Dollar-Parität kennt Gewinner und Verlierer
Die Parität ist erreicht. Für einen Euro wird exakt ein Dollar bezahlt. Das macht zwar das Umrechnen einfach, die wirtschaftlichen Folgen sind jedoch deutlich komplexer.
Erinnern wir uns zurück: Letztmalig wurde die Parität im Jahr 2002 erreicht. Das war das Jahr der Euro-Bargeldeinführung. Damals durchbrach der Euro die Paritätslinie von unten nach oben. Es war der Beginn der Euro-Rally, die kurz vor der Finanzkrise 2008 bei einem Wechselkurs von 1,60 Dollar endete. Von da an ging es unter Schwankungen bergab, insgesamt um 38%. Allein dieses Jahr hat der Euro seit dem Jahreshoch aus dem Februar 13% verloren.
Wer jetzt die Hoffnung hat, es könnte sich dabei nicht um eine Euro-Schwäche, sondern um eine Dollar-Stärke handeln, wird enttäuscht. Der Wechselkurs zum Schweizer Franken hat das Paritätslevel schon im Juni durchbrochen. Seit Februar hat der Franken 7% gewonnen.
Wie konnte es dazu kommen? Und warum im aktuellen Jahr so schnell? Die Erklärung ist simpel. Die Wechselkurse reagieren auf die unterschiedliche Geldpolitik der Notenbanken. Und hier ist die Fed bei der Straffung deutlich schneller und aggressiver unterwegs als die Europäische Zentralbank. Während der amerikanische Leitzins seit März in drei Schritten um 1,50% angehoben wurde, warten in der Eurozone alle auf den ersten Zinsschritt. Diese steigende Zinsdifferenz macht Anleihen aus dem Dollar-Raum attraktiver. Schon jetzt ist die Zinsdifferenz mit 2,25% so hoch wie zuletzt vor den Notfallsenkungen im Rahmen der Covid-19-Pandemie. Und die Zinsdifferenz wird in den kommenden Monaten wohl noch weiter ansteigen. Bis zum historischen Höchststand aus dem Jahr 1999 fehlen noch 1,5%. Ein neuer Rekord ist durchaus vorstellbar.
Auch die Schweizerische Nationalbank hat ihren Leitzins bereits angehoben. Dazu kommt, dass der Schweizer Franken vor dem Hintergrund einer drohenden Eurokrise 2.0 als Zufluchtsort attraktiv ist. Touristen aus der Schweiz, den USA und vielen weiteren Währungsräumen freuen sich jetzt über günstige Urlaubsreisen in die Eurozone. Umgekehrt werden für die knapp 450 Millionen Bewohner der Eurozone Reisen in andere Währungsräume teurer. Für die Tourismus-Regionen der Eurozone ist die Euro-Schwäche ein kleines Konjunkturpaket. Ebenso freuen sich exportorientierte Volkswirtschaften der Eurozone, wie die deutsche. Denn der niedrige Wechselkurs macht deutsche Produkte im Ausland günstiger und damit attraktiver.
Öl in Euro auf Rekordhoch
Grund zum Freuen haben aber nicht alle. Denn viele Rohstoffe, wie auch Rohöl, werden auf dem Weltmarkt in Dollar gehandelt. Für ein Barrel Rohöl der Sorte Brent werden aktuell knapp 110 Dollar fällig, damit liegt der Preis trotz des Anstieges noch etwa 40 Dollar unter dem Rekordwert aus dem Jahr 2008. In Euro ist das Bild dagegen ein völlig anderes. Durch die Parität liegt der Euro-Preis ebenfalls bei knapp 110. Allerdings lag der Euro-Preis pro Barrel 2008 nur bei gut 90. Für Euro-Abnehmer ist Öl damit so teuer wie nie zuvor. Rohstoffintensive Branchen kommen durch den schwachen Euro mehr und mehr an ihre Belastungsgrenzen.
Gewinner und Verlierer zugleich gibt es auch auf den Kapitalmärkten. Wer am Jahresanfang als Investor aus der Eurozone Aktien des S&P 500 kaufte, hat aktuell mehr als die Hälfte des Kursverlustes durch die Währungsaufwertung kompensiert. Umgekehrt liegen US-Investoren mit Dax-Werten etwa 30% im Minus.
Wie groß die Wechselkursschwankungen zuletzt waren, lässt sich bereits an der Kursentwicklung ablesen. Eine Analyse der historischen Volatilität ist hier gar nicht nötig. Für die Frage, wie es weitergeht, reicht ein Blick auf die implizite Volatilität.
Aktuell liegt die implizite 6-Monats-Volatilität bei 11%. Dem steht ein 10-Jahres-Mittelwert von knapp 8% gegenüber. Werte auf dem aktuellen Niveau gab es während der letzten zehn Jahre nur in einer Woche inmitten der Covid-19-Pandemie sowie im Zusammenhang mit der Griechenlandkrise im Jahr 2015. Die Schwankungen werden also hoch bleiben. Die Volatilität trifft zwar keine Aussage über die Richtung der Schwankung. Dennoch ist das Motto „The Trend is your friend“ aktuell ohne größere geldpolitische Änderungen wahrscheinlicher als ein Comeback des Euro.