Der nächste Fehler der EU
Nach mehreren Wochen der Verhandlungen hat die Europäische Union nun einen Preisdeckel für Erdgas in Europa beschlossen, der für den Spotmarkt am virtuellen niederländischen Übergabepunkt Title Transfer Facility (TTF) gelten soll. Die Preisobergrenze liegt bei 180 Euro je Megawattstunde, sie ist damit deutlich niedriger angesetzt als im vergangenen Monat zunächst mit 275 Euro vorgeschlagen.
Höchstpreise sind stets mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden. Wird die Preisobergrenze so angesetzt, dass sie unter dem jeweiligen Gleichgewichtspreis auf dem Markt liegt, so geht das Angebot unweigerlich zurück bei einer zunehmenden Nachfrage, mit der Folge, dass auf dem Markt Unterversorgung herrscht. Darauf weisen jetzt auch noch einmal die Rohstoffanalysten von Goldman Sachs hin: Eine Preisobergrenze löse nicht das gegenwärtige Problem eines Defizits an Erdgas in Europa, das die eigentliche Ursache für den Preisanstieg darstellt. Ganz im Gegenteil, es bedürfe im Sommer eines durchschnittlichen Preises von 180 Euro, um die Nachfrage so weit zu drücken, dass das Gas über den Winter 2023/24 reicht. Damit gehört die Preisobergrenze für Erdgas in eine ganze Reihe von Fehlentscheidungen der EU-Kommission und der Regierungen der Mitgliedsländer seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs, die die Energiekrise verschlimmern und in ihrer Gesamtheit sogar das Potenzial haben, zu einem Desaster zu führen.
Derzeit herrscht eine gegenüber den Höchstständen relative Entspannung am Erdgasmarkt, mit der Konjunkturerholung in China und ganz Asien wird die Nachfrage und damit die Preise spätestens im Sommer 2023 steigen. LNG-Flüssiggas kann im Gegensatz zu Pipeline-Gas leicht umgeleitet werden, es wird entweder an denjenigen geliefert, der im Gegensatz zur EU über langfristige Verträge verfügt oder der am meisten dafür bezahlt. Letzteres wird mit Blick auf die Preisobergrenze auf jeden Fall nicht die EU sein. Der Preisdeckel stellt also fast schon sicher, dass die EU nach dem Ende der über langfristige Verträge abgesicherten Lieferungen über Pipelines aus Russland Probleme haben wird, ihre Gasspeicher für den Winter 2023/24 ausreichend zu befüllen.
Das ist aber noch nicht alles: Es gibt Strommangel, und die deutsche und europäische Wirtschaft wird zeitgleich unter sanktionsbedingt steigenden Preisen für Erdöl und Ölprodukte leiden. So droht ab Februar in der EU ein Mangel an dem für die Logistik essenziellen Dieselkraftstoff. Die Energiekrise hat die EU-Wirtschaft nach Bloomberg-Berechnungen bereits fast 1 Bill. Euro gekostet. Die Belastungen dürften weiter steigen.