Geldpolitik

Die EZB wird grün

Die EZB wird zum Game Changer beim Corporate-Bond-Markt. Mit dem Klimaschutz hat die Bank neues Instrumentarium, um den Markt für Unternehmensanleihen steuern zu können.

Die EZB wird grün

Von Monica Fernandez*)

Die Europäische Zentralbank (EZB) ändert ihre Kriterien für den Ankauf von Unternehmensanleihen des Euro-Währungsgebiets (Corporate Sector Purchase Programme, kurz: CSPP) und wird damit zum Game Changer für den Corporate-Bond-Markt. Beim Ankauf von Unternehmensanleihen im Rahmen des CSPP sollen künftig auch relevante Risiken des Klimawandels als Prüf­kriterien herangezogen werden. Mit diesem Beschluss unterstreicht die EZB ihre Verpflichtung, „ökologische Nachhaltigkeitsüberlegungen systematischer in der Geld­politik zu berücksichtigen“. Die grünere Geldpolitik wird damit Teil der neuen Strategie der Notenbank. Zum Hintergrund: Die Strategie der EZB wird nur in sehr großen Abständen angepasst. Bei der Strategieüberprüfung im Jahr 2003 waren die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wirtschaft noch nicht so stark erkennbar.

Weitreichende Folgen

Die aktuelle Strategieüberprüfung stand unter dem Eindruck eines sichtbar werdenden Klimawandels. Die EZB hält in ihrem Abschluss-Statement fest, dass der Klimawandel auch weitreichende Folgen für die Preisstabilität habe. Der Klimawandel birgt erhebliche finanzielle Risiken für private Haushalte, Unternehmen und Finanzinstitute. Extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Stürme oder Überschwemmungen können sich direkt auf die Preise und die Realwirtschaft auswirken. Außerdem wird der Klimawandel einen weitreichenden Strukturwandel mit sich bringen. Damit liegt es im Mandat der EZB, auch klimabezogene Risiken zu berücksichtigen. Dementsprechend hat sich der EZB-Rat zu einem ambitionierten klimabezogenen Maßnahmenplan verpflichtet.

Im Rahmen des CSPP hat die EZB bisher vorwiegend Auswahlkriterien wie Bonität, Laufzeit oder Emissionswährung fokussiert. Klimakriterien wurden bisher nicht explizit berücksichtigt. Mit dem neuen Beschluss wird die EZB künftig Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit systematischer in die Geldpolitik einfließen lassen. Diese Maßnahme wird den Corporate-Bond-Markt fundamental verändern. Der Rat der EZB hat jüngst einen ambitionierten Fahrplan vorgelegt, nach dem Klimaschutzaspekte bis spätestens 2024 stärker in den geldpolitischen Handlungsrahmen des EZB-Rats einbezogen werden sollen. Bis Mitte 2022 sollen unter anderem Vorschläge für eine Anpassung des CSPP-Ankaufrahmens an Klimaschutzkriterien entwickelt werden. Wie es scheint, möchte man den Emittenten durch die frühzeitige Ankündigung die Möglichkeit geben, sich mit zeitlichem Vorlauf auf den neuen Rechtsrahmen für das CSPP einzustellen.

Klimarisiken im Blick

Die neuen Mindestkriterien für Emittenten stehen noch nicht detailliert fest. Aus dem Positionspapier lässt sich jedoch bereits herauslesen, dass künftig zumindest solche Unternehmensanleihen vom Anleiheankauf ausgeschlossen werden könnten, deren Emittenten die EU-Regeln zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens verletzen. Zudem will die EZB künftig­ bei den Sicherheiten, die sie für Refinanzierungsgeschäfte ak­zeptiert (Collateral), relevante Klimarisiken prüfen und bewerten.

Alles in allem steht zu erwarten, dass die EZB künftig weniger An­leihen­ von Unternehmen mit hohem CO2-Ausstoß erwerben wird bzw. für solche Unternehmen die Bedingungen für die Einreichung von Anleihen als Sicherheit für Refinanzie­rungsgeschäfte­ verschärft, z. B. durch höhere Abschläge.

Mehr Handlungsspielraum

Die Einbeziehung des Klimawandels erweitert den Handlungsspielraum für den Ankauf von Unternehmensanleihen durch die EZB. So könnten künftig auch Klimaschutzgründe herangezogen werden, um eine Fortführung des Programms zu begründen. Gleichzeitig wird dadurch der geldpolitische Spielraum im CSPP erhöht. Damit dürfte die EZB aber auch zu einer gewissen Spread-Stabilität im Corporate-Bond-Markt beitragen.

Das allgemeine Spread-Niveau dürfte von dieser Entscheidung kurzfristig noch wenig beeinflusst werden. Aber der Bewertungsunterschied zwischen grünen und nichtgrünen Anleihen – das sogenannte Greenium – dürfte sich perspektivisch ausweiten. Durch den zu erwartenden Ritterschlag der EZB dürften Green Bonds noch stärker in den Fokus der Investoren geraten als bereits bisher, aber auch die Primärmarktaktivitäten bei Green Bonds dürften durch diese Ankündigung zusätzlich belebt werden.

Neues Instrument

Je nach der konkreten Ausgestaltung der Klimaschutzkriterien wird es zu Verschiebungen innerhalb des Spektrums der nachhaltigen Investments kommen. Das Beispiel der seit Jahresstart EZB-fähigen Sustainability-Linked Bonds (SLB) zeigt, dass die Steuerungsmaßnahmen der EZB die Emissionsaktivitäten am Primärmarkt beeinflussen können. Vor diesem Hintergrund ist auch aufgrund des aktuellen Beschlusses der Klimaberücksichtigung zu erwarten, dass die Primärmarktaktivitäten sich entsprechend ausrichten werden. Die EZB hat mit dem Klimaschutz ein neues Instrumentarium, um den Markt für Unternehmensanleihen steuern zu können.

*) Monica Fernandez leitet das Corporate Bond Research bei der DZBank.