um nicht weniger als ihre Existenz. Bei den Präsidentschaftswahlen am 3. November stehen Trumps Chancen für eine Wiederwahl sowohl auf Basis der landesweiten Zustimmung (“Popular Vote”) als auch auf der ausschlaggebenden Ebene der Wahlmänner (“Electoral Vote”) derzeit denkbar schlecht. Je nach Umfrage führt der designierte demokratische Herausforderer Biden mit 8 bis 14 Prozentpunkten vor dem Republikaner.Dennoch scheint sich der Devisenmarkt (noch) nicht mit der Idee eines Machtwechsels beschäftigen zu wollen. Auch eine ausgeklügelte Vogel-Strauß-Taktik des Kopf-in-den-Sand-Steckens darf über die aufziehenden Wolken politischer Unsicherheit aber nicht hinwegtäuschen. Trump mag umstritten sein; trotz aller Unberechenbarkeit glauben die Märkte inzwischen jedoch zu wissen, woran sie bei ihm sind. Sein Herausforderer Biden beginnt dagegen gerade erst, sein Profil zu schärfen, und könnte in den kommenden Monaten des heißen US-Wahlkampfes noch einiges an Überraschungen für uns aus dem Ärmel schütteln. Bis zum 3. November sind es noch 112 Tage, eine kleine Ewigkeit in volatilen Zeiten wie den aktuellen. Nicht nur, dass auch der Ausgang der US-Wahl 2016 erst kurz vor dem Urnengang entschieden wurde, Trump dürfte wie ein angeschossener Tiger aggressiver denn je um jede Wählerstimme kämpfen. Dies spricht nicht unbedingt für Entspannung im ohnehin fragilen Verhältnis zu China; aber auch Europa dürfte sich auf einiges an zumindest verbalem Säbelrasseln einstellen (Stichwort Strafzölle). “Sleepy Joe”Dass Trump seinen Herausforderer als “Sleepy Joe” betitelt, zeugt von wenig Respekt, enthält aber durchaus einen Funken Wahrheit. Biden ist kein aggressiver Politiker, der durch sein lautstarkes Auftreten den Gegner einzuschüchtern versucht. Noch vor Kurzem hätten auch wir daher für eine Ära Biden weniger politisch verursachte Ausschläge bei der globalen Risikoaversion unterstellt oder, in der Sprache des Devisenmarktes, weniger Dollar-Safe-Haven-Nachfrage. Nicht nur eine Deeskalation des Handelsstreits mit China, sogar die Rücknahme der Strafzölle vom letzten Jahr schien greifbar. Wie gesagt, das war vor wenigen Monaten. Inzwischen nimmt Bidens Agenda Form an, und sie weiß durchaus zu überraschen. Noch unter Präsident Obama hatte Biden entscheidend am TPP-Handelsabkommen (Transpazifische Partnerschaft) mitgewirkt. Von seinem Faible für Freihandel ist im frisch vorgestellten Wahlprogramm nichts mehr zu erkennen. Stattdessen propagiert Biden einen “Buy American”-Ansatz, der sich kaum noch von Trumps “America First”-Idee unterscheidet. Allein dies impliziert zwar keine Neuauflage der Zollspirale vom Spätsommer 2019, allerdings dürften diejenigen Dollar-Bären enttäuscht werden, die auf den schnellen Ausverkauf eines nicht mehr benötigten Safe-Haven-Dollar unter Präsident Biden hoffen. (Wir sprechen hier nur von Auslösern für höhere Risikoaversion und nicht von der grundsätzlich schwindenden Eignung des Greenback als sicherem Hafen. Entsprechende Zweifel hegen wir fraglos – doch das ist ein anderes Thema und gilt jenseits der präsidialen Personaldebatte.)Das traditionelle Schubladendenken (ausgabenfreudige Republikaner vs. fiskaldisziplinierte Demokraten) ist längst überholt. Im Zeitalter von Coronanachwehen und globalem Nullzinsumfeld macht es kaum Sinn, einer Seite höhere Affinität zu fiskalpolitischen Hilfen zu unterstellen. Über ihre steuerpolitischen Pläne könnten allerdings beide Kandidaten versuchen, ihr Profil zu schärfen. Zu Trumps bisher größten Projekten gehört der “Tax Cuts and Jobs Act” von 2017, mit dem u. a. die Unternehmenssteuer von 35 % auf 21 % gesenkt wurde. Kein Wunder also, dass Trump als Liebling der Aktienmärkte gilt. Bemerkenswerte AnsageBiden wurde bislang eine moderate wirtschaftspolitische Haltung unterstellt, die “niemandem wehtut”. Entsprechend bemerkenswert ist seine jüngste Kampfansage an “Corporate America”: Eine Erhöhung der Unternehmenssteuer von 21 % auf 28 % und die konsequente Besteuerung von Großkonzernen dürften nur die Spitze des Eisbergs sein. Ob solche Ideen die US-Märkte einzuschüchtern vermögen oder der Rausch aus exzessiver Fed-Liquidität trotz restriktiverer Steuerpolitik weiter anhält, wird in den nächsten Wochen wohl noch intensiv diskutiert werden. Im direkten Vergleich wäre der Dollar mit Trump aber wohl auch steuerpolitisch tendenziell besser bedient. Ob die fragile US-Konjunktur mit einem anhaltend starken Dollar ebenfalls besser bedient wäre, steht auf einem anderen Blatt.Derzeit blickt der Dollar noch eher lethargisch auf das Spannungsfeld aus Infektionszahlen und der Suche nach dem charakteristischen Buchstaben für die Konjunkturerholung (V, U oder doch W). Doch nicht umsonst gelten die Devisenmärkte als die politischsten unter den Finanzmärkten. Ein heißer US-Wahlkampf zwischen dem angeschossenen Tiger Trump und dem gar nicht mehr so schläfrigen Sleepy Joe könnte den gegenwärtigen Burgfrieden in EUR-USD rasch beenden und uns einen stürmischen Herbst bescheren. *) Dorothea Huttanus ist Senior-Analystin für Devisenmärkte bei der DZ Bank.