Die Panik lässt vorübergehend nach
Von Stefan Schaaf, FrankfurtNach dem Brexit-Crash haben die Marktakteure am Dienstag zunächst einmal durchgeatmet und sind vorsichtig wieder ins Risiko gegangen. Die europäischen Aktienmärkte holten einen kleinen Teil ihrer Verluste wieder auf, die sie seit dem überraschenden Votum der Briten für einen EU-Ausstieg erlitten hatten. Marktteilnehmer wollten jedoch noch nicht von einer Trendwende sprechen.Der paneuropäische Aktienindex Stoxx 600 stieg gestern um 2,6 % auf 317 Stellen, nachdem er von Freitagmorgen bis Montagabend rund 10 % eingebüßt hatte. Am Markt wurde dies zum einem als Gewinnmitnahmen derjenigen interpretiert, die auf fallende Kurse gesetzt hatten. Zudem sorgen die Liquiditätsspritzen der Bank of England für etwas Entspannung. Banken reichten bei der britischen Notenbank gestern für Sechsmonatsgeld im Gesamtvolumen von 6,33 Mrd. Pfund ein. Das ist das höchste Volumen seit Februar 2014, dem Start der Kreditauktionen im aktuellen Format.Mit der gestrigen Erholung lag der 600 Aktien umfassende Index jedoch noch 8,4 % unter seinem Schlussstand von vergangenem Donnerstag, als die Märkte noch von einem Verbleib der Briten in der Europäischen Union ausgegangen waren. Die für viele Akteure überraschende Mehrheit für einen britischen EU-Austritt hatte zu einem Abverkauf von Aktien und anderen Risikoanlagen geführt. Pfund leicht erholtDie meisten Akteure sprachen von einem Durchatmen, so etwa auch die Société Générale. Sie überschrieb ihren täglichen Ausblick auf den Devisenmarkt gestern mit: “Ein kollektives Aufatmen, während sich das Risiko stabilisiert (vorübergehend)”. Zuvor waren im asiatischen Handel bereits Carry-Währungen wie der neuseeländische Dollar oder der südafrikanische Rand gefragt gewesen. Auch das Pfund Sterling stabilisierte sich, nachdem es in den vorangegangenen beiden Handelstagen rund 10 % an Wert zum Dollar eingebüßt hatte. Im späten europäischen Handel wurde es sogar mit einem Plus von 0,5 % bei 1,3282 Dollar gehandelt.Analysten warnen jedoch vor voreiligem Optimismus. “Vor allem die vollkommene Planlosigkeit sowohl der britischen Regierung als auch führender Politiker der Brexit-Kampagne darüber, wie es nach dem Referendum weitergehen soll, sorgte für anhaltende Unsicherheit am Devisenmarkt”, schreibt Commerzbank-Expertin Esther Reichelt. Zwar dominiere nun gerade die “Risk-on”-Stimmung, diese werde ihrer Einschätzung nach aber nur von vorübergehender Natur sein. “Denn auch nach der teilweise durchaus lebhaften Debatte des britischen Parlaments wissen Investoren weiterhin nicht, wann die britische Regierung ihre Austrittsabsicht gegenüber der EU offiziell erklären wird.” Investoren benötigten Klarheit, wo das Vereinigte Königreich in zwei bis drei Jahren stehen werde. “Solange die fehlt, wird das Pfund weiter abgestraft”, prognostiziert Reichelt.Auch der weltgrößte Vermögensverwalter BlackRock rät Anlegern, zunächst Risiken am Markt zu meiden. “Die Volatilität europäischer Aktien dürfte in den kommenden Wochen hoch bleiben”, sagt Martin Lück, der die Kapitalmarktstrategie in Deutschland leitet. “Gold dürfte bei knapp über 1 300 Dollar die Feinunze noch eine geeignete Sicherheitsvariante sein, Gleiches gilt für amerikanische Staatsanleihen.” “Tote Katze”?Die gestrige Erholungsrally vom Brexit-Schock könnte deshalb von kurzer Dauer sein. Am Markt gibt es für solche kurzzeitigen Gegenbewegungen den Ausdruck des “Dead Cat Bounce”, also dem Rückprall einer toten Katze. Das Bild, bei dem alle Katzenliebhaber ganz tapfer sein müssen, bezieht sich auf den Todessturz einer Katze, die noch einmal hochspringt, nachdem sie bereits auf den Boden gefallen und tot ist. Sollte dem so sein, stehen die Aktienmärkte vor weiteren Verlusten.