Ericsson-Bonds sind eine Überlegung wert
Von Mirko Maier*)
Am Kapitalmarkt dürfte für risikoorientierte Anleger ein Blick auf die Bonds des in Schweden beheimateten Netzausrüsters Ericsson interessant sein. Es gibt drei in Euro denominierte Bonds im kürzeren, mittleren und langen Laufzeitenbereich sowie einen in Kürze fälligen Dollar-Bond über 1 Mrd. Dollar. Das Marktumfeld ist für das Unternehmen aktuell eigentlich ausgesprochen positiv, wenn nicht gar optimal zu nennen. Aufgrund der starken Nachfrage nach 5G-Equipment beschleunigt der von Ericsson adressierte Markt sein Wachstum, was die Marktforscher von Dell’Oro in ihrer weiter von 3% auf nunmehr +5% angehobenen Prognose für den Markt in 2022 für mobiles Kommunikationsequipment wie z.B. Mobilfunk-Basisstationen zum Ausdruck bringen. Die Konkurrenz wird zudem weniger, da der bislang größte Wettbewerber Huawei aus Sicherheitsbedenken auf wichtigen großen westlichen Ländern nahezu ausgeschlossen wurde.
Zuwächse in den USA
Die daraus resultierenden Vorteile für Ericsson bei der Auftragsvergabe und der geringere allgemeine Preisdruck im Markt helfen, die verlorenen Marktanteile der Schweden in China zu kompensieren. In den Umsatz- und Erlöszahlen des abgelaufenen Geschäftsjahres 2021 von Ericsson spiegelte sich dies dementsprechend wider. Die Umsatzverluste in China bremsten die erzielten Zuwächse in den USA und Europa aus, so dass Ericsson mit den erzielten 232,3 Mrd. skr ein Nullwachstum beim Konzernumsatz verzeichnete. Das um 11% auf 32,3 Mrd. skr gestiegene operative Ergebnis zeigt aber, dass der geringere Preisdruck die Aufträge lukrativer werden lässt und die Marge steigern hilft. Betrachtet man die Spread-Entwicklung der Eurobonds, so spiegelten sich die guten Zahlen in einer deutlichen Einengung wider. Die Schweden nutzten die Gunst der Stunde und emittierten eine fünfjährige Euro-Anleihe, deren anfänglicher Zeichnungsanreiz von 115 bis 120 Basispunkte (BP) über Midswap aufgrund der hohen Nachfrage, die zu einer doppelten Überzeichnung führte, auf 98 BP abschmolz.
Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres 2022 konnte Ericsson beim Umsatz mit +10,6% auf 55,1 Mrd. skr sogar deutlich zulegen, und hätte sich ein großer Softwareauftrag im Volumen von 1 Mrd. skr nicht auf das zweite Quartal verschoben, wäre wohl auch der operative Ertrag gestiegen und nicht wie ausgewiesen um 10,4% auf 4,8 Mrd. skr gefallen. Gemessen am Umfeld scheinen damit die Weichen für ein lukratives Wachstum 2022 gestellt. Doch die Spreads der Schweden-Bonds signalisierten anderes.
Im Jahr 2019 schloss Ericsson mit dem US-Justizministerium und der dortigen Börsenaufsicht eine Vereinbarung über die Zahlung von über 1 Mrd. Dollar zur Beilegung von Korruptionsuntersuchungen. Diese fanden wohl über viele Jahre in Ländern wie China, Vietnam etc. statt. Nur unter Auflagen sahen die amerikanischen Behörden von einer weiteren Strafverfolgung ab. Ericsson musste sich verpflichten, seine internen Prozesse im Bereich Compliance, Whistleblowing etc. zu verbessern. Zudem überwacht für drei Jahre ein externer Prüfer die Bemühungen der Schweden. Im Rahmen der eigenen Untersuchungen stießen die Schweden selbst auf weitere Ungereimtheiten im Zusammenhang mit Aufträgen im Irak, die auch ihren Weg in die Presse fanden. Nach diesen soll Ericsson jahrelang kriminelle Praktiken seiner Mitarbeiter und Subunternehmer beim Aufbau von Mobilfunknetzen im Irak geduldet haben. Möglicherweise sind sogar Gelder bei der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) gelandet.
Im Februar dieses Jahres bestätigte Ericsson die kolportierten Vorwürfe und gestand ein Fehlverhalten ein, was einen Verstoß gegen die 2019 mit dem US-Justizministerium geschlossene Vereinbarung bedeutet. Nun scheint das US-Justizministerium die Untersuchungen wieder selber in die Hand zunehmen.
Das Management und auch der Aufsichtsrat von Ericsson wurden seither nicht müde, den Kapitalmarkt und auch die Anteilseigner auf der Hauptversammlung von der Ernsthaftigkeit der eigenen Anstrengungen, die Corporate Governance und Compliance im Unternehmen zu verbessern, zu überzeugen. Die niedrigen Entlastungsquoten bei der Hauptversammlung im April dieses Jahres und die Angriffe auf CEO Ekholm drücken allerdings das weiter herrschende Misstrauen des Kapitalmarktes aus.
Die laufenden Ermittlungen der US-Behörden sind ein Damoklesschwert in mehrfacher Hinsicht. Zum einen ist die Dauer der Ermittlungen wie auch das mögliche Strafmaß nicht absehbar. Offen ist u.E., ob es bei einer finanziellen Strafe bleibt oder Ericsson gar bei der künftigen Auftragsvergabe, trotz limitierter Anbieterlandschaft, abgestraft wird. Auch die laufende Übernahme des US-Players Vonage für 6,2 Mrd. Dollar könnte schwierig werden. Es steht noch die Zustimmung der US-Wettbewerbsbehörde aus, und eine hohe Geldstrafe würde die cashbasierten Finanzierungspläne des Zukaufs erschweren.
Große Unsicherheit
Die Unsicherheit ist groß. Die Untersuchungen durch die US-Behörden laufen, und Ericsson gibt sich dementsprechend schmallippig. Der Ausgang ist wie geschildert hinsichtlich Zeitdauer und Strafmaß ungewiss. Die Aktionäre quittierten den Vertrauensverlust im Februar mit einem heftigen Kurssturz der Aktie, und die Spreads der Bonds weiteten sich am kurzen Ende um über 150 BP aus. Ericsson hat eine starke finanzielle Flexibilität. Zum Ende des ersten Quartals 2022 verfügte das Unternehmen über liquide Mittel in Höhe von 104,2 Mrd. skr bzw. rd. 10,7 Mrd. Dollar. Dem standen Finanzverbindlichkeiten inklusive Leasingverbindlichkeiten von 48,3 Mrd. skr gegenüber. Hinzu kommt noch eine jüngst erneuerte und nicht genutzte Kreditlinie über 2 Mrd. Dollar. Auch nach einer Übernahme von Vonage für 6,2 Mrd. Dollar sollte dies ein Puffer für eine eventuelle Strafzahlung an die US-Behörden darstellen. Dementsprechend sehen die Ratingagenturen unisono kein Downgrade-Risiko des Investment-Grade-Titels. Finanziell unkalkulierbar erscheint uns allerdings die drohende Flut an Sammelklagen seitens der auf Kursverlusten sitzenden Investoren. Trotz der hinzugekommenen Unsicherheiten durch den Krieg in der Ukraine engten sich die Spreads der Bonds von Ericsson mittlerweile wieder ein, zeigen aber mit z.T. über 50 BP immer noch deutliche Aufschläge gegenüber dem schwächer benoteten Konkurrenten in Finnland.
Die Fälligkeitenstruktur der Schweden erscheint mit Laufzeiten bis 2030 ausgewogen. Angesichts des jüngst begebenen Eurobonds steht Ericsson trotz des im Mai dieses Jahres mit einem Volumen von 1 Mrd. Dollar zur Tilgung anstehenden Bonds nicht unter Refinanzierungsdruck. Auch die aktuelle Spread-Situation spricht gegen bevorstehende Neuemissionen. Für risikobewusste Investoren sind die ausstehenden Bonds aber durchaus eine Überlegung wert.
*) Mirko Maier ist Senior Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg.