Die Rally der Gequälten
Hallo Marktoptimisten, da kommt ein neuer Strohhalm, an dem es sich gut festklammern lässt! Nach wochenlanger Misere an Chinas Aktienmärkten haben am Dienstag aufgekommene Gerüchte, dass sich die Staatsführung in Sachen Corona-Nulltoleranzpolitik doch noch einmal die Denkkappe anziehen will, eine spontane Rally ausgelöst. Der Leitindex an der Hongkonger Börse schoss gleich einmal um gut 5% in die Höhe, und auch an den westlichen Finanzmärkten scheint ein Raunen durch die Menge gehen: Könnte es sein, dass die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft das Joch der ewigen Corona-Restriktionen mit Mini- und Maxi-Lockdowns abgeschüttelt bekommt und sich schon alsbald wieder als Zugtier der Weltwirtschaft entfalten kann?
Zunächst einmal gilt festzuhalten, dass die Hongkonger Börse in den vergangenen Wochen so dermaßen in die Knie gegangen war, dass für die allfällige technische Erholung so ziemlich jedes Gerücht hätte herhalten können. Die Vehemenz der Gegenbewegung hat sehr viel mit wilder Hoffnung in gequälten Anlegerherzen und sehr wenig mit der Stringenz der nun aufgekommenen Spekulationen über einen Sinneswandel der chinesischen Regierung in Sachen Corona-Politik zu tun.
Laut Gerüchteküche soll es Überlegungen geben, ein Parteikomitee zu bilden, das wiederum Szenarien entwickeln soll, wie sich ein gradueller Ausstieg aus der Covid-Zero-Strategie tatsächlich darstellen könnte. In der täglichen Pressekonferenz des Außenministeriums, dem einzigem regelmäßigen Berührungspunkt des Pekinger Regierungsapparats mit der Öffentlichkeit, hieß es, man wisse nichts von einem solchen Komitee. Auch das muss freilich weder in die eine noch die andere Richtung viel heißen. Die Kommunikationswege der Parteiführung laufen auf anderen Bahnen und mit großem Time-Lag.
Was immer an Beratschlagungen stattfinden mag, man kann fest davon ausgehen, dass Peking mindestens bis zum Volkskongress im März an der Nulltoleranz offiziell festhalten wird und damit verbundene Restriktionen auf Lokalebene knüppelhart durchsetzen lässt. In Sachen Konjunkturbeeinträchtigung bleiben die Scheuklappen fest angelegt. Auch jüngste Daten, die eindeutig weitere Entschleunigung anzeigen, werden offiziell als Stabilisierungssignal dargestellt. Ob Komitees gebildet werden oder nicht, hat denkbar wenig damit zu tun, wie sich Chinas Konjunktur auf absehbare Zeit entwickelt. Zudem kann ein schleichender Sinneswandel zu Corona die wachsenden strukturellen Probleme, Verschuldungsgefahren und die Immobilienmarktklemme wohl kaum in nichts auflösen.