IM INTERVIEW: GEORG VON WALLWITZ, EYB & WALLWITZ VERMÖGENSMANAGEMENT

"Die Rally wird bis zum Jahresende anhalten"

Fondsmanager: Von der Fed-Leitzinserhöhung wird Gegenwind für US-Aktien ausgehen - Unternehmensanleihen haben wieder eine attraktive Rendite

"Die Rally wird bis zum Jahresende anhalten"

Der Aktienmarkt hat die tiefe Verunsicherung vom Sommer abgelegt und im Oktober einen seiner bislang stärksten Monate gehabt, der Dax kratzte zuletzt wieder an der Marke von 11 000 Punkten. Doch wie geht es nun weiter? Die Börsen-Zeitung hat den Münchner Fondsmanager und Geschäftsführer der Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement, Georg von Wallwitz, zu seiner Einschätzung des Aktien- sowie auch des Anleihemarktes befragt.- Herr von Wallwitz, die Aktienmärkte haben einen “goldenen Oktober” erlebt. Wie beurteilen Sie die Aufwärtsbewegung?Die Marktentwicklung war in der Tat sehr gut. Unser Balanced-Fonds hat im Oktober um 8,6 % zugelegt und damit das beste Monatsergebnis seit seiner Auflage im Jahr 2007 erzielt. Meiner Meinung nach wird die aktuelle Rally bis zum Jahresende anhalten. Allerdings ist unübersehbar, dass sich der seit Jahren anhaltende Bullenmarkt im Spätherbst befindet. Irgendwann wird der Markt kippen. Wann das sein wird, ist jedoch praktisch nicht prognostizierbar.- An welchen Kriterien kann man denn das nahende Ende eines Bullenmarktes festmachen?Wie schon angedeutet beispielsweise an der Dauer. Der Bullenmarkt begann im Mai 2009, auch wenn es durch den Sturz im Jahr 2011 eine Unterbrechung gab. Sechs Jahre sind für einen Bullenmarkt eine sehr lange Zeit. Neben dem Alterskriterium ist unter anderem sicherlich auch die Bewertung wichtig. Am europäischen Aktienmarkt geht es von der Bewertungsseite her noch. Anders sieht dies allerdings am amerikanischen Aktienmarkt aus. Er ist deutlich teurer und auch besser gelaufen als der europäische. Dafür gibt es durchaus nachvollziehbare Gründe. Die Unternehmensgewinne haben sich viel besser entwickelt als in Europa. Sie haben ein Allzeithoch erreicht, während die europäischen Unternehmensgewinne, gemessen an den Euro Stoxx 50-Firmen, unter ihrem Rekordhoch aus dem Jahr 2007 liegen.- Was sagen Sie zu den Sorgen, dass die Margen in den USA den Zenit überschritten haben?Die Margenentwicklung in den Vereinigten Staaten ist in der Tat das große Thema. Die Margen werden beziehungsweise wurden von drei langfristigen Faktoren getrieben. So wurden durch die Globalisierung, das heißt Offshoring von Produktion insbesondere nach Asien, Kosten gesenkt. Ferner hat die Technologisierung zu erheblichen Effizienzgewinnen geführt. Die Unternehmen brauchen für ihre Produktion immer weniger Menschen. Nicht zuletzt zahlen die amerikanischen Unternehmen kaum noch Steuern. Bei den Steuern könnte es zu einer gegenläufigen Entwicklung kommen, die beiden anderen Trends bleiben erhalten. So ist etwa die Macht der Gewerkschaften in den USA gebrochen. In Ländern mit starken Gewerkschaften sind die Margen niedriger als in den Vereinigten Staaten. Die Margen werden in den USA unter diesen Voraussetzungen nicht bald zurückgehen, so dass nun auch nicht von einem Kollaps der Gewinne auszugehen ist.- Wie stellt sich die Ergebnissituation in Europa im Vergleich dar?In Europa besteht, was die Gewinnentwicklung betrifft, noch Aufholpotenzial, vor allem in der Peripherie. Anders als Deutschland hatten die Peripherieländer eine richtige Krise. Die Unternehmen mussten dort Zinsen von 9 % zahlen, und das in einem von Stagnation geprägten Umfeld. Um solche Zinsen zahlen zu können, brauchen Unternehmen Wachstum. Hier hat aber eine Entspannung eingesetzt. Insofern steht der Bullenmarkt nun nicht unmittelbar vor dem Aus.- Spricht nicht auch die Geldpolitik mehr für Europa als für die USA?Von der irgendwann erfolgenden ersten Leitzinsanhebung geht für den US-Aktienmarkt sicherlich Gegenwind aus. Sie ist aber die am besten kommunizierte Leitzinserhöhung, die es je gab. Eine moderate Erhöhung des Leitzinses kann die amerikanische Wirtschaft auch nicht zum Kippen bringen. Sie ist nur eine symbolische Geschichte.- Zuletzt waren die Konjunkturdaten aber nicht so berauschend.Insgesamt gesehen ist die Datenlage alles andere als schlecht. Die Endnachfrage in den USA wächst um 3 %. Das ist eine sehr solide Zahl. Den Einbruch der Aktienmärkte im Sommer konnten wir jedenfalls nicht nachvollziehen. Hier läuft es gut, in der Peripherie verbessert sich die wirtschaftliche Entwicklung, und auch in den USA läuft die Konjunktur recht gut. Nur gewissen Schwellenländern geht es nicht gut. Allerdings muss man diesbezüglich auch die Kirche im Dorf lassen. In Deutschland macht die chinesische Nachfrage zwar einiges aus, aber eben nicht alles. Unternehmen wie beispielsweise VW und BMW sind stärker vom China-Geschäft abhängig, andere wie etwa die Immobilienbranche tangiert das überhaupt nicht. Die Immobilienaktien sind aber von der Schwäche im Sommer mit nach unten gezogen worden. Das war eine Kaufgelegenheit.- Wie erklären Sie den Einbruch vom Sommer?Das war eindeutig Panik. Es waren keine Käufer da, und dann hat China die Währung abgewertet. Die Zahlen der Unternehmen, die wir im Portfolio hatten, waren jedenfalls in Ordnung. Das gilt auch für die Zahlen der Volkswirtschaften, in denen wir investiert waren. Wir haben in der Schwächephase Aktien aufgestockt.- Was muss eine Aktie denn generell für Eigenschaften haben, damit Sie sich ein Investment ernsthaft überlegen?Wir mögen das, was wir griffig als Schumpeter-Aktien bezeichnen. Das sind Aktien von Unternehmen, die sich eine gewisse Marktstellung erarbeitet haben, die erstens profitabel und zweitens oligopolartig ist. Dadurch können sie eine Rendite erwirtschaften, die über den Kapitalkosten liegt. Beispiele sind etwa Nestlé, Mastercard und Visa. Interessante Branchen sind etwa die Aufzügehersteller wie die zu United Technologies gehörende Otis, Schindler und ThyssenKrupp oder auch die Flugzeugtriebwerkhersteller wie Rolls-Royce und MTU, denen zuletzt aber die EU-Kartellwächter auf die Schliche gekommen sind. Das sind Branchen mit vielleicht vier bis fünf Playern und hohen Markteintrittsbarrieren. Man tut sich gegenseitig nicht weh, niemand kommt rein.- Wie halten Sie es mit dem Anleihemarkt?2015 war ein schwieriges Jahr für Unternehmensanleihen. Da haben wir durchaus verloren. Vor allem der Energiesektor ist für die Entwicklung verantwortlich. Die Branche passt sich gerade an die niedrigeren Ölpreise an, das heißt, es gibt einen Shake-out. Die Großen der Branche, auch die schwer gebeutelte Petrobras, werden das überleben. Im Übrigen ist der Energiesektor auch wesentlich für die heftigen Verluste der Hedgefonds verantwortlich. Sie haben sehr große Wetten auf die Energie gemacht, und das zu früh. Mittlerweile haben Unternehmensanleihen wieder eine attraktive Rendite, was zu Beginn des Jahres nicht der Fall war. In unserem Portfolio liegt der Schwerpunkt im BB +- bis B-Bereich, also auf Hochzinsanleihen hoher Qualität. Der Bestand hat bei überschaubarem Risiko eine Restlaufrendite von 4,8 %. Bei einer Restlaufzeit von 4,5 Jahren gibt es kein großes Zinsänderungsrisiko.- Wie sind Sie im Staatsanleihesegment positioniert?Wir haben im Frühjahr unsere letzten Bundesanleihen verkauft. Staatsanleihen haben nur noch Sinn als Hedge für schwere Zeiten, wie sich während des Einbruchs an den Aktienmärkten im Sommer gezeigt hat. Sie sind auf dem aktuellen Niveau aber nichts für langfristig ausgerichtete Investoren. 50 Basispunkte für eine zehnjährige Laufzeit ergeben langfristig gesehen einfach keinen Sinn. Etwas anders sieht dies bei Treasuries aus, die eine Zehnjahresrendite von etwas mehr als 2 % aufweisen. Aber auch das ist alles andere als berauschend. Sie eignen sich für Investoren, die für den Dollar zuversichtlich sind. 2 % sind zu niedrig, um die Währungsschwankungen zu übertönen. Man muss also für den Dollar schon optimistisch sein. Allerdings ist die kommende Leitzinserhöhung wie gesagt schon seit längerem klar kommuniziert und dürfte daher bereits weitgehend in den Märkten enthalten sein.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.