„ESG für Frontier Markets wichtig“
Christopher Kalbhenn.
Herr Jørgensen, zu den Schwerpunkten Ihres Hauses zählen Frontier-Markets-Anleihen. Was macht diese Asset-Klasse für Investoren interessant, und was bedeuten steigende US-Zinsen für Sie?
Wir sind im Jahr 2008 mit dem Fokus auf Schwellenländeranleihen an den Start gegangen und waren der Pionier in der Branche, der auf Frontier Markets gesetzt hat. Wir haben im Emerging-Markets-Bereich ein verwaltetes Vermögen von ca. 14 Mrd. Dollar, von denen ca. 3,5 Mrd. Dollar auf Frontier Markets entfallen. Sie sind interessant, weil sie unkorreliert zu anderen Asset-Klassen sind. Was in den Vereinigten Staaten geschieht, ist für die ganze Welt von Bedeutung. Für die Frontier Markets gilt das aber in weit geringerem Maße als für andere Asset-Klassen. So ist beispielsweise die Mongolei nicht so stark von Ereignissen in den USA betroffen.
Sie sehen hier also eine gute Diversifikationsmöglichkeit.
Das ist so. Es kommt noch hinzu, dass es auch innerhalb eines Frontier-Markets-Portfolios eine geringe Korrelation gibt. Ereignisse in Weißrussland haben keine Auswirkungen auf Ecuador. Man hat hier eben neben etwas Absicherung gegen globale Treiber auch eine sehr geringe Volatilität.
Wie sind Sie positioniert?
Unser Schwerpunkt ist das institutionelle Geschäft. Zu den Kunden zählen vor allem Pensionsfonds, ferner Staatsfonds, Versicherer und Assetmanager. Regional betrachtet haben wir derzeit vor allem europäische Kunden, davon ist Deutschland mit einem Anteil von 25% am Gesamtvolumen unser zweitwichtigster Markt. Darüber hinaus haben wir netto in Deutschland keine Assets in diesem schwierigen Jahr 2020 verloren.
Welche Rolle spielt bei Ihnen ESG?
ESG ist für uns von zentraler Bedeutung. Aber wir haben eine andere Sicht auf das Thema als große Teile des Marktes. Das Label ESG selbst interessiert uns nicht. Für uns sind vielmehr sozioökonomische Treiber für unsere Investments relevant. Bildung und Gesundheitswesen sind entscheidende Faktoren für Produktivität und Humankapital. Diese typischen S-Faktoren sollten als etwas Separates betrachtet werden. Sie sind vor allem Wachstumstreiber und nicht so sehr finanzielle Treiber. Man kann das gerne ESG nennen, wie das der Markt macht. Wir betrachten sie als wichtige Indikatoren für Wachstum. Sie sind statistisch sehr signifikant als Treiber für Anleihen-Spreads und die Kreditwürdigkeit.
Welches Gewicht haben ESG-Faktoren für die Entwicklung von Frontier Markets?
ESG ist für Frontier Markets sehr wichtig. Denn bei Frontier Markets ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass einzelne Länder eine relativ niedrige Ausgangsbasis haben. Wenn es in Ländern, die wie Dänemark und Deutschland bereits hohe Ratings haben, zu ESG-Verbesserungen kommt, ändert das kaum etwas. Aber wenn sich Länder wie Kenia und Sambia in Aspekten wie Meinungsfreiheit und Markteffizienz verbessern, hat das einen signifikanten Effekt auf ihre Anleihen. Jede Verbesserung hat hier eine stärkere Auswirkung auf Spreads und die Kreditwürdigkeit. So haben etwa Reformen in der Mongolei zu einem starken Anstieg der Anleihen geführt. Der Markt denkt, dass ESG nicht für Erträge relevant ist, sondern für das Risikomanagement. In den Frontier Markets ist ESG aber sehr wohl für Erträge relevant. Schon kleine Veränderungen können durch eine besser funktionierende Gesellschaft eine große Auswirkung auf die Kreditwürdigkeit haben. ESG ist mit Frontier-Markets-Erträgen stark korreliert. Wir integrieren ESG in unsere Bewertungsmodelle.
ESG hat unterschiedliche Aspekte. Wie gewichten Sie die einzelnen Aspekte?
Das E spielt für uns nicht so eine große Rolle. Der Klimawandel vollzieht sich über lange Zeiträume und hat daher einen geringen Effekt auf Erträge und die Kreditwürdigkeit. Das S hat aber direkte Auswirkungen. Wir sprechen daher auch lieber von sozioökonomischen Faktoren. Unsere Bewertungsmodelle beachten ESG-Dynamiken, nicht nur Zinsen und Makrodaten. Wenn man nicht auf ESG schaut, entgehen einem wichtige Informationen. Durch ESG-Integration haben wir bessere Chancen, Performance und Geld für unsere Kunden zu machen.
Erfordert das nicht einen immensen Informationsaufwand?
Die Herausforderung ist, gute Informationen zu erhalten, und das schnell. Das größte Problem sind Daten, Datenqualität und Datenfrequenz. Ohne Informationen weiß man nicht, was los ist. Die Technologie hilft aber, Daten zu erhalten. Man kann das jetzt mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) machen.
Wie machen Sie das?
Wir nutzen beispielsweise einen Algorithmus, der Nachrichten lesen und verstehen kann. Es ist wichtig, politische Risiken zu messen, weil das für das Marktsentiment sehr wichtig ist, und wir messen das auf täglicher Basis. Wir haben Zugang zu allen relevanten Medien in den Schwellenländern. Unser Algorithmus wertet sie aus, jeden Tag Artikel aus 42 Ländern, beispielsweise 500 Artikel aus Argentinien. Jeden Tag werden so zwischen 5000 und 10000 Artikel ausgewertet. Dadurch erhalten wir einen täglichen Governance-Indikator, einer der statistisch wichtigsten Indikatoren. Das ist ein Weg, die neue Technologie für unsere Bewertungsmodelle zu nutzen. Der Indikator begann etwa für Argentinien Warnsignale bereits drei Wochen vor den Wahlen zu geben, bei denen es dann zu einem überraschenden Machtwechsel kam.
Das Interview führte