Erholung der Stahlbranche erwartet

Morgan Stanley rechnet mit Abbau von Überkapazitäten in China - Viel Potenzial für Aktien

Erholung der Stahlbranche erwartet

Nach Ansicht von Morgan Stanley sieht es für die jahrelang von Überkapazitäten gebeutelte Stahlbranche jetzt endlich wieder besser aus. Chancen werden vor allem für Aktien aus den USA, China, Indien, Brasilien und Japan gesehen, so eine Studie der US-Bank.amb Frankfurt – Jahrelang hat billiger Stahl aus China europäischen und US-amerikanischen Stahlproduzenten das Leben schwergemacht. Jetzt deutet nach Ansicht von Morgan Stanley vieles auf ein Ende der Durststrecke hin. Die US-Bank hält es durchaus für realistisch, dass China mit dem Abbau von Überkapazitäten in der Stahlindustrie Ernst machen wird. “Am Markt gibt es zwar viele Skeptiker, wir glauben aber daran, dass China die bis 2020 anvisierten Kapazitätskürzungen von 150 Mill. Tonnen umsetzen wird”, heißt es in einer Studie der US-Bank. Das wären gute Nachrichten für die weltweite Stahlindustrie. Morgan Stanley rät vor allem zu den chinesischen Unternehmen Angang und Maanshan, Gerdau aus Brasilien, Nippon Steel & Sumitomo Metal, JFE Steel und Kobe Steel aus Japan, JSW Steel und Tata Steel aus Indien, United States Steel und AK Steel aus den USA sowie ArcelorMittal und SSAB aus Europa. Bereits 2018 am ZielChina hat sich den Abbau von überschüssiger Industriekapazität auf die Fahnen geschrieben, unter anderem sollen kleine und ineffiziente Stahlproduzenten geschlossen und die illegale Produktion eingedämmt werden. Wie Außenhandelsdaten der Pekinger Zollbehörde von Anfang Dezember zeigen, gingen in diesem Jahr – erstmals seit 2009 – die chinesischen Stahlexporte zurück, wenn auch nur leicht: Demnach reduzierten sich die Stahlausfuhren in den ersten elf Monaten 2016 um 1 % auf 100,7 Mill. Tonnen. Zurückzuführen ist das nicht zuletzt auf die von den USA und der EU verhängten Anti-Dumping-Zölle gegen die Billigeinfuhren aus China.Laut Morgan Stanley hat China von den insgesamt geplanten 150 Mill. Tonnen Kapazitätsabbau bis November dieses Jahres bereits 68 Mill. umgesetzt und damit das Ziel von 45 Mill. Tonnen für 2016 übertroffen. Nach einem Treffen mit dem chinesischen Branchenverband China Iron and Steel Association (CISA) gehen die Analysten sogar davon aus, dass das angepeilte Gesamtziel schon 2018 erreicht wird. Dazu beitragen könne unter anderem der Kampf gegen die illegale Produktion. Die Fusion von Baosteel aus Schanghai und der Wuhan Iron and Steel Group aus der Provinz Hubei zum weltweit zweitgrößten Stahlproduzenten hinter ArcelorMittal sowie der Zusammenschluss von zehn kleineren Produzenten in Tangshan zeigten zudem, dass die Konsolidierung in der Branche voranschreite.Die Nachfrage in China selbst sei stabil, die Infrastrukturausgaben stiegen an, die Leerstände bei Immobilien in Städten aus der zweiten Reihe gingen zurück, so dass neue Immobilienprojekte lanciert werden könnten. Für die chinesischen Exporte prognostizieren die Analysten für die kommenden Jahre 100 bis 120 Mill. Tonnen im Jahr, beeinflusst durch die stabile Nachfrage im Inland und die Anti-Dumping-Zölle der USA und der Europäer.Die Stahlpreise ziehen seit einigen Monaten wieder an, die Aktienkurse der Stahlkonzerne ebenfalls. Es gibt aber deutliche Unterschiede: Auf besonders große Kursgewinne kommen US-Stahlaktien, auch europäische Aktien sind schon überdurchschnittlich gestiegen, asiatische hinken hingegen hinterher.Bei den europäischen Stahlaktien sind die Kapazitätskürzungen Chinas nach Ansicht der Analysten mittlerweile schon eingepreist, Chancen gesehen werden aber noch für ArcelorMittal (Kursziel 7,90 Euro, aktuell 7,09 Euro) und SSAB (42 skr, aktuell 35,48 skr), die beide auf “Overweight” gestuft werden. Nicht zu den Favoriten gehört Thyssenkrupp, hier wird aber ebenfalls mit “Overweight” votiert und ein Kursziel von 24 Euro (aktuell 22,73 Euro) genannt. Auf lediglich “Equal-weight” gestuft werden dagegen Salzgitter (32,40 Euro, aktuell 33 Euro) und Voestalpine (32,20 Euro, aktuell 37,10 Euro).Den US-Stahlaktien, die schon jetzt die im Branchenvergleich beste Entwicklung in diesem Jahr hingelegt haben, könnten laut Morgan Stanley die vom neuen US-Präsidenten Donald Trump angekündigten Infrastrukturinvestitionen zugutekommen. Potenzial gesehen wird vor allem für US Steel (Kursziel 46 Dollar, aktuell 36,05 Dollar) und AK Steel (11 Dollar, aktuell 10,75 Dollar). Knapperes AngebotBei Stahlaktien aus China, Japan und Indien sei das rückläufige Angebot noch nicht eingepreist, heißt es in der Studie. Die Analysten sehen hier weiteres Potenzial von 20 % bis 40 % für die Kurse. Die großen chinesischen Stahlproduzenten profitierten von den Kapazitätskürzungen im eigenen Land am meisten, gleichzeitig stiegen die Preise und damit die Gewinnmargen. Wegen Zweifeln an der Umsetzung der Kürzungen seien die Kurse im internationalen Vergleich aber zurückgeblieben. Geraten wird zu H- und A-Aktien von Angang Steel (Kursziel 6,70 HK-Dollar und 8 Yuan, aktuell 4,65 HK-Dollar bzw. 5,07 Yuan) und H-Aktien von Maanshan (Kursziel 2,90 HK-Dollar, aktuell 2,90 HK-Dollar). H-Aktien sind Aktien von Unternehmen vom chinesischen Festland, die in Hongkong gehandelt werden, A-Aktien an der Börse Schanghai oder Shenzhen.Indien kommt der Studie zufolge darüber hinaus die steigende Nachfrage im eigenen Land zugute, angetrieben durch wachsende Infrastrukturausgaben und den Bedarf der Autoindustrie. Favorit der Analysten in Indien ist JSW (Kursziel 2 179 Rupien, aktuell 1 568 Rupien), doch auch Tata Steel (Kursziel 530 Rupien, aktuell 391 Rupien) wird empfohlen. In Japan werde die Gewinndynamik unterschätzt, die Lagerhaltung sei auf einem Tiefpunkt angelangt. Auf “Overweight” stehen hier Nippon Steel & Sumitomo Metal (Kursziel 3 200 Yen, aktuell 2 713 Yen) und JFE (Kursziel 2 000 Yen, aktuell 1 843 Yen). Auch für Brasilien zeigen sich die Analysten optimistisch, die Erholung im eigenen Land spiegele sich noch nicht in den Kursen wider. Geraten wird hier zu Gerdau (Kursziel 17,70 Real, aktuell 10,34 Real). Zu Thyssenkrupp geratenFür Thyssenkrupp gibt es derzeit viele Kaufempfehlungen, etwa von der DZ Bank, der Deutschen Bank, der Berenberg Bank, der Commerzbank und der Baader Bank. Zu einer neutralen Positionierung raten J.P. Morgan und Independent Research, die UBS votiert mit “Sell”. Die Deutsche Bank (Kursziel 26 Euro) verweist auf die Fusionsgespräche, Thyssenkrupp lotet seit Monaten eine Fusion der Stahlsparte mit dem Konkurrenten Tata Steel aus. Zudem zögen die Aufträge in der Industriesparte an. Die Berenberg Bank (Kursziel 28 Euro) sah sich nach einem Kapitalmarkttag in der positiven Einschätzung für den Industrie- und Stahlkonzern bestätigt. Die Aussichten im Stahlbereich würden besser, Fusionen seien nicht länger tabu. Das Geschäft mit Industrielösungen erhole sich langsam, insbesondere im Aufzugsgeschäft griffen die Selbsthilfemaßnahmen.Sehr skeptisch ist hingegen die UBS, die Thyssenkrupp am 19. Dezember von “Neutral” auf “Sell” herabgestuft und das Kursziel von 20 auf 18 Euro gesenkt hat. Europäische Stahlwerte seien nicht länger attraktiv bewertet, heißt es, die Gewinnmargen dürften 2017 wieder unter Druck geraten, unter anderem wegen hoher Lagerbestände und der Rohstoffpreisentwicklung. Zudem könnten sich Branchenkonsolidierung sowie Kapazitätsverringerungen verzögern. Salzgitter wurde von der UBS sogar von “Buy” auf “Sell” zurückgestuft und das Kursziel von 31 auf 27 Euro gesenkt. Trotz der guten Bilanzqualität würden schwächere Gewinnmargen bei Stahl die Bewertung belasten. Am Markt werde für 2017 mit weiteren Profitabilitätsverbesserungen des Stahlkonzerns gerechnet, die UBS geht aber von fallenden Rohstoffpreisen und damit auch niedrigeren Stahlpreisen aus. J.P. Morgan votiert bei Salzgitter mit “Neutral”, die Deutsche Bank und Jefferies empfehlen hingegen den Einstieg.