Reaktion auf den Ukraine-Krieg

Entspannung bei Rohstoffen

An den Rohstoffmärkten hat es nach den starken Preisanstiegen seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs eine leichte Entspannung gegeben, die nach Einschätzung von Experten aber wenig nachhaltig sein dürfte.

Entspannung bei Rohstoffen

ku/wbr Frankfurt

Trotz der Ankündigung harter Gegensanktionen durch die russische Regierung hat es am Mittwoch an den Energiemärkten eine leichte Entspannung gegeben. Der Preis der wichtigsten Rohölsorte Brent Crude gab um 6,2% auf 120,04 Dollar je Barrel nach, die US-Sorte West Texas Intermediate verbilligte sich um 5,5% auf 116,91 Dollar. Noch kräftiger fiel die Erholung am europäischen Spotmarkt für Erdgas aus. Der Kontrakt zur Lieferung im April sackte an der Intercontinental Exchange um 28% auf 154 Euro je Megawattstunde ab.

Marktteilnehmer verwiesen auf eine technische Entspannung nach den kräftigen Preisanstiegen seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs sowie auf Gewinnmitnahmen. Der Preisrückgang sei nicht nachhaltig, hieß es. Das auf die Energiemärkte spezialisierte norwegische Beratungsunternehmen Rystad Energy merkte an, der Ölpreis könne noch bis auf 200 Dollar steigen, wenn sich neben den USA auch die Europäische Union dafür entscheide, russische Energieträger zu boykottieren. Das Unternehmen verweist auch auf die Energiekrise des Jahres 1973, als sich der Ölpreis verdreifacht habe. Die aktuelle Prognose beruhe darauf, dass dem Weltmarkt durch die russischen Sanktionen 4 Mill. Barrel pro Tag (bpd) an russischem Öl entzogen werden. Aktuell exportiert Russland als zweitgrößter Exporteur rund 7 Mill. bpd.

„Schmerzhafte“ Reaktion

Neben der Möglichkeit neuer europäischer Sanktionen besteht auch die Gefahr, dass Russland als Gegensanktion die Energielieferungen an Europa einstellt. Konkrete Ankündigungen gibt es noch nicht, allerdings hatte dies der frühere russische Energieminister und derzeitige stellvertretende Ministerpräsident Alexander Nowak am Vortag bereits in Aussicht gestellt. „Russlands Reaktion wird schnell kommen, gut überlegt sein und schmerzhaft für die Betroffenen ausfallen“, sagte am Mittwoch Dmitri Biritschewski, Direktor der Abteilung für wirtschaftliche Zusammenarbeit des russischen Außenministeriums der Nachrichtenagentur RIA Novosti. Er wies darauf hin, dass Europa derzeit rund 500 Mill. Tonnen Öl im Jahr verbraucht. Davon liefere Russland 30% oder 150 Mill. Tonnen sowie zusätzlich 80 Mill. Tonnen an petrochemischen Produkten. Die Internationale Energieagentur IEA schlägt indes vor, mehr Öl aus den strategischen Ölreserven der westlichen Länder auf den Markt zu werfen und Energie zu sparen.

Was die russischen Gaslieferungen und die Europäische Union betrifft, so machen diese 155 Mrd. Kubikmeter pro Jahr aus. Die EU-Kommission geht davon aus, lediglich 60 Mrd. Kubikmeter durch Importe aus den USA und Katar ersetzen zu können.

Aktuell hat Russland bereits die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Boykott von Rohstofflieferungen geschaffen, indem der russische Präsident Wladimir Putin am Dienstagabend einen Erlass unterzeichnete, der es der Regierung erlaubt, den Export von Rohstoffen und anderen Gütern zu untersagen.

USA wollen Venezuelas Öl

Derzeit bemühen sich die USA darum, nach dem verhängten Verbot des Imports russischen Erdöls Ersatz zu beschaffen. So ist eine US-Delegation nach Venezuela gereist, um mit der Regierung des bislang von den USA hart sanktionierten Landes über Exporte in die USA zu verhandeln. Das venezolanische Öl könnte die derzeit in den USA verarbeitete stark säurehaltige und schwere russische Sorte Urals ersetzen. Raffinerien sind stets auf bestimmte Ölsorten eingestellt, der Umbau der Anlagen ist aufwendig. Zudem dürfte es viele Monate dauern, bis die von den Sanktionen stark geschädigte venezolanische Ölindustrie wieder größere Mengen liefern kann. Außerdem bemühen sich die USA um eine Aussöhnung mit dem Iran. Noch allerdings gibt es keine Einigung im Streit um das iranische Atomprogramm. Derzeit liefert der Iran bereits nach Schätzungen einiger Experten rund 3 Mill. bpd vor allem an China. Weitere Produktionssteigerungen dürften einige Monate erfordern.

Weiterhin Chaos gab es am Markt des Industriemetalls Nickel. Die London Metal Exchange setzt den Handel weiterhin aus. Eine Eröffnung wird derzeit erst für Freitag avisiert. Inzwischen hat auch die Shanghai Futures Exchange den Handel ausgesetzt. Zu Wochenbeginn hatte es binnen zwei Tagen einen Preisanstieg um 250% gegeben, was bei Aufrechterhaltung des Handels enorme Nachschusspflichten von Marktteilnehmern ausgelöst hätte. An den Märkten für Agrarrohstoffe gab es am Mittwoch einen Rückgang von dem Allzeithoch des Weizenpreises vom Vortag. Die US-Notierung gab um 6,3% auf 11,205 Dollar je Scheffel nach. Russland und die Ukraine sind global sehr wichtige Weizenproduzenten. Viele Experten befürchten, dass der Ukraine-Krieg und die westlichen Sanktionen wegen der starken Verteuerung von Lebensmitteln zu Hungersnöten in der Dritten Welt führen können.

Die russische Währung ist am Mittwoch zwischenzeitlich erneut um rund 10% gefallen. Während in Moskau der Aktienhandel an der Börse weiterhin ausgesetzt blieb, öffnete der Devisenmarkt nach einer mehrtägigen Unterbrechung wieder. Im laufenden Handel sackte der Rubel auf ein Rekordtief von 131,50 Rubel pro Dollar, bevor die Währung die Tagesverluste wieder wettmachte. Am Abend lag der Kurs bei 128,75 Rubel pro Dollar. Die Liquidität war nach Einschätzung von Beobachtern niedrig. Auffällig waren die zeitweise sehr weiten Spreads.

Maßnahmen angekündigt

Die russische Zentralbank hatte am Dienstag eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, um nach Worten der Central Bank of Russia (CBR) Finanzmarktakteure wie Pensionsfonds und Verwaltungsgesellschaften bei der Bewältigung der Krisen­situation zu unterstützen, einschließlich der Lockerung einiger Vorschriften. Neben dieser zusätzlichen Krisenhilfe wurde für die kommenden sechs Monate untersagt, dass russische Bürger bei Banken Fremdwährungen kaufen können. Von Devisenkonten könne demnach nur noch Bargeld bis zu einem Betrag von 10000 Dollar abgehoben werden. Bei höheren Beträgen werde der Rest in Rubel zum Tageskurs ausgezahlt. Unabhängig davon, in welcher Fremdwährung die Konten geführt werden, würden nur Dollar ausgezahlt. Das soll die Kapitalflucht aus dem Land verhindern.

Die russischen Währungshüter hatten in der Vorwoche schon den Leitzins von 9,5 auf 20% erhöht. Die höheren Zinsen sollten dem Ab­wertungsrisiko der Landeswährung Rubel entgegenwirken. Kurz nach Beginn des Krieges hatte die CBR zusätzliche Liquidität für die Banken angekündigt und das Angebot für Devisenswapgeschäfte erhöht. Un­geachtet aller Maßnahmen setzte sich der Ausverkauf von Rubel fort. Die Währung ist gegenüber dem Dollar um rund 30% gefallen, seit Russland am 24. Februar in der Ukraine einmarschierte.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.