Energiemärkte

Der Ölpreis wird bald wieder steigen

Die Angst vor einer ausgeprägten Rezession hat den Ölpreis gedrückt. Mittelfristig dürfte die Nachfrage aber wieder steigen. Dies und ein langfristig stagnierendes Angebot wird den Ölpreis wieder antreiben.

Der Ölpreis wird bald wieder steigen

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Der Ölpreis absolviert derzeit eine recht ausgeprägte Berg-und-Tal-Fahrt. Die Notierung der Ölsorte Brent Crude war Ende August bis auf fast 103 Dollar gestiegen, kürzlich jedoch bis auf rund 88 Dollar je Barrel abgerutscht. Am Dienstag wurde jedoch schon wieder ein Niveau von mehr als 95 Dollar gesehen. Die starken Preisausschläge lassen auf eine starke Verunsicherung der Marktteilnehmer schließen. Dazu haben sie auch allen Anlass, denn derzeit gibt es zahlreiche Unwägbarkeiten in Gestalt geopolitischer Risiken, die erheblichen Einfluss nehmen können auf die Nachfrage nach Rohöl und auf das Angebot.

Einer der wichtigsten Einflussfaktoren ist derzeit zweifellos die ausgeprägte Energiekrise in Europa und den USA, die im Wesentlichen durch die Sanktionen gegen Russland verursacht ist. Diese betrifft derzeit vor allem den Erdgasmarkt, dem durch den weitgehenden EU-Boykott russisches Erdgas entzogen wird. Hinzu kommt die innerhalb der EU wenig durchdachte Umstellung auf regenerative Stromquellen. Das Ergebnis sind exorbitant hohe Energiekosten in Europa und der EU, die die Volkswirtschaften tief in die Rezession treiben. Es war im Wesentlichen diese Angst vor einem starken rezessionsbedingten Rückgang der Ölnachfrage, die den Brent-Preis auf 88 Dollar drückte. Die Opec plus sah sich sogar veranlasst, den Markt mit einer vorerst noch symbolischen Produktionskürzung um 100000 Barrel pro Tag (bpd) ab Oktober zu stützen. Das Kartell signalisiert damit seine Bereitschaft, den Ölhahn gegebenenfalls noch stärker zuzudrehen.

Dabei ist zu beachten, dass die meisten Ökonomen nur von einer flachen Rezession ausgehen. Ob dies realistisch ist, darf bezweifelt werden. Sollte es aufgrund der exorbitanten Energiepreise zu einem Stillstand und später zu einem Absterben der europäischen Industrie kommen, ist sogar eine Depression nicht unrealistisch. Allerdings sind die USA aufgrund eigener Energiequellen und aufgrund verdeckter Importe von russischem Gas und Öl weitaus weniger betroffen, und ganz Asien unter Führung von China und Indien sichert sich günstige russische Energie. Das gilt sogar für den US-Verbündeten Japan, der seine Beteiligungen an russischen Öl- und Gasfeldern nicht aufgibt. Dies dürfte die Konjunktur in Asien weitgehend stützen.

Steigende US-Förderung

Einer konjunkturell schrumpfenden Nachfrage steht ein zunächst zumindest in Teilbereichen wachsendes Angebot gegenüber. So wird derzeit die Schieferölproduktion in den USA wieder hochgefahren. Im Permian-Becken dürfte sie nach einer Prognose der US-Regierung im Oktober ein Rekordniveau von 5,41 Mill. bpd erreichen. Fast überall im Gebiet der kontinentalen USA ist mit einer steigenden Förderung zu rechnen. Derzeit produzieren die Vereinigten Staaten schon wieder 11,8 Mill. bpd, immerhin der höchste Stand seit April 2020. Die US-Regierung erwartet sogar, dass die Ölproduktion der USA 2023 mit 12,6 Mill. bpd einen neuen Rekord erreichen könnte, allerdings sind nicht alle Marktbeobachter dieser Meinung.

Bis vor wenigen Tagen sah es noch danach aus, dass das Angebot durch zusätzliches iranisches Öl erweitert werden könnte. Derzeit produziert der Iran unter den amerikanischen Sanktionen geschätzte 2,6 Mill. bpd. Sollten die Sanktionen aufgehoben werden, könnten es bald wieder die 4 Mill. bpd werden, die der Iran vor den Strafmaßnahmen zur Weltproduktion beisteuerte. Danach sieht es nun aber immer weniger aus, denn die Verhandlungen über das Wiederinkrafttreten des Vertrags über das iranische Atomabkommen und die Aufgabe der US-Sanktionen sind ins Stocken geraten und drohen zu scheitern. Dies ist letztlich auch der Grund, weshalb der Ölpreis wieder auf 95 Dollar stieg, bevor er aktuell auf 93 Dollar zurückfiel.

Mittelfristig ist trotz aller sanktionsbedingter konjunktureller Un­wägbarkeit mit einem steigenden Ölpreis zu rechnen. Mit dem weiteren Fortschreiten des Ukraine-Kriegs dürften die EU und die USA ihre Sanktionen gegen russische Öllieferungen verstärken, sollten diese nun die Form einer Preisobergrenze (vgl. Leitartikel auf Seite 2) oder eine andere Gestalt annehmen. Außerdem läuft Ende Oktober die Alimentierung das Ölmarktes aus der strategischen Reserve der USA in Höhe von 1 Mill. bpd aus. Da diese Notfallreserven der USA nun stark geschrumpft sind, ist eine Wiederauffüllung unerlässlich, was zusätzliche Nachfrage generiert.

Auch langfristig spricht vieles für einen höheren Ölpreis. So hat es in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig Investitionen in die Ölförderung sowie in die Kernkraft gegeben, und die regenerativen Energien haben sich hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit als Enttäuschung erwiesen. Damit bleibt die Nachfrage nach Öl notgedrungen hoch, während das Angebot nicht Schritt hält oder sogar sinkt. Die gegenwärtige Phase eines relativ niedrigen Ölpreises wird also nicht allzu lange anhalten.

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