"Die Pandemie hat die Starken stärker gemacht"

J.P. Morgan Asset Management warnt vor Extremrisiken - Fondsbranche steckt in beispiellosem Umbruch

"Die Pandemie hat die Starken stärker gemacht"

hip London – J.P. Morgan Asset Management hat auf ihrem internationalen Pressetag vor Extremrisiken (Tail Risks) gewarnt, die sich aus der Unsicherheit rund um die Coronavirus-Pandemie und die US-Wahl ergeben. “Wenn wir auf das nächste Jahr blicken, gibt es wirklich große Ungewissheiten”, sagte Karen Ward, die Marktstrategin des Vermögensverwalters. Anleger müssten sehr vorsichtig sein, wenn sie zu wissen glaubten, wie sich diese auflösen werden. Das gelte insbesondere für die Wahl in den Vereinigten Staaten. Denn selbst wenn Investoren aufs richtige Pferd gesetzt hätten: “Wir wissen für jeden dieser Kandidaten einfach nicht, was ihre kurzfristigen Prioritäten wären”, sagte Ward. Durch die beispiellose Antwort von Notenbanken und Regierungen auf die Pandemie sei die Gefahr von Extremrisiken gestiegen. Ihr Basisszenario ist gleichwohl positiv. “Wir glauben, dass es einen Brexit-Deal und eine medizinische Antwort auf die Pandemie geben wird”, sagte sie. “Wir werden uns irgendwie durchwursteln.” US-Markt mit VorteilenBis auf Japan sind die Bewertungen am Aktienmarkt im historischen Vergleich hoch (siehe Grafik). Allerdings existierten Unterschiede zwischen Branchen. Der US-Markt sei zwar am höchsten bewertet, doch seien dort auch die meisten Unternehmen notiert, die als Gewinner der Pandemie gelten. Das werde auf Jahre hinaus als Vorteil betrachtet. Folglich sehe die Bewertung “weniger problematisch” aus. Zudem bedingten niedrigere Leitzinsen niedrigere Diskontsätze, was nachhaltig höhere Kurs-Gewinn-Verhältnisse ermögliche, solange die Unternehmensgewinne mitmachten.Wie Richard Titherington, der Anlagechef für Aktien aus Emerging Markets und der Asien-Pazifik-Region, ausführte, wird sich der Trend zur Deglobalisierung zwar auf die Schwellenländer auswirken. “Aber ich sehe immer noch eine Menge mehr Wachstumschancen in den Entwicklungsländern.” Die US-Wahl hält er für nicht ganz so wichtig. “Es macht für Asien vermutlich keinen großen Unterschied, wie die Wahl ausgeht”, sagte Titherington. Wenn Joe Biden das Rennen mache, sei das vielleicht ein bisschen besser für die Region, doch alles in allem sei die Wahl “keine große Sache” für Asien.”Wir suchen nicht einfach nur nach Unternehmen, die von der Pandemie profitieren”, sagte Joanna Kwok, Portfoliomanagerin mit Sitz in Hongkong. “Die Pandemie hat die Starken stärker und die Großen größer gemacht.” Sie habe vor kurzem Aktien von Airports of Thailand gekauft. Das sei ein qualitativ hochwertiger Wachstumstitel. “Die Leute werden wieder reisen”, sagte Kwok. Wenn sich die Welt geändert habe, dann beim Thema ESG. Während der Pandemie habe sie ebenso viel Kontakt mit dem Management der Firmen in ihrem Portfolio gehabt wie zuvor, wenn nicht mehr. Dabei spielten auch soziale Fragen zunehmend eine Rolle. So habe Hindustan Unilever den Preis für Handdesinfektionsmittel gesenkt und 20 Millionen Stück Seife für Menschen gestiftet, die sie sich sonst nicht leisten könnten.Für Paul Quinsee, Global Head of Equities, hat die Pandemie zur Beschleunigung bereits bestehender Trends geführt. Was die Präferenzen der Verbraucher angehe, bedeute das: Arbeiten von Zuhause, die beschleunigte Annahme von Online-Alternativen, aber auch eine steigende Sparquote. Unternehmen widmeten sich der digitalen Transformation und der Auslagerung in die Cloud. Der Managementstil werde konservativer. Man versuche im Zuge der Deglobalisierung, die Beschaffungsketten wieder näher zu sich heranzuholen. Auch aus seiner Sicht werden die Starken stärker. Die Antwort der Regierungen und Gesellschaften sei mit der größten Unsicherheit befrachtet. Klar sei die wachsende Bedeutung von ESG. Zudem werde dem Gesundheitswesen eine größere Wichtigkeit beigemessen. Und die Steuern könnten steigen. “Das ist ein Wettrüsten”Die Fondsbranche befindet sich aus Sicht von J.P. Morgan Asset Management in einer Phase nie dagewesener Veränderungen. Nachhaltige Geldanlagen werden für Millenials, die in den kommenden Jahren 30 Bill. Dollar erben, von größtem Interesse sein, ESG-Integration werde Normalität. Die Wettbewerbsintensität nehme zu. “Die Manager, die heute in Technologie investieren, werden die Manager sein, die in Zukunft an der Spitze der Branche stehen”, sagte George Gatch, der CEO des Assetmanagers, der im laufenden Jahr 400 Mill. Dollar in Technologie investiert. “Das ist ein Wettrüsten.” Die Branche müsse ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem sich auch IT-Experten wohlfühlen. Wachstumschancen sieht er unter anderem bei Kunden aus den Emerging Markets, alternativen Anlagen wie Privatkrediten oder Hedgefonds-Strategien sowie bei “aktiven” ETFs.