Richard Kaye

„Die Spiele sind ein Neuanfang“

Ab dem 23. Juli finden in Japan die Olympischen Spiele statt. Bei Investoren könnte das Land damit an Attraktivität gewinnen, meint Richard Kaye, Portfoliomanager bei Comgest.

„Die Spiele sind ein Neuanfang“

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Markenbotschafter der japanischen Bekleidungskette Uniqlo, die auch in Deutschland vertreten ist, ist Roger Federer. Doch während die Aktie des Unternehmens weiterhin zu den Favoriten von Comgest-Fondsmanager Richard Kaye zählt, wird Federer nicht an den Olympischen Spielen in Tokio teilnehmen. Ungeachtet dessen sollten die Spiele die Stimmung an der Börse in Tokio heben, ist sich Kaye sicher.

Die Augen der Weltöffentlichkeit werden in den kommenden Wochen auf Japan gerichtet sein, wo am 23. Juli die Olympischen Spiele beginnen. Auch wenn die Spiele ohne Zuschauer stattfinden, könnte das Land bei Investoren an Attraktivität gewinnen. Lange herrschte in Japan Flaute an der Börse. Richard Kaye ist davon überzeugt, dass für Japan bessere Zeiten anbrechen. Er ist Portfoliomanager bei Comgest, einer Fondsboutique für Aktien der Industrie- und Schwellenländer, die zu 100% im Besitz der Mitarbeiter und Firmengründer ist. Der Anlagestil des Hauses ist es, unabhängig von Benchmarks auf Qualitätsaktien zu setzen. Insgesamt verwaltet Comgest rund 39 Mrd. Euro.

Für den Briten in Tokio gibt es ganz klar eine positive Verbindung zwischen Olympia und der japanischen Wirtschaft. Erfolgreiche Spiele dürften die japanische Regierung stützen und sind ein Zeichen für die Wiederöffnung des Landes. „Auch ohne Zuschauer wird eine sicher durchgeführte internationale Großveranstaltung die Öffentlichkeit beeindrucken“, sagt Kaye.

Die Olympischen Spiele seien nicht nur für die Wirtschaft ein wichtiger Stimulus, sondern auch für die Politik. Premierminister Yoshihide Suga dürfte sich kurz nach den Spielen zur Wahl stellen und wenn alles gut läuft, sollte er die Wahl gewinnen. Das sei wichtig für das Land, da er das Amt ohne Wahl von Shinzo Abe übernommen hat, meint Kaye. „Eine Bestätigung mit dem Rückenwind von Olympia würde die japanische Politik stärken.“

Der Japanexperte verweist auf die Wirtschaftspolitik des früheren Premierministers Shinzo Abe, die unter dem Namen „Abenomics“ bekannt ist. Sie biete auch heute das Fundament für Wachstum der Wirtschaft und Gewinne an der Börse. Kaye begründet das mit der Reform der Unternehmensverfassung, welche in den Corporate Governance und Stewardship Code mündete und veraltete Managementstrukturen aufbrach. In Japan sei der Weg geebnet für unabhängige sowie junge Kompetenz in den Aufsichtsräten, eine verbesserte Kapitalallokation und mehr Mitsprache der Minderheitsaktionäre, meint Kaye.

Durch Olympia werde sich die Stimmung insgesamt verbessern. „Ein wichtiger Faktor ist zudem, dass Asiaten und Chinesen sehr gerne nach Japan reisen. Bis zu Corona war die Zahl der asiatischen Touristen extrem stark gestiegen. Mit den Olympischen Spielen wird bei den Menschen in Asien der Wunsch geweckt, Japan wieder zu besuchen“, sagt Kaye und verweist darauf, dass das Land ganz klar Nummer 1 als Reiseziel in Asien sei, und sobald die Reisebeschränkungen fielen, werde die touristische Nachfrage stark steigen. „Die ökonomischen Auswirkungen der Spiele sind zwar minimal, aber die Wirkung auf die Stimmung im Land wird sehr groß sein. Diese Spiele werden so etwas wie ein Neuanfang zehn Jahre nach dem Erdbeben und 20 Jahre nach dem Niedergang der japanischen Wirtschaft sein.“

Der Comgest-Manager ist sich bewusst, dass die Spiele nicht zwingend ein Erfolg werden müssen. Er hält die Wahrscheinlichkeit aber für klein. „Die Pandemie ist natürlich das größte Risiko im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen. Allerdings geht Japan sehr vorsichtig vor und macht beim Impfen gewaltig Tempo. Insofern sollten die Infektionsrisiken unter Kontrolle sein.“

Weniger stark gelitten

Bei der Bewertung von Wirtschaftswachstum und Aktienmarktentwicklung sei zu berücksichtigen, dass Japan im vergangenen Jahr weniger stark gelitten habe. „Das zweite Quartal 2020 war in Japan vergleichsweise weniger schlimm als in Deutschland oder in den USA. Insofern ist der Nachholeffekt geringer als in anderen Ländern“, erläutert Kaye. Diese Zahlen werden sich relativieren, wenn als Vergleichsbasis das dritte und das vierte Quartal 2020 herangezogen werden.

Wichtig bei der Bewertung von japanischen Aktien ist aus Sicht von Richard Kaye, dass die meisten japanischen Unternehmen ihr Geld außerhalb von Japan verdienen. Das seien die asiatischen Länder, aber auch Europa und Amerika. „Insofern sind die Unternehmensgewinne zum Teil unabhängig von der nationalen Wirtschaft.“

Japanische Portfoliomanager wie Kaye fischen an einem mit 3700 gelisteten Titeln größten Aktienmärkte der Welt. „Das sind mehr Aktien als an den Börsen von Shenzhen und Schanghai in China“, erläutert Kaye. Gleichwohl ist er nur in einen sehr kleinem Teil der Aktien investiert und hat bei seiner Auswahl stets ganz Asien im Blick. „Wir suchen Unternehmen, die vom asiatischen Konsum profitieren.“ Ein zweites Thema sind für ihn erneuerbare Energien, denn auch in Japan sind die konventionellen Energieformen auf dem Rückzug. „Das ist verständlich, da es keine Kohle oder Öl gibt und die Energieform im Land die Atomenergie ist, die natürlich in Japan auch extrem umstritten ist.“

Nebenwerte interessant

Interessant sind für Investoren die vielen vernachlässigten Nebenwerte. Kaye nennt als Beispiel Hamamatsu Photonics, die mit 90% Marktanteil Weltmarktführer für hochlichtsensitive Messgeräte ist. Die Nähe zu China bildet aus seiner Sicht zudem einen wichtigen Wachstumsmotor für japanische Unternehmen. Robotik-Spezialisten wie Fanuc oder Keyence verdanken ihre Expansion gerade der starken Nachfrage nach Industrieautomatisierung auf dem asiatischen Kontinent, erläutert Kaye. Aber auch Konsumtitel wie die Modekette Uniqlo, gemessen am Umsatz der größte Bekleidungseinzelhändler des Landes, haben es Kaye angetan. Attraktiv sei auch Nihon M&A, Marktführer für Unternehmensberatung in Japan. Das Wachstumspotenzial der Firma sei aufgrund der hohen Anzahl von alternden Firmenchefs ohne Nachfolger sehr hoch.

„Für den japanischen Aktienmarkt werden sich die Olympischen Spiele auszahlen. Unterstützt wird dieser Trend dadurch, dass es eine internationale Umschichtung geben wird“, ist sich Kaye sicher. In den vergangenen Monaten habe sich der Markt immer nur um die USA gedreht. Doch das werde sich ändern. „Ich rechne damit, dass ausländisches Kapital nach Japan zurückkommt. Ein guter Indikator dafür sind die ETF-Zuflüsse, die seit April deutlich angestiegen sind.“ Ein weiterer Faktor seien inländische Investoren, die unterinvestiert seien und sich wieder mehr dem Heimatmarkt zuwenden.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.