IM INTERVIEW: GUY WAGNER, BANQUE DE LUXEMBOURG INVESTMENTS

"Die Kapitalmärkte sind derzeit schon recht nervös"

Chief Investment Officer sieht in Gold weiter einen Zufluchtsort - Technologiewerte als klarer Gewinner - Italien kann zur Bewährungsprobe für den Euro werden

"Die Kapitalmärkte sind derzeit schon recht nervös"

Guy Wagner, Chief Investment Officer der Banque de Luxembourg Investments (BLI), sieht in Gold angesichts der Unsicherheitsfaktoren rund um die Kapitalmärkte weiter einen Zufluchtsort. Der Riskofaktor Italien könnte seiner Ansicht nach zudem zu einer Bewährungsprobe für den Euro werden. – Herr Wagner, der Goldpreis hat seit April dieses Jahres deutliche Rückgänge verzeichnet und bewegt sich aktuell nur unweit seiner diesjährigen Tiefs, obwohl es angesichts von Handelskrieg, Lira-Krise und Italien-Sorgen ja nicht an Unsicherheitsfaktoren mangelt. Hat Gold als Zufluchtsanlage in Krisenzeiten komplett ausgedient?Ich denke nicht. In der jüngsten Aktienmarktkorrektur hat der Goldpreis ja auch wieder leicht angezogen. Der Goldminenindex hat sogar rund 10 % zugelegt. Das war in der Korrektur von Ende Januar/Anfang Februar nicht der Fall. Gold sorgte in einem diversifizierten Portfolio somit für etwas Schutz. Was den Goldpreis in diesem Jahr drückt, ist die restriktivere US-Geldpolitik und damit einhergehend die relative Dollarstärke. Es ist häufig in der Vergangenheit die negative Korrelation von Dollar und Goldpreis zu beobachten gewesen, und im Moment spielt diese gegen den Goldpreis. Aber ich glaube überhaupt nicht, dass Gold längerfristig als Zufluchtsort in unsicheren Zeiten ausgedient hat.- Welche Argumente sprechen künftig für eine Anlage in Gold?Das sind diverse. Außer der restriktiveren US-Geldpolitik sprechen im gegenwärtigen Umfeld die meisten Aspekte für Gold. Da sind zum einen die sehr niedrigen und teils negativen Zinsen sowie die negativen Realverzinsungen. Zum anderen spricht die geopolitische Unsicherheit für den Goldpreis. Auf lange Sicht muss man sich auch die Frage stellen, was die Zentralbanken bei einer weiteren Krise überhaupt noch machen können. Denn sie haben die Zeit nicht dafür genutzt, um sich einen Puffer in Form höherer Zinsen aufzubauen. Vor diesem Hintergrund besteht also durchaus die Möglichkeit, dass die Notenbanken bei einer neuen Krise zu noch unorthodoxeren Methoden bzw. Instrumenten greifen. Das wäre dann natürlich auch nicht schlecht für den Goldpreis.- Haben passive Anlagestrategien auf den Finanzmärkten beziehungsweise passive Kapitalmarktprodukte das Potenzial, zu einem Treiber für den Goldpreis zu werden?Ja, denn die passiven Anlagestrategien sind mit vielen Risiken verbunden, die man eben nicht sieht, wenn der Markt lange Zeit nur nach oben geht. Wenn der Markt einmal dreht, dann können diese Strategien sehr hohe Volatilitäten auslösen. Und das käme dann wiederum dem Goldpreis als sicherer Hafen zugute.- Wie schätzen Sie die Angebotsseite von Gold in den kommenden Jahren ein?Auch hier sehe ich positive Vorzeichen für den Goldpreis. Es hat in den vergangenen Jahren geringe Investitionen in neue Goldvorkommen gegeben. Ein Grund dafür war, dass viele Goldproduzenten schlichtweg nicht die finanziellen Möglichkeiten für diese Investments hatten. Vor dem Hintergrund schärferer Umweltauflagen wird es in vielen Ländern immer schwieriger, die entsprechenden Genehmigungen zu bekommen, so dass man dann auch in die Erschließung neuer Goldvorkommen investieren kann. Von dieser Seite betrachtet ist in den kommenden Jahren nicht davon auszugehen, dass das Goldangebot stärker steigen wird.- Kann China beziehungsweise Chinas Währung Yuan zu einem maßgeblichen Einflussfaktor für Gold werden?Ja, denn China ist sehr daran gelegen, dass die Bedeutung des Dollar als Weltreservewährung Nummer 1 abnimmt. Denn vielen Ländern gefällt es nicht mehr, dass die USA ihre Währung immer wieder als Waffe einsetzen. Mit der gegenwärtigen Trump-Regierung wird dieser Frust bei vielen natürlich nur noch größer. China möchte andere Länder dazu bewegen, den Renminbi in den Handelsgeschäften als maßgebliche Währung einzusetzen so wie wir in Europa eben den Euro dafür nutzen. Insbesondere auch bei den Rohstoffkontrakten will China, dass die Geschäfte verstärkt in Renminbi fakturiert werden. So wurde im März der erste Öl-Yuan Kontrakt in Schanghai aufgelegt.- Was könnte China noch unternehmen?Es gibt die Theorie, dass China für den Renminbi eine Art Goldstandard ins Leben ruft, um den anderen Ländern eine größere Sicherheit für den Umstand zu geben, dass die chinesische Währung ja immer noch nicht voll konvertierbar ist. Der Goldpreis in Renminbi ist beispielsweise seit Monaten sehr stabil. Das würde also durchaus für diese Theorie sprechen. Das wäre dann für den Goldpreis wiederum positiv. Allgemein sieht man auch, dass sich das Gold immer mehr vom Westen in den Osten verlagert. Denn US-Notenbank Fed und die europäischen Zentralbanken waren in den vergangenen Jahrzehnten Verkäufer von Gold, während die russische Zentralbank und asiatische Notenbanken stärker als Käufer von Gold an den Märkten auftraten. Wobei man im Falle von China aufgrund fehlender offizieller Daten nie so genau weiß, woran man ist.- Goldminenaktien werden vielfach als eine alternative Variante des Gold-Investments empfohlen. Würden Sie in der aktuellen Phase auch dazu raten?Ich würde sie empfehlen, aber man muss sehr selektiv vorgehen. Goldminenaktien können die Bewegungen im Goldpreis erheblich verstärken, und zwar in beide Richtungen. Die Goldproduzenten haben sich in den vergangenen Jahren auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Wenn der Goldpreis hoch war, dann nahmen sie beispielsweise Akquisitionen vor, die zu teuer bezahlt wurden. Bei vielen Goldunternehmen hat in solchen Marktphasen schlichtweg die Disziplin gefehlt. Das bedeutet auch, dass diese Unternehmen auf lange Sicht keinen oder kaum Wert für ihre Aktionäre geschaffen haben. Deshalb empfehle ich einen sehr selektiven Ansatz.- Sehen Sie innerhalb des Bereichs der Goldminenaktien denn eine Alternative beziehungsweise eine Opportunität?Ja, das sind die sogenannten Royalty Companies. Dabei handelt es sich nicht um Goldproduzenten im eigentlichen Sinne. Das Geschäftsmodell dieser Royalties besteht darin, bestimmte Projekte von Goldproduzenten zu finanzieren. Im Gegenzug bekommen sie dafür einen Teil der Goldproduktion. Der Vorteil besteht auf der Kostenseite, denn man ist beispielsweise nicht steigenden Lohn- oder Energiekosten ausgesetzt. Man hat auch Vorteile im Insolvenzfall, denn es wird keine Finanzierung des Unternehmens vorgenommen, sondern eine projektbezogene Finanzierung. Solche Projekte können herausgelöst und von anderen Firmen übernommen werden und damit könnte die Finanzierung weiterlaufen. Man hat also eine gewisse Sicherheit. Ein bedeutendes Unternehmen in diesem Bereich ist Franco Nevada aus Kanada. An diesem Beispiel lässt sich ablesen, dass diese Unternehmen langfristig Wert für ihre Aktionäre schaffen können.- Das heißt konkret?Franco Nevada ging 2007 an die Börse. Wenn man die Kursentwicklung von Franco Nevada mit der Entwicklung des Goldpreises und eines Goldminenaktienindex vergleicht, schneidet Franco Nevada überdurchschnittlich gut ab. Auch in Baisse-Phasen ergibt sich ein gutes Bild: Seit 2011 hat der Goldpreis rund 30 % verloren, Goldminenaktien im Schnitt um die 70 %, und Franco Nevada hat den Kurs in dieser Zeit mehr als verdoppelt. Auf kurze Sicht gibt es eine positive Korrelation mit dem Goldpreis, auf lange Sicht haben diese Royalties aber gezeigt, dass sie Wert schaffen können.- Worauf achten Sie bei Goldminen noch?Wichtig ist bei der Beurteilung auch, wo die Goldreserven der Goldproduzenten liegen. Denn immer mehr Länder halten sich nicht mehr an einmal getroffene Vereinbarungen und übernehmen wieder eine stärkere Kontrolle der Goldreserven der Firmen. Deshalb bevorzugen wir bei klassischen Goldproduzenten Unternehmen, bei denen die Goldreserven etwa in Kanada liegen und nicht in einem politisch instabilen südamerikanischen oder afrikanischen Staat.- Die US-Notenbank ist im Zinserhöhungsmodus und wohl auch entschlossen, diesen erst mal fortzusetzen. Der Dollar ist gegenüber dem Euro vor diesem Hintergrund vergleichsweise stark. Erachten Sie diese Entwicklung als nachhaltig für die kommenden zwölf Monate?Nicht unbedingt. Um es ein wenig provokativ zu sagen, empfinde ich den Dollar sogar als ein wenig schwach. Der Dollar ist gegenüber dem Euro tiefer als Ende 2015, als die US-Notenbank zum ersten Mal die Zinsen erhöht hat. Wir sind jetzt also tiefer als nach einem fast dreijährigen US-Zinserhöhungsprozess. Man hätte davon ausgehen können, dass der Dollar eine noch größere Stärke zeigen würde.- Was würde die US-Devise stärken?Stabil halten oder noch deutlicher stärken würde den Dollar, wenn es zu noch kräftigeren Zinsanhebungen in den USA kommt, als derzeit am Markt erwartet wird. Wenn die Fed also überraschenderweise noch restriktiver werden würde, dann wäre das zumindest auf kurze Sicht positiv für die US-Währung. Für Dezember geht der Markt fast unisono davon aus, dass es zu einem Zinsschritt kommt, das ist eingepreist am Markt und wird den Dollar wohl nicht mehr stark stimulieren. Und für 2019 sollte man sich vielleicht auch eher darauf einstellen, dass die US-Wirtschaft ihren Zenit überschreitet und die Konjunktur zu schwächeln beginnt. Das spricht dann eher nicht für eine restriktivere Fed und somit auch eher für einen schwächeren Dollar.- Haben der US-Handelskonflikt und die Zinserhöhungen der Fed das Zeug dazu, die Kapitalmärkte nachhaltig aus dem Tritt zu bringen? Sehen Sie bereits Einflüsse auf die Realwirtschaft in den USA oder China, die weiter um sich greifen könnten?Die Kapitalmärkte sind derzeit schon recht nervös, und was die Märkte jüngst noch nervöser gemacht hat, war die Befürchtung, dass die Fed noch stärker als erwartet an der Zinsschraube drehen könnte und dass auch die langfristigen Bondrenditen in den USA womöglich noch weiter steigen. Zuvor wurde die Zinskurve ja immer flacher, nun ziehen die Zinsen am langen Marktende an. Diese Kombination hat schon das Potenzial, den Markt nervös machen zu können. Einer der Gründe, warum die hohen Aktienbewertungen als gerechtfertigt erachtet wurden, waren die niedrigen Zinsen beziehungsweise Bondrenditen. Wenn die Zinsen nun stärker als erwartet steigen, kann das natürlich einen Druck auf die Bewertungen ausüben. Das ist dann kein gutes Vorzeichen für die Aktienmärkte. Der Handelskrieg kann ebenfalls einen heftigen Druck auf den Markt ausüben, wenn es hier zu einer Eskalation kommen sollte. Umgekehrt können Einigungen der USA mit Ländern auch den Effekt haben, am Markt noch mal eine Rally auszulösen. Auf der Grundlage der Zahlen und der Aussagen der Unternehmen müssen wir auch feststellen, dass der Handelskrieg auf der Unternehmensebene bereits negative Einflüsse zeigt.- Welche Branchen erachten Sie im gegenwärtigen Umfeld noch als diejenigen mit der höchsten Stabilität?Das sind die klassischen defensiven Branchen. Dazu gehört der Basiskonsum, also die Henkels und Unilevers dieser Welt. Dann sind es verschiedene Namen aus dem Pharmabereich. Das sind auch Werte, die in der jüngeren Vergangenheit nicht so gut gelaufen sind. Zu berücksichtigen ist, dass es sich hierbei auch um Unternehmen handelt, die eine attraktive Dividendenrendite aufweisen. Das sind für mich Branchen, die am Markt etwas mehr Stabilität unter Beweis stellen können.- Und die Technologiewerte?Auf lange Sicht sind die Technologiewerte für mich aber der klare Gewinner, das war auch in diesem Jahr wieder zu sehen. Technologischer Fortschritt bestimmt zweifelsohne unseren Alltag, deshalb sehe ich hier langfristig auch gute Perspektiven für diese Branche. Es besteht aber auch die Gefahr, dass dieser Sektor, der stark zugelegt hat, bei einer Marktkorrektur unter sehr heftigen Verkaufsdruck geraten könnte. Vielfach heißt es heute, dass Anleger aus Qualitätsaktien herausgehen und in Value-Aktien gehen sollten. Das entspricht nicht unserem Ansatz. Bankenwerte meiden wir, und man sieht ja auch, dass die Branche weiter unter Druck steht.- Wo sehen Sie international derzeit noch die besten Perspektiven?Als Contrarian-Anleger sehe ich mir an, welche Märkte andere outperformt haben. Das ist der US-Aktienmarkt. Europa und auch die asiatischen Märkte hinkten diesem Markt hinterher. Misst man die weltweite Aktienperformance ohne die USA, sind diese Märkte heute tiefer als 2014 und auch noch tiefer als 2011. Beim Euro Stoxx sind wir auf dem Niveau von vor 20 Jahren – ohne Berücksichtigung der Dividenden. Die Aussage, dass die Märkte unisono in einem jahrelangen Bullenmarkt sind, muss man schon ein wenig relativieren. Das stimmt für die USA, aber nicht für alle Märkte. Deshalb stellt sich die Frage, ob man nicht eher in diese Märkte gehen sollte.- In welchen zum Beispiel?Japan ist zum Beispiel ein Markt, den wir mögen. Dort steigt die Rentabilität der Unternehmen. Es handelt sich nicht um eine Top-down-, sondern eine Bottom-up-Geschichte. Die Rentabilität japanischer Unternehmen wird weiter steigen, weil auch der Druck der Investoren auf die Firmen weiter zunehmen wird, denn große lokale institutionelle Investoren haben ihre Aktiengewichtungen in den Portfolios erhöht. Japan bleibt für mich daher ein attraktiver Markt. Aber auch die Märkte in den anderen asiatischen Ländern halte ich für attraktiv. Denn bei einem starken Dollar sagen viele, dass man dann aus den Schwellenländern herausgehen soll. Das ist richtig für Länder wie die Türkei oder Argentinien mit einer hohen Dollarverschuldung. Bei asiatischen Ländern ist das anders zu beurteilen. Sie haben nicht mehr die Defizite wie vor 20 Jahren. Wenn an diesen Märkten verkauft wird, nur weil der Dollar stark ist, dann ergeben sich auch dort Opportunitäten.- Und in Europa?In Europa ist die Situation etwas schwieriger. Was zu unserem Qualitätsaktienansatz passt, ist in Europa bereits gut gelaufen. Eine gute Performance zeigten in den vergangenen Jahren Aktien wie SAP oder Luxuswerte wie LVMH, genauso die kleineren und mittleren Werte mit einer Wachstumsstory. Durch die Korrektur werden sich hier jedoch möglicherweise wieder Gelegenheiten ergeben.- Italien ist der Krisenherd in Europa. Hat er das Potenzial die Staatsschuldenkrise wieder heraufzubeschwören?Italien hat viel mehr als Griechenland das Potenzial, für die Währungsunion zu einer erneuten Bewährungsprobe zu werden. Damit würde die Problematik der Staatsschulden wieder heraufbeschwört. Es ist das drittgrößte Land der Eurozone. Italien ist sehr stark gegenüber seiner eigenen Bevölkerung verschuldet. Sollte Italien die Eurozone verlassen, wäre es vor diesem Hintergrund weniger dramatisch als für Griechenland. Denn gegenüber den eigenen Bürger verschuldet zu sein, ist eine andere Situation, als wenn ein Staat eine riesige Verschuldung gegenüber dem Ausland hat. Mit einer Abwertung wird diese Verschuldung noch größer und damit schwieriger zu bedienen.- Und wie beurteilen Sie den politischen Umgang damit?Die doktrinäre Art und Weise, wie die europäischen Politiker mit diesen Staaten, die in Schwierigkeiten stecken, umgehen, könnte zum Problem werden. Denn das heizt nur den Populismus an, den wir immer mehr sehen. Tatsache ist, dass der Euro als Währung ein technischer Erfolg ist, aber was der Euro in der Eurozone ausgelöst hat, ist nicht gerade als riesiger Erfolg zu werten. Und die betroffenen Bevölkerungsteile tragen die restriktivere Fiskalpolitik nicht mehr mit. Deshalb wird es auch immer schwieriger, diese Politik durchzusetzen. Italien wird also eine spannende Angelegenheit.—- Das Interview führte Kai Johannsen.