GASTBEITRAG

Die Immobilienaktie gewinnt an Attraktivität

Börsen-Zeitung, 5.9.2015 Erstmals seit es den Dax gibt, wird mit der Vonovia eine börsennotierte Immobiliengesellschaft dort vertreten sein. In Österreich sind bereits 4 von 20 Titeln im ATX 20 Immobilienwerte, in Frankreich ist mit Unibail-Rodamco...

Die Immobilienaktie gewinnt an Attraktivität

Erstmals seit es den Dax gibt, wird mit der Vonovia eine börsennotierte Immobiliengesellschaft dort vertreten sein. In Österreich sind bereits 4 von 20 Titeln im ATX 20 Immobilienwerte, in Frankreich ist mit Unibail-Rodamco eine auf Einzelhandel fokussierte Immobiliengesellschaft im CAC 40. Auch im Nikkei und im Hang Seng (Hongkong) sind mehrere Immobilienfirmen vertreten. Dagegen gibt es im Schweizer SMI, im Ibex 35 (Spanien), im amerikanischen Dow Jones sowie im italienischen Mib 30 und im russischen RTS 50 keine Immobilienwerte.Die Aufnahme einer Immobiliengesellschaft mit einer Marktkapitalisierung von über 13 Mrd. Euro in den Dax hat eine wichtige Signalwirkung. Noch im Jahr 1990 umfasste der Deutsche Immobilienaktien-Index nur Werte mit einer Marktkapitalisierung von vier Mrd. Euro. Zwar stieg diese bis Ende der neunziger Jahre auf 15 Mrd. Euro, fiel dann jedoch bis Anfang 2004 auf nur noch etwa 6,5 Mrd. Euro zurück. Heute beträgt die Marktkapitalisierung aller deutschen Immobilienaktien etwa 50 Mrd. Euro. Starkes WachstumVor allem börsennotierte Wohnungsgesellschaften sind in den vergangenen Jahren durch organisches Wachstum, gestiegene Marktwerte, aber auch durch Fusionen bzw. Übernahmen erheblich gewachsen. Anders als bei Einführung der Reits in Deutschland erwartet, haben diese keinen Anteil gehabt am Wachstum des Segmentes. Das ist im Grunde ein positives Signal, denn es zeigt, dass – anders als früher in Deutschland – steuerliche Vergünstigungen keinerlei Rolle mehr spielen. Die Immobilienwirtschaft ist erwachsen geworden und hat sich endgültig vom Steuerspargedanken emanzipiert.Der Grund, warum Immobilienaktien lange ein Schattendasein fristeten, lag vor allem in der Konkurrenz durch offene und geschlossene Immobilienfonds. Offene Immobilienfonds schienen das Versprechen, die Immobilie bei sehr geringer Volatilität fungibel zu machen, besser zu erfüllen als Immobilienaktien. Die Schwankungen waren über Jahrzehnte nur minimal, die tägliche Rücknahmeverpflichtung bürgte für eine hohe Liquidität. Bekanntlich konnten viele offene Immobilienfonds diese Versprechen dann doch nicht erfüllen. Inzwischen ist das Investmentgesetz reformiert – und die offenen Immobilienfonds sind damit sehr viel sicherer geworden. Sie können, anders als früher, durch kurzfristige Rückgaben institutioneller Investoren nicht mehr in Verlegenheit gebracht werden. Der Preis dafür ist jedoch eine zweijährige Mindesthaltefrist sowie eine zwölfmonatige Kündigungsfrist.Diese Änderungen bei den offenen Immobilienfonds, ebenso wie die Krise der geschlossenen Immobilienfonds, dürften einer der Gründe dafür sein, dass die Immobilienaktie in Deutschland an Attraktivität gewonnen hat. Doch allein diese Erklärung würde zu kurz greifen. Denn bekanntlich meiden deutsche Investoren immer noch die börsennotierten Immobilienvehikel, die übergroße Mehrheit der Investoren kommt aus dem Ausland.Das Wachstum des Segments in Deutschland ist vor allem auch ein Spiegelbild der stark gestiegenen Attraktivität des deutschen Immobilienmarktes in den Augen ausländischer Investoren. Diese investieren nicht bzw. fast nicht in Immobilienspezialfonds, die von deutschen Institutionellen nach wie vor bevorzugt werden. Deutsche Versicherungen, Versorgungswerke und andere Institutionelle sollten sich künftig jedoch auch verstärkt mit Immobilienaktien als attraktivem Anlagevehikel befassen. Es ist zu erwarten, dass nach den Wohnungs-AGs in den nächsten Jahren auch börsennotierte Gesellschaften stark an Bedeutung gewinnen werden, die in Einzelhandels- und Büroimmobilien investieren.—-Tobias Schmidt, Vorstandsvorsitzender Feri EuroRating Services AG