Energiemärkte

Der Ölpreis dürfte weiter steigen

Nach dem jüngsten Preisrückgang legt der Ölpreis wieder zu. Der Anstieg dürfte sich in den kommenden Monaten fortsetzen, weil ein Ende des Kriegs und der geopolitischen Krise nicht abzusehen ist.

Der Ölpreis dürfte weiter steigen

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Unmittelbar nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs kletterte der Ölpreis auf ein Mehrjahreshoch von rund 139 Dollar je Barrel, um danach aber wieder unter die Marke von 100 Dollar zu fallen. Anlass dafür war die Überzeugung vieler Marktteilnehmer, dass es binnen kurzer Zeit zu einem Waffenstillstand und dann zu einer Einigung zwischen Russland, der Ukraine und den USA kommen würde. Inzwischen haben sich diese Hoffnungen aber zerschlagen, und der Brent-Ölpreis ist am Freitagmorgen bis auf 109,50 Dollar geklettert.

Damit wurden am Ölmarkt die Illusionen aufgegeben, dass wieder ein gewisser Realitätssinn eingekehrt ist. Dazu hat die jüngste Einschätzung der Internationalen Energieagentur IEA beigetragen, die davon ausgeht, dass dem Ölmarkt ab April aufgrund der westlichen Sanktionen und zusätzlicher freiwilliger Boykotte von Marktteilnehmern rund 3 Mill. Barrel pro Tag (bpd) an russischem Öl entzogen werden – eine Größenordnung, die angesichts zunehmend knapper freier Kapazitäten anderer Produzenten kaum ersetzt werden kann. An der Einschätzung der IEA finden die Rohstoffexperten der Commerzbank bemerkenswert, dass die Energieagentur gleich von einem Ausfall der Produktion bis zum Jahresende ausgeht.

Tatsächlich dürften die politischen Zeichen weiter auf Sturm stehen. Zum einen ist nicht damit zu rechnen, dass Russland den Krieg vorzeitig und ohne Erreichen seiner eigenen Ziele beendet. Die jüngsten Verhandlungsrunden zwischen russischer und ukrainischer Seite haben gezeigt, dass die Positionen nach wie vor sehr weit auseinanderliegen und eine Einigung, mit der beide Seiten leben können und wollen, noch lange nicht in Sicht ist.

Zum anderen besteht bei keinem ernstzunehmenden Analysten ein Zweifel daran, dass sich Russland militärisch durchsetzen und den Krieg gewinnen wird, sofern die ukrainische Seite nicht nachgibt. Das wiederum dürfte die internationalen Spannungen verschärfen, so dass stets die Aussicht besteht, dass noch härtere westliche Sanktionen verhängt werden, die auch russische Energieträger stärker betreffen. Dies alles spricht für noch deutlich weiter steigende Energiepreise.

Dabei spielt auch eine Rolle, dass es US-Präsident Joe Biden trotz intensiver Bemühungen bisher nicht gelungen ist, zusätzliches Öl für den Weltmarkt aufzutreiben. Die US-Gespräche mit dem Iran sowie Venezuela haben in dieser Hinsicht zu keinem Ergebnis geführt, und Saudi-Arabien hat sich dem amerikanischen Druck widersetzt, die Absprachen mit Russland aufzugeben, so dass es zu einem deutlicheren Produktionsanstieg des Kartells Opec plus kommen würde.

Im Zuge der aktuellen geopolitischen Krise muss daher ein Ölpreis von 139 Dollar je Barrel noch lange nicht das letzte Wort gewesen sein.