ITALIEN IN DER KRISE

Erbarmungslos mit Südeuropa

Chaos in der Regierungsbildung Italiens sendet Schockwellen aus - Sorgen um Refinanzierungsfähigkeit

Erbarmungslos mit Südeuropa

An den Anleihemärkten sind italienische Staatspapiere förmlich implodiert, aber auch spanische, portugiesische und griechische Staatsanleihen in Mitleidenschaft gezogen worden. Das Chaos in der italienischen Regierungsbildung dürfte die Märkte weiter beschäftigen, erwarten Marktbeobachter.dm Frankfurt – Italienische Staatsanleihen sind am Dienstag förmlich implodiert. Laut Händlern ging der Verkaufsdruck vom Terminmarkt aus, während die Umsätze im Kassamarkt gering blieben. Als Grund wurden Sorgen um die Refinanzierungsfähigkeit Italiens nach der gescheiterten Regierungsbildung vom Wochenende, eine mögliche Ratingabstufung sowie Befürchtungen eines möglichen Austritts des hoch verschuldeten Landes aus der Währungsunion angeführt. Die Rendite zweijähriger Staatspapiere, die am Vortag 0,89 % betragen hatte, zog bis zum späten Vormittag bis auf 2,83 % an und notierte im späten europäischen Handel zuletzt auf 2,72 %. Es handelt sich um den größten Renditeanstieg in Basispunkten seit 1992, als das europäische Währungssystem in eine schwere Krise geriet. “Wir sollten das eine Krise nennen”, sagte Kit Juckes, Global Fixed Income Strategist der Société Générale, der damit verbunden von einer weiteren Euro-Schwäche ausgeht. Die Gemeinschaftswährung rutschte gestern in Richtung 1,15 Dollar und notierte zuletzt 0,6 % tiefer auf 1,155 Dollar. Der Chef der Italienischen Zentralbank, Ignazio Visco, sagte, es gebe “keine Rechtfertigung für das, was heute an den Märkten passiert, höchstens emotionale Gründe”. Es bestehe ein hohes Risiko, “dass wir in kurzer Zeit und mit wenigen Schachzügen das unersetzliche Gut des Vertrauens verlieren”. “Noch nicht günstig genug”Luca Paolini, Chefstratege der Privatbank Pictet, urteilte in einer Einschätzung, italienische Anleihen und Aktien seien auf einer relativen Basis günstig, “aber nicht günstig genug, um die politischen Risiken aufzuwiegen, die nun viel höher als in der vergangenen Woche” seien. Der wahrscheinliche Ausgang der Regierungskrise in Rom seien Neuwahlen im Oktober, bei denen eine noch größere Mehrheit für die Populisten stimmen dürfte. “Das bedeutet, dass in den nächsten Wochen Wahlumfragen die Märkte noch stärker beunruhigen dürften und Investoren die Wahl als ein De-facto-Referendum über die Euro-Mitgliedschaft Italiens betrachten könnten.” Allerdings hätten sowohl die Lega als auch die Fünf-Sterne-Bewegung klargemacht, dass sie Italien im Euro behalten wollen.Auch am langen Ende zogen die Renditen gestern an. So rentierten zehnjährige Buoni del Tesoro Poliennale (BTP) mit bis zu 3,388 % und damit höher als zehnjährige US-Papiere. Die Renditedifferenz zu zehnjährigen Bunds weitere sich zeitweise auf bis zu 319 Basispunkte aus, so viel wie seit fünf Jahren nicht mehr. Als Folge einer Flucht in Sicherheit rutschte die Rendite zehnjähriger Bunds zeitweise bis auf 0,19 % und damit den tiefsten Stand seit April 2017 ab. Im Hochzinsbereich weitete sich der iTraxx Crossover auf das höchste Niveau seit Ende 2016 aus. Bank of America Merrill Lynch meint, der High-Yield-Sektor sei wegen des vergleichsweise hohen Anteils italienischer Emittenten anfällig. Die Verluste erstreckten sich auch auf andere Märkte, vor allem auf die zu Zeiten der Eurozonenkrise so genannten “Peripheriemärkte” Spanien, Portugal und Griechenland. In Spanien belasteten nicht nur mögliche Ansteckungseffekte, sondern auch Sorgen vor dem für Freitag geplanten Misstrauensvotum gegen Ministerpräsident Mariano Rajoy. Ebenfalls schwach tendierte der italienische Aktienmarkt, vor allem Finanztitel standen unter Druck. Der FTSE Mib verlor 2,7 % auf 21 351. Weiterer Exposure-AbbauMarktbeobachter erwarten trotz einer leichten Erholung im späten Handel am Dienstag keine rasche Entspannung. “Sollte der Expertenregierung kein Vertrauen ausgesprochen und Neuwahlen ausgerufen werden, dürften sich die Risikoaufschläge italienischer Credits auf den erhöhten Niveaus zunächst stabilisieren. Eine markante Einengungsrally erwarten wir nicht”, urteilt die DZ Bank. Die mit der jetzigen Regierungsbildung verbundenen Fiskal- und Bonitätsrisiken dürften zu einem späteren Zeitpunkt wieder in den Fokus der Anleger geraten. Zum anderen könnten Investoren, die um diesen Umstand wissen, temporäre Spread-Erholungen sowie die Nachfrage des Corporate-Sektor-Kaufprogramms der Europäischen Zentralbank nutzen, um noch bestehendes Italien-Exposure abzubauen.