IM INTERVIEW: NICK CLAY, BNY MELLON INVESTMENT MANAGEMENT

"Die Märkte sind fragil"

Fondsmanager: Unternehmen haben hohe Anfälligkeit für steigende Zinsen und sinkende Margen

"Die Märkte sind fragil"

Investoren fragen sich, ob die Korrektur an den Aktienmärkten eine Einstiegsgelegenheit bietet. Nick Clay, der den BNY Mellon Global Equity Income Fund verantwortet, interessiert das nicht. Er fokussiert sich auf Werte, deren Dividende definierte Kriterien erfüllt, und meidet hoch bewertete Aktien. Am Aktienmarkt sieht Clay Übertreibungserscheinungen. So hält er die FAANG-Aktien für viel zu teuer.- Herr Clay, die Aktienmärkte befinden sich einer Korrektur. Zeichnet sich Ihrer Meinung nach eine Einstiegsgelegenheit ab?Das Timing von Märkten ist sehr schwierig. Erfolgreiches Timing können Menschen nicht nachhaltig wiederholen. Wir versuchen das erst gar nicht, sondern fokussieren uns auf Einzelwerte. Wir versuchen, uns erfolgreich an die Statistik anzulehnen. Über Einstiegszeitpunkte machen wir uns eher wenige Gedanken. Wir achten darauf, an welchem Punkt des Zyklus wir uns befinden, auf die Bewertungen sowie auf eine Reihe möglicher zukünftiger Entwicklungen an den Märkten.- Was belastet die Aktienmärkte gegenwärtig?Die Bewertungen befinden sich nach wie vor auf einem hohen Niveau, vor allem in den USA. Wir haben einen seit fast zehn Jahren anhaltenden Bullenmarkt. Die von den Zentralbanken zugeführte Liquidität hat Investoren, Verbraucher und Unternehmen abhängig gemacht. Sie hat die Asset-Preise inflationiert, überall sind billige Kredite verfügbar. Die globale Gesamtverschuldung liegt bei 300 Bill. Dollar, 50 % mehr als im Jahr 2007. Nun erzählen uns die Notenbanken, dass die Stützungsmaßnahmen entzogen werden. Der Markt hat jetzt zwei Sorgen. Zum einen den strukturellen Faktor, dass aufgrund der sehr hohen Verschuldung nun jede Zinserhöhung sehr starke Auswirkungen hat. Kreditsensible Segmente wie Autokredite, Hypotheken und Kreditkarten-Schuldenaufnahme beginnen bereits sich zu verlangsamen. Dabei liegen die kurzen Zinsen erst bei 2,5 % bis 2,75 %. Zum anderen waren die Unternehmen vor allem in den USA in der Lage, ihre Gewinnwachstumsdynamik mit Hilfe der billigen Kredite anzutreiben. 2018 kamen noch die Steuersenkungen hinzu. Beides kommt aber nun zu einem Ende. Gleichzeitig sind die Bewertungen hoch.- Spielen nicht auch Sorgen über die Wachstumsaussichten eine Rolle?Definitiv. Anfang 2018 dachten viele, dass sich das Goldilocks-Szenario (ansprechendes Wachstum bei moderater Inflation) fortsetzen würde. Dies ist nun in Frage gestellt. Weltweit geht das Wachstum zurück, wie wir etwa in Deutschland und in Asien sehen können. Das ist ein besorgniserregendes Umfeld, wenn man hohe Bewertungen hat.- Befinden wir uns in einer bedenklichen Übertreibungsphase?Man muss einfach an das denken, was wichtig ist. Ich benutze gerne Bergsteiger zur Veranschaulichung. Es sterben mehr Bergsteiger beim Abstieg als beim Aufstieg. Der Grund: Auf dem Weg nach oben verbrauchen sie ihre Energie und ihre Vorräte, so dass sie dann beim Abstieg geschwächt sind. Wenn Investoren zu viele Schulden aufnehmen, wenn sie auf den Gipfel steigen, sind sie fragil, wenn die Märkte volatil werden. Wir haben das im Februar gesehen, als die Volatilität, gemessen am Index Vix, von 10 auf 36 hochgeschnellt ist. Einige auf niedrige Volatilität setzende Fonds haben in zwei Tagen 98 % an Wert verloren und wurden geschlossen. Sie starben beim Abstieg vom Gipfel. Auch einige Tech-Aktien zeigen jetzt Anfälligkeit. So hat etwa Tencent seit dem Hoch vom April 40 % verloren. Die Zuflüsse in ETFs, die zwei- bis dreifach gehebelt sind, haben vor dem Kurseinbruch im Januar den Gipfel erreicht, Emerging-Market-Fonds im zurückliegenden Jahr rekordhohe Zuflüsse erzielt. Europäische Hochzinsanleihen wiesen im Januar niedrigere Renditen auf als US-Staatsanleihen. Das bedeutet, dass entweder die US-Regierung Ramsch-Emittent ist oder wir ein perfektes Szenario haben, in dem kein einziges Unternehmen mehr pleitegeht. All dies zeigt: Die Märkte sind fragil.- Wie steht es um die Verfassung der Unternehmen?Die US-Unternehmen sind sehr hoch verschuldet, ihre Margen befinden sich im Zenit, ihre Zinsdeckung liegt auf einem Tiefststand. Sie sind ebenfalls fragil bzw. haben eine sehr hohe Anfälligkeit für steigende Zinsen und einen Rückgang ihrer Margen.- Welche Eigenschaften müssen Unternehmen haben, damit sie für Ihr Portfolio in Frage kommen?Sie dürfen nicht von einer Fortsetzung des Konjunkturzyklus abhängig sein. Ferner dürfen sie nicht hoch verschuldet sein und müssen stabile Erlöse und Cash-flows generieren. Beispiele sind Hersteller von Konsumprodukten wie etwa alkoholische Getränke oder “langweilige”, altmodische Technologieunternehmen, die beispielsweise Mainframe-Computer oder analoge Halbleiter herstellen.- Welche Rolle spielen die Bewertungen?Bewertungen sind das letztlich entscheidende Kriterium. Auf den Markthochpunkten vergessen die Leute einfach, wie wichtig das ist. Selbst wenn ein Unternehmen genial ist, wirft es für den Anleger keine guten Erträge ab, wenn die Bewertung zu hoch ist. So hat sich der Kurs eines hervorragenden Unternehmens wie Microsoft nach dem Jahr 2000 halbiert. Der Grund: Auf dem Gipfel lag das KGV bei exorbitant hohen 40. Derzeit sind die FAANG- ebenso wie die BAT-Aktien (Baidu, Alibaba, Tencent) einfach zu hoch bewertet. Egal wie gut die Unternehmen sind: Sie können die Erwartungen einfach nicht mehr erfüllen. Es fällt Menschen schwer, eine Bewertungsdisziplin einzuhalten. Wir arbeiten mit Bewertungsdisziplin.- Wie funktioniert sie?Wir haben eine Kauf- und eine Verkaufsdisziplin. Eine Aktie, die wir kaufen, muss eine Dividendenrendite aufweisen, die mindestens 125 % der Dividendenrendite des globalen Aktienmarktdurchschnitts beträgt. Wenn andererseits die Dividendenrendite einer Aktie unseres Portfolios unter 100 % des globalen Durchschnitts sinkt, müssen wir sie verkaufen. Das hält uns davon ab, sehr teure Aktien zu kaufen. Wir können also keine FAANG- oder BAT-Aktien (Baidu, Alibaba, Tencent) kaufen, wenn ihre Dividendenrendite nicht hoch genug ist. Und wir müssen Aktien verkaufen, deren Dividendenrendite zu niedrig ist, und zwar selbst dann, wenn uns das Unternehmen gefällt. Der Ansatz zwingt uns, geduldig zu sein und auch gegen den Strom zu schwimmen. Um besser als der Markt abzuschneiden, muss man ohnehin etwas anderes machen als der Markt.- Welche Vorteile bietet Ihre Dividendenstrategie?Durch die Dividendenakkumulierung haben wir seit dem November 2005 mehr als 50 % unseres Gesamtertrags durch Dividenden erzielt. Dividendenerträge sind weniger volatil als Kapitalerträge. Als Investmentmanager müssen wir uns die Frage stellen, was erreichbar ist: den Markt zu timen oder nachhaltige Dividendenerträge zu generieren. Gerade im aktuellen Umfeld ist es wichtig, an Investment-Disziplin zu denken, daran, was erreichbar und geeignet ist. FAANG-Aktien mit einer zehnfachen Bewertung des Umsatzes sind unserer Meinung nach kein geeignetes Investment. Wenn die Hoffnungen des Marktes am höchsten ist, sind tatsächlich die Risiken am größten, so wie es im Jahr 2009 enorme Chancen gab, als die Verzweiflung an den Märkten einen Höhepunkt erreichte.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.