Einzelhandel kein Schlaraffenland

Morgan Stanley sieht wenig Chancen für Sektor - Favoriten Ahold Delhaize, Jerónimo Martins und Colruyt

Einzelhandel kein Schlaraffenland

Der Lebensmitteleinzelhandel gilt als hart umkämpfte Branche. Auch für Aktionäre gibt es einer Studie von Morgan Stanley zufolge wenig zu holen. Schlecht seien die Aussichten vor allem für die Betreiber sehr großer Märkte – und für die britischen Supermarktketten.amb Frankfurt – Lebensmittel-Discounter und der kleine Supermarkt um die Ecke – das sind nach Ansicht von Morgan Stanley die zukünftigen Gewinner im Lebensmitteleinzelhandel. Skeptischer zeigen sich die Analysten, die in einer Studie die Chancen der europäischen Lebensmitteleinzelhandelsketten untersucht haben, bezüglich der sehr großen Supermärkte. Insgesamt wird die Branche kritisch gesehen und nur auf “In-Line” gestuft, Favoriten sind Ahold Delhaize, Jerónimo Martins und Colruyt, während von Morrisons und Casino abgeraten wird. Auf “Equal-weight” gestuft werden neben der deutschen Metro auch Tesco, Booker, Carrefour und Dia.Betreiber sehr großer Märkte stehen den Analysten zufolge vor großen Herausforderungen: Stagnierende oder fallende Bevölkerungszahlen, immer mehr kleinere Haushalte und der Trend in die Städte, der mit einem veränderten Einkaufsverhalten einhergehe, ließen die Marktanteile der Großen schrumpfen. Der Druck auf die Margen durch den boomenden Online-Handel beschränke sich zudem mittlerweile nicht nur mehr auf den Non-Food-Bereich. Nicht zuletzt machten die deutschen Discounter Aldi und Lidl vielerorts in Europa den traditionellen Supermärkten schwer zu schaffen, mit harten Preiskämpfen als Folge. Interessanter sind Morgan Stanley zufolge daher Betreiber von Discountern und kleineren Supermärkten mit keinem oder begrenztem Angebot außerhalb des Lebensmittelbereichs. Trübe Aussichten für BritenAls sehr gut aufgestellt sehen die Analysten den portugiesischen Supermarktkonzern Jerónimo Martins und Colruyt aus Belgien sowie – mit Abschlägen – auch Ahold Delhaize. Generell skeptisch sind sie bezüglich der britischen Supermarktketten, besonders schwierig sei die Lage für Asda. Die Preisunterschiede zu den Discountern Aldi und Lidl seien immer noch groß. Die Analysten gehen davon aus, dass die Discounter in Großbritannien weiter Marktanteile dazugewinnen werden, der Anteil werde von aktuell 10 % auf 14 % 2020 steigen. Dazu kämen negative Folgen des Brexit, etwa in Form steigender Kosten. Nicht zuletzt wüchsen bei einigen Konzernen die Lücken in den Pensionsrückstellungen, vor allem bei Tesco.Zum Kauf geraten (“Overweight”) wird nur bei Jerónimo Martins, Ahold Delhaize, Colruyt und Ocado. Für Jerónimo Martins, sowohl in Portugal mit Pingo Doce als auch in Polen mit Biedronka und Kolumbien mit Ara Marktführer im Lebensmittelhandel, wird ein Kursziel von 15 Euro (aktuell 15,44 Euro) genannt. Das Ladenkonzept wird gelobt, daneben seien Umsatz- und Cash-flow-Entwicklung gut. Auch im Fall von Ahold Delhaize (Kursziel 23 Euro, aktuell 20,29 Euro) werden die hohen Cash-flows hervorgehoben, weitere Pluspunkte seien eventuelle Ausschüttungen an die Aktionäre, der Anstieg des flächenbereinigten Umsatzes in den USA und mögliche Synergien aus der Fusion. Der niederländische Einzelhändler Ahold in diesem Juli die Fusion mit Delhaize abgeschlossen. Gegen Lidl behauptetDritter Favorit ist der belgische Konzern Colruyt, hier wird das Kursziel von 46,00 auf 50,50 Euro (aktuell 49,36 Euro) angehoben. Colruyt, immer noch die Nummer 1 in Belgien, leide zwar unter der fehlenden Konsumlaune und dem schwachen wirtschaftlichen Umfeld im Land. Dem Unternehmen sei es aber wie Delhaize gelungen, Marktanteile dazuzugewinnen, während Marktteilnehmer wie Lidl nur auf konstante oder rückläufige Marktanteile kämen, etwa Aldi und Carrefour.Ebenfalls positiv gesehen wird der britische Online-Supermarkt Ocado mit einem Kursziel von 4,20 Pfund (aktuell 2,64 Pfund). Der werde vom Wachstum des Online-Lebensmittelhandels profitieren und könne sich auf eine sehr gute Technologie stützen. Bei den anderen untersuchten Unternehmen wird kein Potenzial mehr gesehen (“Equal-weight”). Das Kursziel für Tesco wird zwar von 1,60 auf 1,70 Pfund (aktuell 1,81 Pfund) angehoben, die Analysten sehen die britische Supermarktkette jetzt etwas positiver. Nach Amtsantritt von Dave Lewis an der Konzernspitze im September 2014 habe es Verbesserungen im Angebot und in der Preisstruktur gegeben, die flächenbereinigten Umsätze in Großbritannien stiegen jetzt wieder, die Margen erholten sich. Schlecht sei aber die Konzentration auf die ganz großen Supermärkte, außerdem die hohe Verschuldung.Ebenfalls nur “Equal-weight” lautet das Votum für den britischen Lebensmittelgroßhändler Booker, als Kursziel werden 1,60 Pfund (aktuell 1,76 Euro) genannt. Booker sei zwar ein sehr gut geführtes Unternehmen mit hohen Cash-flows und voraussichtlich attraktiven Ausschüttungen an die Aktionäre. Die Kunden, also die Einzelhändler, litten aber unter dem Preisdruck in der Branche, der starken Regulierung im Tabakgeschäft und der Unsicherheiten wegen des Brexit.Das Kursziel für Metro liegt bei 29 Euro (aktuell 26,49 Euro). Die Analysten zeigen sich enttäuscht von der Umsatzentwicklung im dritten Quartal, zudem seien erneut rote Zahlen geschrieben worden. Der französischen Supermarktkette Carrefour (Kursziel 23 Euro, aktuell 23,07 Euro) werde die Erholung in Südeuropa zugutekommen, ein weiterer Pluspunkt sei das sehr gut laufende Geschäft in Südamerika. Moniert werden die Cash-flow-Entwicklung und vor allem der Schwerpunkt auf die Hypermärkte.Ebenfalls fair bewertet ist Morgan Stanley zufolge Dia, das Kursziel für den spanischen Lebensmittel-Discounter liegt bei 5,40 Euro (aktuell 5,51 Euro). Die Analysten halten das Ladenkonzept für attraktiv, Dia sei eins der wenigen Unternehmen, die von der Konsolidierung in Spanien profitieren würden. Die Umsatzentwicklung bleibe aber hinter der Konkurrenz zurück. Auf “Underweight” gestuft werden Morrisons und Casino. Morrisons (Kursziel von 1,65 auf 1,70 Pfund angehoben, aktuell 2,10 Pfund) habe bislang von der Schwäche des Konkurrenten Asda, der zum US-amerikanischen Wal-Mart-Konzern gehört, profitiert. Die Analysten sehen auch durchaus Fortschritte: Die Kosten seien reduziert worden, das Working Capital habe sich verbessert.Allerdings werde Morrisons unter den Problemen in der Branche leiden, also dem hohen Mindestlohn, dem Überangebot, den anhaltenden Preisunterschieden zu Discountern und der fehlenden Preissetzungsmacht. Früher oder später könne Asda auch zum Gegenschlag ausholen. Casino aus Frankreich (Kursziel 42 Euro, aktuell 43,30 Euro) habe die Verschuldung abgebaut, die Margen im Heimatland erholten sich. Allerdings halten die Analysten die Konzernstruktur für viel zu kompliziert, außerdem sei die Verschulung hoch. Uneins über MetroDie Metro, die sich in den Groß- und Lebensmitteleinzelhandel auf der einen sowie das Geschäft mit Unterhaltungselektronik auf der anderen Seite aufspalten will, wird von Analysten sehr unterschiedlich beurteilt: “Buy” oder “Overweight” lautet das Votum von Commerzbank, Barclays Capital, Baader Bank, DZ Bank und Warburg Research. Der Commerzbank zufolge (Kursziel 37,50 Euro) könnte die Elektronikhandelskette Media Markt Saturn zu einem der größten deutschen Online-Unternehmen aufsteigen.Außerdem werde das Online-Lebensmittelgeschäft wegen der hohen Verpackungs- und Lieferkosten bestenfalls allmählich Marktanteile gewinnen, so die Analysten. Auf “Neutral”, “Equal-weight” oder “Hold” stufen hingegen BNP Paribas, Goldman Sachs, Kepler Cheuvreux und Deutsche Bank die Metro, “Sell” heißt es demgegenüber von Bernstein und der Société Générale. Bernstein (Kursziel 23 Euro) sieht nicht, welche Effizienzvorteile die Trennung der Sparte Cash & Carry vom Unterhaltungselektronik-Geschäft haben soll.